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Junge Frauen feiern auf dem Berliner Kurfürstendamm den Sieg des Ja in der Türkei.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Verfassungsreferendum der Türkei in Deutschland: Für Erdogan und die SPD

In Deutschland gab es eine noch deutlichere Mehrheit für Erdogans autoritäre neue Verfassung. Sind Deutsch-Türken Anti-Liberale? Einiges spricht dagegen.

Führende Köpfe der türkischen Community haben angesichts des überdurchschnittlichen deutsch-türkischen Votums für die Verfassungsänderungen in der Türkei vor vorschnellen Schlüssen gewarnt. Integrationsstaatsministerin Aydan Özoguz (SPD) sagte mehreren Medien, nur eine Minderheit Türkeistämmiger stehe hinter Erdogans autoritärem Kurs, denn viele hätten von ihrem Wahlrecht gar nicht Gebrauch gemacht. Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde (TGD) sprach sich dafür aus, sich mehr um die zu kümmern, „die in Deutschland in Freiheit leben, aber sich für die Menschen in der Türkei die Autokratie wünschen“. Er wandte sich aber dagegen, deshalb die doppelte Staatsbürgerschaft in Frage zu stellen.
Tatsächlich nahm nicht einmal die Hälfte der wahlberechtigten türkischen Staatsbürgerinnen und -bürger in Deutschland am Referendum teil (46 Prozent). Für Erdogans Verfassungsreform stimmte weniger als ein Drittel, nämlich etwa 405 000 der etwa 1,5 Millionen Menschen mit türkischem Pass. Rund 237 000 sagten „Hayir“, Nein, zu den Plänen des Präsidenten. Nimmt man aber die abgegebenen Stimmen, liegt das Wahlergebnis in Deutschland deutlich über dem Schnitt. Von den deutsch-türkischen Wählern stimmten 63,1 Prozent mit Ja, 36,9 Prozent mit Nein, während das Gesamtergebnis für das Ja-Lager bei 51 Prozent lag. Damit liegt Deutschland unter den Türken in Europa allerdings eher hinten. In Frankreich schaffte das Ja 64,9 Prozent, in den Niederlanden 70,1 und in Österreich sogar 73,2 Prozent.
Ob aus diesen Zahlen eine autoritäre Neigung europäischer Türken gelesen werden kann, hat im vergangenen Dezember Haci-Halil Uslucan mindestens in Frage gestellt, der Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung. Er wies in einem Beitrag für die Wochenzeitung „Das Parlament“ darauf hin, dass in Deutschland die SPD mit 69,9 Prozent die weitaus beliebteste Partei türkeistämmiger Wähler ist, gefolgt von Grünen (13,4), Linken (9,6) und der Union (6,1). Die ganz anderen Partei-Präferenzen, wenn es um die Türkei gehe, ließen sich mit der Herkunft der „Gastarbeiter“-Generation aus ländlichen Gebieten erklären, die konservativ-islamisch geprägt sind. Grundsätzlich sei bei Einwanderern die „Wertetransmission“ von einer Generation auf die andere stark ausgeprägt.

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