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Der österreichische Außenminister und Kanzlerkandidat Sebastian Kurz - jugendliches Talent oder Politiker mit fehlender Erfahrung?

© Georg Hochmuth/AFP

Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?: In der Politik zählt Fertigkeit, die geübt werden muss

Was macht die Welt? Den Kalten Krieg absagen, über die Briten lachen - und Sigmar Gabriel lachen sehen

Russland hält sich nicht an das INF-Abrüstungsabkommen, die Nato will Konsequenzen ziehen. Kehrt der Kalte Krieg zurück?

Das Wörtchen „Kalter Krieg“ sollte man aus dem Vokabular streichen. Der – ca. 1946 bis 1987 – war zugleich ein ideologischer Konflikt zwischen Sowjetkommunismus und liberaler Demokratie. Putin macht reine Machtpolitik, aber mit alten Wurzeln, ging es doch dem Kreml schon vor 40 Jahren darum, mit seinen Mittelstreckenraketen, die Amerika nicht treffen konnten, eine Sonderbedrohung gegen Europa aufzubauen. Offenbar hat Moskau einen Marschflugkörper stationiert, der den INF-Vertrag bricht. Es gilt das alte Rezept: gegenhalten, um Abrüstung zu erzwingen. So wurde Europa 1987 alle Mittelstreckenraketen auf beiden Seiten los.

Die dritte Brexit-Runde ging ergebnislos zu Ende. Wird der Brexit der neue BER?

BER ist im Vergleich zum Brexit recht preiswert, will doch die EU von Britannien an die 60 Milliarden Euro als Preis für den Austritt haben. BER kostet so eine halbe Milliarde pro Jahr; mithin sind da noch 110 Jahre drin (inkl. der fünf Milliarden bis jetzt). Anderseits ist ein Jahrhundert schnell rum. Wäre London schlau, würde es 2018 ein zweites Referendum abhalten – und zwar mit der Auflistung der Kosten, auch der künftigen wie Wachstumsverluste. WmdW denkt, dass die EU ganz happy wäre, wenn sich die Briten als scharfe Rechner entpuppten. Das BER-Problem ließe sich so einfach nicht lösen.

Tolle Tolle? Wie finden Sie eigentlich Österreichs Außenminister/Kanzlerkandidat Sebastian Kurz?

Jugend ist keine Schande, ein As, das alle anderen Karten sticht, ist es freilich auch nicht. Politik ist ein Beruf wie jeder andere. Es zählt Fertigkeit, die geübt werden muss, das kluge Urteil, das auf Erfahrung beruht. Derlei fehlt auch alten Novizen wie Trump. Dass solche Lehrlinge derzeit im Hype baden, hat mit der Langweile demokratischer Politik zu tun; sie versprechen nicht, dicke Bretter zu bohren, sondern sie mit der Handkante zu zertrümmern. Hinterher merken sie, dass Politik aus Tausenden von Interessen besteht, die qualvoll austariert werden müssen.

Ein letztes Wort zu Sigmar Gabriel...

Dem geht’s gut. Er darf sich auf das Verglühen des sinkenden Schulz-Sterns am 24. September freuen. Wenn der richtig abstürzt, ist Gabriel der Mann der Stunde, der in einer Groko wieder den Außenminister gibt, ansonsten den Chefoppositionellen, der Merkel das Leben schwer macht. Die SPD geht nicht brüderlich mit ihren Verlierern um, derweil Gabriel als der bessere Wahlkämpfer glänzt. Ist das SPD-Desaster gewaltig (Achtung: Umfragen trügen), kann sich Gabriel aussuchen, wie’s weitergeht. Es sei denn, die lachende Dritte heißt Andrea Nahles.

Josef Joffe ist Herausgeber der "Zeit".
Josef Joffe ist Herausgeber der "Zeit".

© Promo

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“.

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