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Der finstere Mastermind hinter US-Präsident Donald Trump? Ideologieberater Stephen Bannon.

© dpa

US-Präsident: Donald Trump ist keine Höllenmacht

Woher diese Faszination an einem Amerika auf dem Weg in die Diktatur? Bisher funktionieren die "Checks and Balances". Gilt das auch für Europa? Eine Analyse.

Barack Obama ist kein Messias. Und Donald Trump kein Gott-sei-bei-uns. Ein Teil der deutschen Journaille konnte 2009 der Versuchung nicht widerstehen, so zu tun, als könne Obama über Wasser laufen. 2016 entspricht dem der wohlige Schauer der Spekulationen, was denn wäre, wenn Trump mit dem Kopf durch die Wand könnte, ohne sich zu beschädigen - sprich: wenn er einfach Anordnungen erlassen und auch durchsetzen könnte, die gegen Recht und Gesetze der USA verstoßen.

Stephen Bannon ist kein (un)heimlicher Herrscher

Sonntags-Talkshows und Leitartikel fragen, ob man vor Trump Angst haben müsse, ob er die USA in eine Diktatur verwandele, ob die Codes für die Atomwaffen bei ihm sicher seien, ob er die Welt in einen Krieg stürze. Passend haben diese Medien einen Mephistopheles entdeckt: Stephen Bannon. Der habe angeblich mehr Einfluss als alle anderen Personen in Trumps Umgebung.

Und dies kommt alles nach einer Woche, die doch eigentlich gerade das Gegenteil vorgeführt hat: Trump kann nicht mit dem Kopf durch die Wand. Seine Regierung hat mehrere Wenden rückwärts vorgenommen, teils erzwungen durch die Gerichte und andere "Checks and Balances", teils aus eigener Initiative. Und: Stephen Bannon ist nicht die allmächtige Figur, die Trump lenkt. Er hat gewiss Einfluss. Aber erstens hört Trump eher auf Schwiegersohn Jared Kushner als auf Bannon. Zweitens hat sich in den entscheidenden Fragen das Regierungsteam um Stabschef Reince Priebus gegen Ideologieberater Bannon durchgesetzt.

Gerichte stoppen den Muslim-Bann

In der Innenpolitik musste Trump beim Einreiseverbot für Muslime zurückstecken. Zwei Mal haben ihn Bundesrichter gestoppt. Zuvor hatten ihm seine Fachminister abgeraten - und im Nachhinein Recht bekommen. Juristisch ist der Streit nicht endgültig entschieden. Aber klar ist Zweierlei: Es gibt unabhängige Richter in den USA. Und Trump hat es in diesem Fall nicht gewagt, die Urteile zu ignorieren.

Auch in der Frage, ob die geheimen CIA-Gefängnisse aus den unseligen Jahren kurz nach dem Terrorangriff von 9/11 unter George W. Bush wieder eingerichtet werden und ob Foltermethoden wie das "Waterboarding" bei Verhören von Terrorverdächtigen wieder zugelassen werden, macht Trumps Team gerade einen Rückzieher. Bei diesen Themen kommt erheblicher Widerstand aus der Regierungspartei, den Republikanern, zum Protest der Zivilgesellschaft hinzu.

Kehrtwenden gegenüber Israel und Russland

In der Außenpolitik hat Trump seine Haltung zu Russland und zu Israel korrigiert. Bei den Sanktionen gegen Moskau äußert sich seine UN-Botschafterin Nikki Haley weit schärfer als die meisten Europäer. Zur Bedingung für ihre Aufhebung hat sie Russlands Herausgabe der Krim gemacht und nicht nur einen haltbaren Befriedungsprozess in der Ost-Ukraine.

Mit Israel geht das Weiße Haus nun wesentlich härter in der Frage der Siedlungen in Palästinensergebiet um. Gewiss, bei diesen Rückziehern von Wahlkampfäußerungen geht Trump nicht gradlinig vor. Er provoziert zwischendurch mit einem irritierenden Putin-Vergleich - auch nur ein Mörder wie die vielen Mörder in den USA. Aber das ändert nichts am Gesamtbild: Trump vollzieht eine Annäherung an die Realitäten und die traditionelle Linie der US-Außenpolitik, die ja ihre sachlichen Gründe hat.

Trumps Rückzieher begannen gleich nach der Wahl

Das Hin und Her bietet Zündstoff für Irritation, Aufregung und Empörung. Trumps Rückzug hatte im Übrigen gleich nach dem Wahlsieg begonnen. In der Zeit der "Transition" zwischen dem Wahltag 8. November und der Amtseinführung am 20. Januar räumte er einige Positionen aus der Wahlkampfzeit. Für Hillary Clinton galt nicht mehr "Lock her up!", sondern: Man könne ihr nicht genug danken für ihren Dienst am Vaterland. Obama war nicht mehr der totale Versager, sondern "a decent man".

Die illegalen Zuwanderer sollen nicht mehr alle deportiert werden, höchstens die Schwerverbrecher. Obamas Gesundheitsreform ist nicht mehr die totale Katastrophe, die komplett angeschafft wird. Manche Teile sind erhaltenswert wie die Versicherung von Kindern in Ausbildung bis 26 Jahre mit den Eltern und das Verbot der Klausel "Preexisting Condition".

Die Realität ist stärker als Trumps Wille

Es gibt also genug Anlässe, um zu sagen: Amerikas Demokratie und Rechtsstaat ist stärker als Trump. Die Wirklichkeit ist stärker als Trumps Willen, sie zu ignorieren. Natürlich ist keiner dieser Kämpfe endgültig entschieden, vom Muslim-Bann über das "Waterboarding" bis zu Israels Siedlungen und den Russland-Sanktionen. Im Moment sprechen die Argumente aber dafür, dass die "Checks and Balances" stärker sind als Trump.

Und man wäre glücklich, wenn man für Europa eine ähnliche Zuversicht haben dürfte: Dass auch in Frankreich, den Niederlanden, Polen und Ungarn sich Demokratie, Rechtsstaat und Zivilgesellschaft als stärker erweisen in der Abwehr der populistischen Attacken.

Deutschland lernte: Obama kann nicht über Wasser laufen

Ach so: 2009 blieb der "Messias"-Titel eines gewissen Hamburger Nachrichtenmagazins über Barack Obama nicht das letzte Wort. Wie eine große Sensation wurde einige Monate später die Einsicht zelebriert, dass Obama doch nicht über Wasser laufen kann. Bei Trump ist die deutsche Medien-Inszenierung ähnlich übertrieben, nur eben nichts ins Euphorische, sondern ins Schauderhafte.

Womöglich ist Trump einfach nur ein Präsident mit einem schlechten Start und einem Mitarbeiterstab, der keine Erfahrung im Regieren hat. Das ist schlimm genug. Aber es ließe zumindest die Möglichkeit zu, dass er sich korrigiert - was ja zum Teil bereits passiert. Oder dass er dort, wo er rhetorisch an unzulässigen Zielen festhält, keinen Erfolg hat. Vielleicht bleibt er auch ein schlechter Präsident. Eine Höllenmacht ist er nicht.

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