zum Hauptinhalt
Menschen demonstrieren am Vortag des katalonischen Unabhängigkeitstages in Barcelona.

© Emilio Morenatti/dpa

Unabhängiges Katalonien: Der Kampf der Separatisten gegen Madrid spitzt sich zu

Madrid will ein Unabhängigkeitsreferendum Kataloniens mit allen Mitteln verhindern. Und droht sogar mit der Armee. Aber die Rebellen zeigen sich unbeeindruckt.

Spanien steht vor einem heißen politischen Herbst. Die Medien des Landes werden mittlerweile nur noch von einem einzigen Thema beherrscht – dem für den 1. Oktober geplanten Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens, der wirtschaftsstärksten Region des Landes. Die Separatisten haben für diesen Montag in Barcelona eine Großdemonstration angekündigt. Der 11. September ist der Nationalfeiertag Kataloniens, jedes Jahr versammeln sich an diesem Tag Anhänger der Unabhängigkeit.

Dabei weht den Rebellen der Wind ins Gesicht. Eine Mehrheit der Bevölkerung in Katalonien betrachtet das geplante Unabhängigkeitsreferendum in der Region als illegal. Dies ergab eine von der spanischen Zeitung „El País“ in Auftrag gegebene Studie des Instituts Metroscopia. Demnach denken 56 Prozent der Katalanen, dass die Abstimmung in der Form, in der sie bislang geplant wird, weder legal noch rechtsgültig ist. Der gleiche Prozentsatz der Befragten gab an, dass die separatistische Regionalregierung von Carles Puigdemont ihre Strategie ändern und Verhandlungen mit der Zentralregierung in Madrid aufnehmen sollte.

Puigdemonts Regionalregierung hatte am Mittwoch ein umstrittenes Gesetz für die Durchführung des Abspaltungsreferendums verabschiedet. Das Verfassungsgericht hob die neue Regelung nur wenige Stunden später wieder auf.

Die separatistische Regionalregierung will das Referendum trotzdem organisieren. Das könnte allerdings schwierig werden. Mehrere Bürgermeister der Region haben sich dem Druck der Zentralregierung in Madrid gebeugt und erklärt, sie würden voraussichtlich keine öffentlichen Räumlichkeiten für die Abstimmung zur Verfügung stellen.

Großstädte verweigern den Aufstand

Neben Barcelona wollten sechs weitere größere Städte dem Verbot des Verfassungsgerichts nachkommen, berichtete die Zeitung „El Pais“. In den Verweigerer-Städten leben rund ein Drittel der 7,5 Millionen Katalanen. Die Bürgermeister hätten Angst um ihre Posten, hieß es. Aus Madrid wurden ihnen im Falle eines Zuwiderhandelns Strafverfahren angedroht.

Neu ist, dass sich die Regionalregierung auch von der Justiz nicht mehr beirren zu lassen scheint. Puigdemont erklärte, das Referendum werde in jedem Fall abgehalten. „Kein Regierungskabinett und kein in Verruf stehendes Gericht wird die Demokratie in Katalonien aussetzen“, sagte er in Barcelona. Puigdemont forderte die Bürgermeister Kataloniens auf, ihm binnen 48 Stunden geeignete Wahllokale zu nennen. Die Separatisten sollen heimlich 6000 Wahlurnen gehortet haben.

Wegen seines Beharrens hat die spanische Staatsanwaltschaft bereits Klage gegen Puigdemont und seine Regierung wegen zivilen Ungehorsams und Amtspflichtverletzung eingereicht.

In dem vom Verfassungsgericht kassierten Unabhängigkeitsgesetz war auch festgeschrieben, dass mit der Ausrufung einer Republik in Katalonien nicht mehr König Felipe als oberster Repräsentant firmiert, sondern Carles Puigdemont katalanischer Staatschef wird.

Doch das ist nur der Anfang der geplanten katalanischen Rebellion: Die spanische Verfassung und Gesetzgebung sollen eliminiert und durch ein katalanisches Regelwerk ersetzt werden. Die Steuerhoheit würde komplett übernommen. Und Spaniens Armee und andere spanische Sicherheitskräfte müssten Katalonien verlassen, wo fortan nur die katalanische Polizei, die Mossos d’Esquadra, für Ordnung sorgen soll. So sieht die Vision der Unabhängigkeitsbewegung aus, die den Eindruck erweckt, dass sie sich von niemandem aufhalten lassen wird. Doch so einfach dürfte es nicht werden. Spaniens konservative Regierung ist fest entschlossen. Regierungschef Mariano Rajoy verspricht: „Es wird in Katalonien kein Referendum über die Unabhängigkeit stattfinden.“ Über die Einzelheiten seiner Strategie, mit der er die Einheit der Nation verteidigen will, schweigt Rajoy.

Rasseln mit dem Säbel

Spaniens Armee rasselt derweil mit dem Säbel. So hatte Verteidigungsministerin Maria Dolores de Cospedal zuletzt forsch erklärt, die Streitkräfte und die Guardia Civil stünden bereit, um die demokratischen Werte Spaniens und die Einheit des Landes notfalls „auf dem Boden, zur See und in der Luft“ zu schützen. Dass im Oktober Panzer durch Barcelona rollen werden, will derzeit aber niemand so recht glauben.

Als wahrscheinlicher gilt zunächst, dass Rajoy, der sich in seiner Verteidigung des spanischen Territoriums auf die sozialistische Opposition stützen kann, zunächst die paramilitärische Polizeieinheit Guardia Civil einsetzen wird. Etwa um einzuschreiten, wenn trotz eines Referendumsverbotes Wahlurnen aufgestellt werden.

Doch auch dieses Szenario hat Chefseparatist Puigdemont eingeplant. Spanische Polizisten, die in Katalonien eine in seinen Augen „demokratische Abstimmung“ unterbinden: Das dürfte bei vielen Katalanen bittere Erinnerungen wecken an die Zeit der Franco-Diktatur (1939 bis 1975), als die Guardia Civil die Region mit Gewalt drangsalierte. Genau darauf setzt Puigdemont.

Eine Taktik, die bereits in der Vergangenheit aufging: Die Befürworter einer Abspaltung, die früher eher eine Minderheit waren, erstarkten in den letzten Jahren, auch wenn sich bisher keine klare Mehrheit für eine Unabhängigkeit abzeichnet. In der jüngsten Umfrage der katalanischen Zeitung „La Vanguardia“ waren 42,5 Prozent der Katalanen für die Abspaltung. 37,6 Prozent waren dagegen. Die übrigen Befragten gaben an, nicht am Referendum teilnehmen zu wollen oder waren unentschieden. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false