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Ein bisschen Frieden. Nach dem Atomdeal mit dem Iran standen die Zeichen auf Verständigung. Doch hinter den Kulissen sieht es offenbar anders aus.

© dpa

Verfassungsschutz: Iran will mit allen Mitteln die Atombombe

Iran will trotz des Atomabkommens illegal Nukleartechnik in Deutschland kaufen, hat der Verfassungsschutz herausgefunden. Etwa 90 Prozent der Beschaffungsversuche scheitern.

Von Frank Jansen

Barack Obama gab sich euphorisch. „Wir haben historische Fortschritte erreicht“, verkündete der US-Präsident im Januar, „Iran wird keine Atombombe in die Hand bekommen.“ Das im Juli 2015 mit dem Iran geschlossene Nuklearabkommen war in Kraft getreten, der langwierige Konflikt mit dem Mullah-Regime um den Bau von Atomwaffen schien ausgestanden zu sein. Die USA und die EU hoben die meisten Sanktionen gegen den Iran auf. Doch den deutschen Nachrichtendiensten, und wohl auch Kollegen in anderen Ländern, ist nicht euphorisch zumute. Der Verfassungsschutz hat gravierende Erkenntnisse, dass der Iran weiter mit aller Macht versucht, Material zu erwerben, das für den Bau von Atomsprengköpfen und Trägerraketen verwandt werden kann. Deutschland mit seinen zahlreichen High-Tech-Firmen ist für die Führung in Teheran besonders attraktiv.

Vergangene Woche äußerte sich das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ohne jegliche diplomatische Floskel, der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz zog jetzt nach. Der Iran habe zwar im Atomvertrag „erheblichen Beschränkungen und Kontrollen seines Nuklearprogramms“ zugestimmt, schreibt das BfV in dem am 28. Juni von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) präsentierten Jahresbericht 2015. „Nichtsdestotrotz“ hätten sich die „festgestellten illegalen proliferationsrelevanten Beschaffungsaktivitäten“ auf einem weiterhin hohen quantitativen Niveau befunden. „Proliferation“ ist der Fachbegriff für die Beschaffung und Weitergabe von Technik für Massenvernichtungswaffen.

In Düsseldorf ist die Tonlage ähnlich. „Nichtsdestoweniger stellte Iran weiterhin den Bearbeitungsschwerpunkt in der Proliferationsabwehr dar“, heißt es im Jahresbericht der Nordrhein-Westfalen, den Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag vorgestellt hat. Knapp zwei Drittel der vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz „identifizierten Einkaufsversuche“ seien iranischen Programmen zuzuordnen. Das waren ungefähr 90 illegale Aktionen, an Technik heranzukommen, die für Atomwaffen und Trägerraketen nutzbar wäre. Insgesamt registrierte der Nachrichtendienst in Nordrhein-Westfalen 141 „Einkaufsversuche“, eine deutliche Steigerung gegenüber den 83 im Jahr 2014.

"Mangel an Transparenz"

Neben den Iranern fielen im vergangenen Jahr vor allem Pakistaner auf. Pakistan ist bereits Atommacht, der Iran will es offenkundig immer noch werden. Obwohl das Mullah-Regime im Juli 2015 in Wien mit den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, China) und Deutschland sowie der Europäischen Union den „Joint Comprehensive Plan of Action“ vereinbarte. Das Papier, für den Sicherheitsrat kurz darauf Grundlage für die Resolution 2331, sieht strenge Kontrollen des iranischen Nuklearprogramms vor. Im Gegenzug wurden die Sanktionen gestoppt, die als Strafe für die Atomwaffenpläne verhängt worden waren und Irans Wirtschaft hart trafen.

Israel war stets gegen das Atomabkommen. Der jüdische Staat ist für das islamistische Regime zentrales Feindbild. Mehrfach haben iranische Politiker dem Land die Vernichtung angedroht. Doch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu konnte den Nuklearvertrag nicht verhindern, da Obama und die Europäer eine große Chance für eine diplomatische Lösung des Streits mit den Iranern sahen.

Und diese bekamen Rückendeckung von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO). Sie stellte im Dezember 2015 fest, für die Zeit nach 2009 seien keine glaubhaften Hinweise auf eine militärische Dimension des iranischen Nuklearprogramms zu finden. Oder für die Abzweigung von Nuklearmaterial zum Bau einer Atombombe. So zitiert denn auch das Bundesamt für Verfassungsschutz die IAEO. Lakonisch schildert der Nachrichtendienst dann seine Erkenntnisse über die illegalen iranischen Aktivitäten zur Beschaffung von Technik für Massenvernichtungswaffen.

Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen nennt zudem Länder, über die von Deutschland aus Iraner mit Tarnfirmen und Strohmännern „proliferationsrelevante Güter“, vor allem Vakuum- und Messtechnik, in die Heimat schleusen: China, Türkei, Vereinigte Arabische Emirate. Allerdings kommt weniger an, als erhofft. 90 Prozent der in Deutschland erkannten Beschaffungsversuche scheitern hier, weil Firmen und Verfassungsschutz kooperieren.

Dennoch sind deutsche Politiker besorgt. Sollte der Iran das Atomabkommen nicht einhalten und die IAEO das bestätigen, „muss wieder über Sanktionen gesprochen werden“, sagt Armin Schuster, Obmann der Unionsfraktion im Innenausschuss des Bundestages. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe, wirft der Bundesregierung einen Mangel an Transparenz vor. Erst kürzlich habe er die Auskunft erhalten, es lägen keine Verstöße des Iran gegen die Resolution 2231 vor.

Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher SPD-Fraktion, sagte: "Der Kompromiss mit dem Iran setzt voraus, dass die Iraner uneingeschränkt kooperieren und kein nukleares Material zur Herstellung von Atomwaffen anreichern. Wir sind nicht blauäugig und werden die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen genauestens im Auge behalten. Deutschland steht ohne Wenn und Aber zu jeder Zeit an Israels Seite und wir werden somit auch keine wie auch immer geartete Bedrohung durch den Iran zulassen."

Das Auswärtige Amt lässt eine Anfrage des Tagesspiegels unbeantwortet. In der Iranischen Botschaft heißt es, der Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz sei noch nicht übersetzt. Unterdessen haben die USA, schon im Januar, wieder kleinere Sanktionen verhängt. Wegen des iranischen Raketenprogramms. Doch die Tests gehen weiter. Im März wurde eine Rakete mit der Aufschrift abgefeuert, „Israel muss ausradiert werden“.

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