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Rückzug: Frauke Petry will AfD nicht in den Bundestagswahlkampf führen.

© imago/IPON

Vor Parteitag am Samstag: Die AfD sucht ihren Kurs

Auf ihrem Kölner Parteitag will sich die AfD am Wochenende für die Bundestagswahl aufstellen. Doch die Flügel sind über Programm und Personalien zerstritten.

Mit ernster Miene stand AfD-Chefin Frauke Petry vor einer Deutschlandfahne, als sie die entscheidenden Sätze sagte: Sie stehe nicht zur Verfügung – weder als alleinige Spitzenkandidatin noch als Teil eines Spitzenteams, verkündete die 41-Jährige am Mittwoch in einer Videobotschaft auf Facebook. Eine Überraschung, war in der Partei doch immer davon ausgegangen worden, dass sie die AfD in den Bundestagswahlkampf würde führen wollen – auch wenn sie sich selbst dazu nie geäußert hatte.

Was bedeutet Petrys Verzicht für die AfD?

Am Tag danach ist die Verblüffung immer noch groß. Selbst ihr Kontrahent, Parteivize Alexander Gauland, zeigt sich jetzt versöhnlich. Er wünsche sich, dass Petry trotzdem „im Wahlkampf auftritt und präsent ist“, sagte er dem Tagesspiegel. Petry ist das bekannteste Gesicht der AfD. Für ihre Gegner wird es daher nahezu unmöglich, am Wochenende beim Bundesparteitag in Köln ein Spitzenteam mit ähnlich prominenten Personen zusammenzustellen.

Als mögliche Mitglieder eines solchen Spitzenteams gelten Gauland und die wirtschaftsliberale Ökonomin Alice Weidel, die der baden-württembergische Landesverband noch am Mittwoch in Stellung brachte. Das Anti-Petry-Lager um Gauland, Ko-Parteichef Jörg Meuthen und den umstrittenen Thüringer Fraktionschef Björn Höcke müsste die Delegierten davon überzeugen, dass das Duo fähig wäre, die AfD in den Wahlkampf zu führen – auch ohne Petry.

Was ist Petrys Kalkül?

In Parteikreisen heißt es, Petry setze möglicherweise darauf, dass gar kein Spitzenteam zustande kommt. Dann stünde sie als Parteichefin weiterhin in der ersten Reihe – sie könnte die Partei etwa bei Wahlsendungen im Fernsehen vertreten. Das Szenario ist nicht unwahrscheinlich. So sagen auch einflussreiche Bundesvorstandsmitglieder wie der Berliner Landeschef Georg Pazderski, dass die AfD kein Spitzenteam brauche. Sollte sich diese Einschätzung durchsetzen, hätte Petry ohne nervenaufreibende Abstimmungen auf dem Bundesparteitag eine herausragende Position im Wahlkampf inne und müsste sich nicht in einem Spitzenteam unterordnen.

Auch Parteigründer Konrad Adam glaubt, dass Petrys Verzicht taktisch motiviert ist. „Auf dem Parteitag könnte sie wie Phoenix aus der Asche auferstehen.“ Der Verzicht sei in Wirklichkeit eine Kampfansage an ihre Gegner. Zumal Petry die Partei weiterhin zu einer Entscheidung zwingen will zwischen dem von ihr favorisierten „realpolitischen Weg einer bürgerlichen Volkspartei“ und einer fundamentaloppositionellen Strategie, als deren Vertreter sie Gauland benannte. Das hatte Petrys „Zukunftsantrag“ viel Kritik eingebracht.

Was passiert, wenn Petrys „Zukunftsantrag“ abgelehnt wird?

Zurücktreten müsste Petry wohl nicht. Dennoch würde sie ihr Gesicht verlieren. Hat sie doch ihren Verzicht auf die Spitzenkandidatur mit der Hoffnung begründet, dass die Partei dann Sachfragen „unabhängig von Personalfragen“ diskutieren könne. Sollte der Antrag scheitern, könnte das laut dem Recherchezentrum Correctiv außerdem langfristig drastische Konsequenzen provozieren.

Mit Berufung auf einen Parteifunktionär aus dem engeren Umfeld von Petry berichtet Correctiv, die Anhänger des Petry-Lagers hätten ein Szenario entworfen, falls es bis nach der Bundestagswahl nicht gelungen sein sollte, die AfD auf einen realpolitischen Kurs zu zwingen und Höcke aus der Partei zu drängen. Dieses Szenario sieht vor, dass die Petry-Anhänger mit ihren Abgeordneten die AfD-Fraktionen im Bundestag und in den Landtagen verlassen und eine neue Partei gründen – eine Art bundesweite CSU. Petry wollte die Pläne nicht kommentieren.

Wie wahrscheinlich ist es, dass der Antrag abgelehnt wird?

Momentan sieht es nach einem Kompromiss aus. Petry zeigte sich in ihrer Videobotschaft bereit, einzelne Teile des Antrags umzuformulieren und ihn so konsensfähig zu machen. Auch Gauland äußerte sich versöhnlich: „Ich halte den Antrag nach wie vor für Unsinn. Aber wenn mein Name da rauskommt, kann man dem Antrag zustimmen.“

Ist Petrys Rückzug der Anfang vom Ende der AfD?

„Die AfD ist in erster Linie eine Protestpartei“, sagte Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. „Ob Frau Petry an der Spitze steht, ist daher nicht entscheidend.“ Viel wichtiger sei der Umgang mit rechtsradikalen Parolen, etwa denen von AfD-Rechtsaußen Höcke. Diese hätten, sagte Jung, die AfD in den vergangenen Monaten die Unterstützung bürgerlicher Wählerschichten gekostet. Diese Wähler wählten die AfD zwar aus Protest, würden das bei einer AfD in der „rechten Schmuddelecke“ aber nicht tun. Momentan steht die AfD in den Umfragen bei etwa zehn Prozent.

Drohen auf dem Parteitag weitere Konflikte?

In einem weiteren Antrag von Petry fordert sie, die Partei solle sich ins Grundsatzprogramm schreiben, für „rassistische, antisemitische, völkische und nationalistische Ideologien“ sei in der AfD kein Platz. Dieser Antrag zielt eindeutig auf Höcke. Pikant ist er aber auch, weil Petry selbst sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen hatte, den Begriff „völkisch“ positiv zu besetzen. „Da müsste sie sich von sich selbst distanzieren“, sagte Gauland. „Dieser Antrag wird sicher nicht undiskutiert beschlossen werden.“ Zudem fordert der Bremer Landesverband, das Ausschlussverfahren gegen Höcke zu stoppen. Kommt dieser Antrag durch, wäre auch dies eine Niederlage für Petry, die den Parteiausschluss des Thüringer Rechtsaußen stets vorangetrieben hatte.

An diesem Wochenende könnte Petry außerdem eine alte Geschichte einholen. 2014 soll der von ihr angeführte Landesvorstand veranlasst haben, ein missliebiges Parteimitglied namens Arvid Samtleben von der Landesliste für den sächsischen Landtag zu streichen. Dieser würde eigentlich jetzt im Landtag sitzen. Nachdem Samtleben schon seit Längerem dafür kämpft, doch noch ins Parlament zu kommen, hat er nun eine Wahlprüfungsbeschwerde beim sächsischen Verfassungsgericht eingereicht. Das Schriftstück liegt dem Tagesspiegel vor. Sollte Samtleben Recht bekommen, würde das bedeuten, dass sich der Landesvorstand unter Frauke Petry rechtswidrig verhalten hat. Und auch politisch könnte ein solches Urteil für die Parteichefin unangenehme Konsequenzen haben.

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