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Der Bundestag soll am Freitag über die Homo-Ehe entscheiden.

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Update

Vor Bundestagsentscheidung: Unionspolitiker prüfen rechtliche Schritte gegen Ehe für alle

Der Bundestag soll die Heirat homosexueller Paare erlauben. Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl bringt das Verfassungsgericht ins Gespräch.

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Eine Gruppe von Unionsabgeordneten um den Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, prüft rechtliche Schritte gegen das Gesetz zur Ehe für alle. "Wir prüfen, ob ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wegen Unvereinbarkeit des Gesetzes zur Ehe für alle mit Artikel sechs des Grundgesetzes eingereicht wird", sagte der CSU-Politiker dem Tagesspiegel. 

Bei der abstrakten Normenkontrolle wird die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz überprüft. Der Artikel sechs des Grundgesetzes stellt die Ehe unter besonderen staatlichen Schutz. Die Karlsruher Verfassungsrichter hatten die Ehe bislang als Verbindung von Mann und Frau definiert. Die abstrakte Normenkontrolle müsste von einem Viertel der Bundestagsabgeordneten, also 158 Parlamentariern, beantragt werden, damit sich Karlsruhe mit der Ehe für alle befasst. Für CDU und CSU sitzen insgesamt 309 Abgeordnete im Bundestag.

Der Grüne Volker Beck, der die Durchsetzung der Ehe für alle in den vergangenen Jahren maßgeblich vorangetrieben hatte, sieht einer möglichen Normenkontrollklage gelassen entgegen. "Weltweit haben Oberste Gerichte in neun Staaten die Ehe von Verfassungs wegen eingeführt oder bestätigt. So hinter dem Mond sind wir in Deutschland nicht, dass sich hier anderes ergeben wird."

Seehofer sieht in SPD-Verhalten Koalitionsbruch

Das Vorgehen der SPD beim Thema Ehe für alle sorgt unterdessen weiter für heftigen Streit in der großen Koalition. "Normalerweise ist das ein Koalitionsbruch", sagte CSU-Chef Horst Seehofer der "Augsburger Allgemeinen". Die SPD hatte gemeinsam mit Grünen und Linken gegen den Willen der Union eine Bundestagsabstimmung über das Thema für diesen Freitag angesetzt. Unionsfraktionschef Volker Kauder hatte dies scharf kritisiert, aber lediglich von "Vertrauensbruch" gesprochen. In Union wie SPD war denn auch betont worden, die Koalition nicht platzen zu lassen.

Seehofer nannte das Verhalten der SPD "unwürdig". "Alle rechtlichen Bedenken werden ausgeblendet. Man hätte das auch in aller Ruhe im Herbst machen können." CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe von taktischen Spielchen des Koalitionspartners, die belegten: "Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz wird die SPD, wenn es reicht, auf Bundesebene ein rot-rot-grünes Bündnis eingehen."

SPD-Abgeordneter zweifelt am Reformwillen der Union

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe begrüßte das von der Abstimmung über die Ehe für alle ausgehende Signal. Er sagte dem Tagesspiegel: „Natürlich zeigt die Abstimmung, welcher gesellschaftspolitische Aufbruch möglich wäre. Ähnlich wäre es ja auch in der Frage der Gleichstellung und der Integration. Fortschritte sind dort mit CDU und CSU, die der gesellschaftlichen Wirklichkeit hinterherhinken, nicht wirklich möglich." Schwabe ist Sprecher der SPD-„Denkfabrik“, in der sich Bundestagsabgeordnete für eine rot-rot-grüne Perspektive engagieren.

FDP-Chef Christian Lindner hält die Eile für unangemessen. "Das Thema wird sozusagen von der Couch anmoderiert und dann hoppla hopp im Konflikt durchs Parlament gebracht", sagte er am Mittwochabend in Düsseldorf in Anspielung auf die überraschende Neupositionierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Veranstaltung der Zeitschrift "Brigitte". Dieses Vorgehen werde dem Anliegen nicht gerecht. Da eine solche gesellschaftspolitische Modernisierung von 80 Prozent der Deutschen mitgetragen werde, wäre es besser, "dass man das ein bisschen zu einem gemeinsamen Gewinn macht".

Zustimmung des Bundestags gilt als sicher

Auf Druck von SPD, Linken und Grünen soll der Bundestag an diesem Freitag entscheiden - gegen den Willen der Unionsspitze. Im Bundestag gilt eine Mehrheit für die Ehe für alle als sicher. Die CDU/CSU-Fraktion hat die Entscheidung zur Gewissensfrage erklärt. Damit entfällt der sogenannte Fraktionszwang, der Abgeordnete an eine vorgegebene Linie binden soll. Es wird damit gerechnet, dass auch ein Viertel bis ein Drittel der CDU/CSU-Abgeordneten zustimmt.

Ein Teil der Unionsparlamentarier fühle sich vom Vorgehen der Kanzlerin überrollt, räumte Seehofer ein. Ihr plötzlicher Kurswechsel werde in der Union sehr kontrovers gesehen. Auch wenn am Freitag einzelne Parlamentarier seiner Partei dafür stimmen würden, bleibe die Ehe zwischen Mann und Frau das Leitbild der CSU.

Viele Kritiker der geplanten Bundestagsabstimmung halten die Änderung durch einfachen Gesetzesbeschluss ohnehin für verfassungswidrig. Auch nach Ansicht des CDU-Rechtspolitikers Patrick Sensburg müsste dafür das Grundgesetz geändert werden. "Es bleibt abzuwarten, ob der Bundespräsident es überhaupt unterzeichnet oder ob eine Verfassungsklage aussichtsreich ist", sagte er den Funke-Zeitungen. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, erklärte in der "Passauer Neuen Presse": "Die Väter und Mütter unserer Verfassung haben mit der Ehe eine lebenslange Verantwortungsgemeinschaft gemeint, die auf Geburt und Erziehung von Kindern ausgerichtet ist."

Mehrheit der Deutschen befürwortet den Schritt

Allerdings befürwortet die Mehrheit der Deutschen offensichtlich die volle Öffnung der Ehe. Nach einer Umfrage des INSA-Instituts für die "Bild" sind 75 Prozent dafür, 20 Prozent dagegen. Beim Kernpunkt der Gleichstellung, dem vollen Adoptionsrecht für Homosexuelle, ist die Zustimmung etwas geringer, aber immer noch groß: 66 Prozent befürworten es für gleichgeschlechtliche Paare, 22 Prozent lehnen es ab. Auch Unionsanhänger sind mehrheitlich dafür, dass homosexuelle Paare heiraten dürfen. Das ergab eine Online-Umfrage des Instituts Civey für den Tagesspiegel. Demnach sind 45 Prozent "auf jeden Fall für die Ehe für alle" und 17 Prozent "eher dafür". 14 Prozent sind auf jeden Fall gegen eine Ehe für alle.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte die Gegner der Ehe für alle auf, ihren Widerstand aufzugeben. "Jede klassische Ehe behält ihren vollen Wert. Niemandem wird etwas weggenommen", sagte er der "Saarbrücker Zeitung". (mit dpa)

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