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Bloß nicht überdehnen. Das gilt für die Muskeln wie für die Kosten.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Versicherer überrascht von sinkenden Antragszahlen: Reha-Budget nicht ausgeschöpft

Deutsche Versicherer staunen über die gesunkene Zahl von Reha-Anträgen. Kritiker wollen die Budgetierung abschaffen.

Die Deutsche Rentenversicherung hat im vergangenen Jahr ihr Budget für Rehabilitationsmaßnahmen nicht annähernd ausgeschöpft. Von den knapp 6,6 Milliarden Euro, die ihr zur Verfügung standen, um erkrankte Arbeitnehmer wieder jobtauglich zu machen, blieben 403 Millionen Euro übrig. Nach Tagesspiegel-Informationen haben die Versicherer damit schon zum vierten Mal in Folge Geld aus ihrem Reha-Topf übrig behalten. Und mit 6,1 Prozent des Budgets war es diesmal so viel wie noch nie.

Die Verantwortlichen geben sich von dieser Entwicklung überrascht. Wegen der ins Alter kommenden Babyboomer- Generation und einer gestiegenen Quote älterer Arbeitnehmer habe man mit höheren Reha-Ausgaben gerechnet, sagt Versicherungsdirektorin Brigitte Gross. Tatsächlich ist die Zahl der Anträge seit 2014 aber nicht gestiegen, sondern kontinuierlich gesunken. Die Gründe dafür will die Rentenversicherung nun in einer Studie untersuchen lassen.

Insgesamt wurden 2016 etwas mehr als 1,1 Millionen medizinische Rehabilitationen in Anspruch genommen. Mit 32,5 Prozent der Anträge wurde ein knappes Drittel nicht bewilligt – doch diese Quote unterscheidet sich nicht groß von der aus den Vorjahren. Abgelehnt würden Anträge vor allem aus versicherungsrechtlichen Gründen, betont Gross. So müssen Antragsteller nicht nur gesetzlich rentenversichert sein, sondern in den zwei Jahren vor einer Maßnahme unter anderem auch mindestens sechs Monate lang Pflichtbeiträge bezahlt haben.

In diesem Jahr stehen 6,8 Milliarden Euro zur Verfügung

Seit 2014 wird das vormals strikt gedeckelte Reha-Budget mit Blick auf die demografische Entwicklung stufenweise erhöht. In diesem Jahr etwa stehen dafür bereits fast 6,8 Milliarden Euro zur Verfügung. Für Rentenversicherer und Gesellschaft ist diese Investition ein gutes Geschäft. Sie verhindert deutlich kostenaufwendigere Frühverrentungen. Das lässt sich belegen: 86 Prozent der Rehabilitierten fallen nicht aus, sondern sind auch zwei Jahre danach noch im Job. Das Prognos-Institut hat errechnet, dass die Gesellschaft für jeden in die Reha investierten Euro fünf Euro zurückerhält.

Umso besorgniserregender wäre eine sinkende Inanspruchnahme. Manche Ärzte würden den Reha-Bedarf ihrer Patienten nicht erkennen, heißt es beim Sozialverband VdK. Zudem sei die Beantragung aus Medizinersicht sehr aufwendig. Andererseits funktioniert die Anschlussbehandlung nach Klinikaufenthalten bei vielen Erkrankungen recht reibungslos. Und die Rentenversicherung schickt auf Wunsch neuerdings sogar Reha-Berater in die Betriebe. Eine „Reha nach Kassenlage“ gebe es bei der Rentenversicherung nicht, versicherte ein Sprecher. „Jeder Versicherte, der die Voraussetzungen für eine Reha erfüllt, erhält diese auch.“

Viele fordern, das Budget abzuschaffen und dafür auf den Bedarf zu reagieren

Vom VdK ist anderes zu hören. Während einige Reha-Träger das Budget nicht annähernd ausschöpften, müssten medizinisch notwendige Anträge bei anderen wegen Budgetüberschreitungen abgelehnt werden, berichtet Verbandsexperte Jens Kaffenberger. „Das Rehabudget gehört abgeschafft“, fordert VdK-Chefin Ulrike Mascher. „Die Bewilligung muss sich am Bedarf orientieren.“

Eine zunehmende Rolle für die Rentenversicherer spielen psychische Störungen. Bei den Rentenzugängen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind sie seit 15 Jahren Spitzenreiter. Die Quote stieg kontinuierlich von 28 Prozent im Jahr 2002 auf 43 Prozent im vergangenen Jahr. Skelett- und Muskelerkrankungen dagegen zwingen immer weniger Menschen in vorzeitigen Rentenbezug. Die entsprechende Quote halbierte sich seit 2002 von 23 auf zwölf Prozent.

Psychische Erkrankungen haben noch weiter zugenommen

Bei der Reha sind psychische Erkrankungen erstaunlicherweise nur die zweithäufigste Diagnosegruppe. Skelett- und Muskelerkrankte stellen nach wie vor mit einer gut doppelt so hohen Quote die Hauptklientel. Ansonsten landen Frauen häufiger mit Tumorerkrankungen, Männer dreimal so oft mit Herzproblemen in einer Reha-Einrichtung. Auch mit Suchterkrankungen sind Männer dort mehr als dreimal so häufig vertreten. Frauen dagegen leiden öfter an affektiven Störungen wie etwa Depressionen. Im Schnitt sind Reha-Patienten knapp über 52 Jahre alt, die Frauen ein wenig älter als die Männer.

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