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"Und erlöse uns von allen Üblen" #67: Der Mörder bekommt einen Tiefschlag

Reporterin Hofwieser trifft nichtsahnend den Freypen-Mörder. Der ist charmant und risikobereit. Ein Fortsetzungsroman, Teil 67.

Was bisher geschah: Die Polizeireporterin ist für ein Interview mit dem EUROPOL-Ermittler Zartmann nach Den Haag gereist. Dass er der Mörder von Freypen ist, ahnt sie nicht. Beide werden beobachtet.

In 100 Teilen bis zur Bundestagswahl 2017 erscheint der Politkrimi "Und erlöse uns von allen Üblen" online als Fortsetzungsroman im Tagesspiegel. Hier Folge 67 vom 21. August.

"Die Grundidee hatte ich Ihnen ja schon in meinem Brief mitgeteilt", sagt Andrea Hofwieser. "Ich will zwar einen möglichst spannenden Thriller schreiben, schon gut, das wollen viele. Aber bei mir mit dem kleinen entscheidenden Effekt, dass ich die Geschichte mit tatsächlichen Fällen mische. Eben zum Beispiel etwas erzähle aufgrund von Erfahrungen echter Polizisten. Das bringt authentisches Flair in ein Buch, verstehen Sie, Authentizität. Meine Interviewpartner, Sie also auch, werden natürlich nur verschlüsselt und nicht mit echten Namen auftauchen."

Lionel Zartmann blickt sie ein wenig spöttisch an, während er die Doraden in einer heißen Pfanne brät: "Klingt zwar aufregend, aber was kann ich dabei für Sie tun?" Eine ganze Menge, mein Lieber, denkt sie und schlüpft, wie er zuvor in seine, zurück in ihre Rolle, in die der ausgebufften Reporterin, was ihr sofort wieder Sicherheit gibt: "Eine ganze Menge. Erzählen Sie mir doch einfach mal Ihre Version zum Beispiel von der Barschel-Affäre. Sie kennen doch sicher die Akten?"

"Ich kenne den Stand der damaligen Ermittlungen ... " Bricht unvermittelt ab, als habe er damit schon mehr gesagt, als er durfte, aber das hat andere Gründe. Er macht eine Bewegung mit dem Kopf in Richtung des Esstisches, auf dem er aufgedeckt hat. Hält die beiden Teller mit den Fischen in den Händen: "Zu Tisch, bitte. Nehmen Sie unsere Weingläser mit und die Flasche?"

Nach den ersten Bissen schaut er sie fragend an, aber sie merkt, dass Lionel Zartmann gar nicht so unbedingt ein Lob seiner Kochkünste hören will. Offensichtlich weiß er, wie gut er ist. Dass er vielmehr die Gelegenheit benutzt, sie ungeniert zu mustern. Sie hebt dennoch ihr Glas, als habe sie das nicht bemerkt: "Sehr gut, wirklich sehr gut. Wo haben Sie das gelernt oder müssen deutsche Polizisten auch kochen können?"

"Andere surfen im Urlaub oder wandern oder, Gott sollte mich schützen, töpfern sogar. Als ich von nach Wiesbaden geschickt wurde, bot sich was anderes an. Kochen zu lernen. Macht mehr Spaß als zu wandern . Und meine Freunde haben mehr davon." Er räumt die beiden Teller ab und macht sich an seinem Herd an den nächsten Gang. Selbstverständlich hatte Lionel Zartmann sein Jackett wieder angezogen, bevor er sich hinsetzte.

Andrea Hofwieser benutzt sofort die Vorlage, wieder auf das eigentliche Thema zu kommen: "Ihre Freunde ... sind das ...", und sie kramt nach dem Zettel in ihrer Tasche, "sind das zum Beispiel Alain Retin und Ruud van Rey und Peter McFerrer?" In der Küche fällt ein Topf krachend auf den Boden und zerbricht. Zartmann bückt sich und kehrt die Scherben zusammen. Als er sich wieder erhebt , hat er sich bereits wieder gefangen. Nichts mehr in seinem Gesicht zu lesen von dem Tiefschlag, der ihn gerade kalt erwischt hat. "Ist mir ausgerutscht, aber nichts passiert. Der Topf war noch leer. Was hatten Sie gefragt? Ach so, meine Freunde. Wie kommen Sie denn auf die Namen?"

Denkt dabei fieberhaft nach, was er machen soll, falls sie durch welchen Zufall auch immer das Geheimnis von Kleopatra entdeckt haben sollte. Falls das der eigentliche Anlass ihrer Reise nach Den Haag war. Verflucht. Es muss eine andere simple Erklärung für ihre Frage geben, es muss. Wie hätte sie denn darauf kommen sollen? Undenkbar, einfach undenkbar. Nie haben sie eine Spur hinterlassen, da ist er sicher.

"Ganz einfach, ich habe diesen Aufsatz gelesen, den Sie da gemeinsam mit denen mal vor vielen Jahren verfasst haben. Über Selbstjustiz. Über Gerechtigkeit. Über Moral. Was auch immer. Sehr interessant. Da sind die mit Ihnen zusammen als Autoren genannt. Also ..."

"Also dachten Sie, wenn die schon gemeinsam schreiben, werden sie auch gemeinsam essen und trinken? Sehr gut, Frau Kollegin, sehr gut. Wir könnten Sie bei uns brauchen. Eine schöne Frau mit Verstand, das fehlt uns gerade noch."

Zunächst ist sie von ihm enttäuscht, weil sie aus seiner Antwort das alte Machoklischee heraushört, dass es nur Zufall sein kann, schlimmer noch, Verschwendung sein muss, wenn eine Frau schön ist und auch noch Verstand hat. Hält ihn plötzlich für einen unsensiblen Aufschneider, eben doch nur für einen Mann wie all die anderen, weil er vor sich hin pfeift, als ob es einen Grund zur besonderen Fröhlichkeit gebe. Was aber stimmt. Zartmann ist deshalb so froh, weil sie offensichtlich keine Ahnung hat von Kleopatra und ihn damit nicht in Konflikte stürzt. Was hätte er sonst mit ihr machen sollen, wenn sie es wirklich herausbekommen hätte? Umbringen etwa?

Und morgen lesen Sie: Leibwächter Mulder träumt von einer Million.

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