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Politik: Waffen – mit dem Segen Washingtons

Von Klaus Bachmann, Den Haag In der Nacht des 4. Dezember 1994 explodierte auf dem Flughafen von Zagreb der Helikopter des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic.

Von Klaus Bachmann, Den Haag

In der Nacht des 4. Dezember 1994 explodierte auf dem Flughafen von Zagreb der Helikopter des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic. Die Detonation war heftig und blieb den Beobachtern der internationalen Schutztruppe Unprofor und der europäischen Überwachungsmission ECMM nicht verborgen. Der Unprofor erklärten die kroatischen Behörden, ein Tankwagen sei explodiert, gegenüber ECMM hieß es, ein Pyromane habe Selbstmord verübt. In Wirklichkeit war der Helikopter mit Waffen und Munition vollgestopft gewesen, die aus dem Iran via Kroatien an Izetbegovics Kämpfer geliefert hatte, die sich in den Enklaven Ostbosniens und um Sarajevo gegen die besser ausgerüsteten bosnischen Serben verteidigten.

Die Lieferung war ein klarer Verstoß gegen das UN-Waffenembargo, das seit September 1991 für Jugoslawien galt. Doch der Verstoß geschah mit stillschweigender Zustimmung der US-Regierung. Diese befürwortete eine Aufhebung des Embargos, wollte es aber auch nicht offen brechen, um Konflikte mit ihren europäischen Verbündeten zu vermeiden, die das Gros der in Bosnien stationierten Blauhelme stellten. Aus Furcht vor undichten Stellen verhinderte Clintons Sicherheitsberater Anthony Lake sogar geheime Lieferungen der CIA an Bosnien. Stattdessen betrieb die Clinton-Regierung an der CIA und dem State Department vorbei eine Politik der „freundlichen Tolerierung“ regelmäßiger Waffenlieferungen aus Iran nach Bosnien, von denen das Transitland Kroatien („kroatische Pipeline") einen Teil als Transitgebühr einbehielt. Bei einem Gespräch mit dem kroatischen Präsidenten Tudjman betonte der US-Sonderbotschafter Charles Redman, „zu dem Thema keine Instruktionen erhalten zu haben“, was Tudjman nach einigen Rückfragen zutreffend als „grünes Licht“ interpretierte. Die CIA schätzte, dass zwischen 1994 und 1996 insgesamt 14 000 Tonnen Kriegsmaterial über die „kroatische Pipeline“ nach Kroatien und Bosnien kamen. Sie versiegte erst 1996 , als dieVereinigten Staaten selbst Bodentruppen in Bosnien stationierten.

Nachgezeichnet hat dies der niederländische Geheimdienstexperte Cees Wiebes. Seine Studie ist Teil einer fast 7000 Seiten starken Dokumentation des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation, deren Veröffentlichung im April den Rücktritt der gesamten niederländischen Regierung nach sich zog. Wiebes Quellen zufolge ersetzten die USA 1996 die „kroatische Pipeline“ aus dem Iran durch Waffenlieferungen aus der Türkei, die mithilfe von geheimen Nachtflügen ins ostbosnische Tuzla transportiert wurden. Sie fanden nur statt, wenn die Awacs-Aufklärungsflugzeuge der Nato ausschließlich mit US-Mannschaften besetzt waren. US-Diplomaten hätten Journalisten eingeschüchtert und Reports gefälscht, um die „Türkei-Connection“ geheimzuhalten. Laut Wiebes wirkte das Waffenembargo für die Konfliktparteien nur als Bremse für Lieferungen von High-Tech-Waffen und Massenvernichtungsmittel.

Konventionelles Kriegsgerät sei massiv von deutschen und amerikanischen Diensten an Kroatien und Bosnien, von Iran und der Türkei an Bosnien und von Russland, Israel und Serbien an die bosnischen Serben geliefert worden. Der Bericht ist Wasser auf die Mühlen des in Den Haag vor dem Internationalen Tribunal angeklagten jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic, der schon zu Beginn seines Prozesses behauptete, Nato-Staaten hätten in Bosnien jene radikalen Moslemkämpfer unterstützt, die sie heute als Anhänger von Al Qaida bekämpften. Er selbst habe in Bosnien und im Kosovo nur „gegen Terroristen“ gekämpft. Mudschahedin-Kämpfer aus arabischen Ländern habe es zwischen 400 und 4000 in Bosnien gegeben, gesteht Wiebes zu, allerdings seien sie bei den einheimischen Moslems wenig beliebt gewesen und hätten keinen großen Einfluß auf das Kriegsgeschehen gehabt.

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