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Der unabhängige Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron.

© Lionel Bonaventure/AFP POOL/AP/dpa

TV-Debatte in Frankreich: Favorit Macron wirkt nicht mehr ganz so souverän

Erstmals traten in Frankreich bei einer TV-Debatte vor einer Präsidentschaftswahl auch die Außenseiter mit auf. Der Konservative Francois Fillon stellte sich als Opfer einer Medienkampagne dar.

Als großes Spektakel hatten die französischen Sender BFM-TV und CNews „Le Grand Debat“ („die große Debatte“) am Dienstagabend angekündigt. Erstmals in der französischen Geschichte traten im Fernsehen sämtliche Kandidaten einer Präsidentschaftswahl gemeinsam auf und hatten die Möglichkeit, fast vier Stunden Stunden lang vor einem Millionenpublikum über die Arbeitslosigkeit, Europa, die Terrorbedrohung, das Bild der politischen Klasse Frankreichs in der Öffentlichkeit und den Sozialstaat zu diskutieren.

Nicht weniger als elf Kandidaten standen nebeneinander im Fernsehstudio. Diesen Umstand bezeichneten die Fernsehmacher von BFM-TV im Verlauf des Abends immer wieder als „historisch“.

Gemessen daran war der Erkenntniswert allerdings gering. Am Ende, als die Kandidaten ihre Redezeit von jeweils 18 Minuten erreicht hatten, war das Publikum Zeuge des einen oder anderen unterhaltsamen Schlagabtauschs geworden. Ob durch die Debatte der große Anteil der Unentschiedenen geringer geworden ist, bleibt aber abzuwarten. Laut Umfragen wissen 38 Prozent der Befragten immer noch nicht, wem sie beim ersten Wahlgang am 23. April ihre Stimme geben sollen.

Bei einer ersten Debatte vor zwei Wochen, die ebenfalls ein Novum in der französischen TV-Geschichte darstellte, waren noch die fünf Kandidaten mit einem Umfragewert von über zehn Prozent beim Sender TF1 aufgetreten: Die Vorsitzende des rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, der Mitte-Kandidat Emmanuel Macron, der Konservative François Fillon, der Radikallinke Jean-Luc Mélenchon und der Sozialist Benoît Hamon.

Souveränisten, Trotzkisten und Ultrakonservative

Bei der Debatte am Dienstagabend kamen noch sechs weitere Kandidaten hinzu, die ebenfalls die Voraussetzungen zur Teilnahme an der Präsidentschaftswahl erfüllt haben, weil sie jeweils die nötigen Unterschriften von 500 Bürgermeistern zusammengebracht haben: Der Ultrakonservative Nicolas Dupont-Aignan, die Trotzkistin Nathalie Arthaud, der Zentrist Jean Lassalle, der „Frexit“-Befürworter François Asselineau und der Souveränist Jacques Cheminade. Und dann war da noch der Trotzkist Philippe Poutou, der sich zu Beginn des Abends dem Publikum mit den Worten vorstellte, er sei der einzige unter den Präsidentschaftsbewerbern, der einer normalen Arbeit nachgehe. Poutou arbeitet in einem Ford-Werk in Bordeaux.

Keiner der sechs „kleinen“ Kandidaten, die in der Debatte zeitweise den Eindruck vermittelten, die französische Politik bestehe aus einer Ansammlung extremer Außenseiter-Positionen, kommt in den Umfragen auf mehr als fünf Prozent.

Die beiden Journalistinnen Ruth Elkrief und Laurence Ferrari, die die Debatte moderierten, hatten vor allem die Aufgabe, die Kandidaten an die Einhaltung ihres Zeitlimits zu erinnern. Ein kritisches Nachhaken zu einzelnen Programmpunkten der Bewerber war im Format der „Großen Debatte“ nicht vorgesehen. Als sich Fillon dann doch einmal eine Nachfrage zum Ermittlungsverfahren in der „Penelopegate“-Affäre gefallen lassen musste, stellte sich der konservative Bewerber als Opfer einer Medienkampagne dar. Er weigere sich, Fragen zu diesem Thema zu beantworten, bügelte er die Frage ab, „vor allem aus den Reihen von Journalisten, die mir zweieinhalb Monate lang den Prozess gemacht haben“.

Der Trotzkist Poutou spießt die Affären von Fillon und Le Pen auf

Dafür war es dann der Ford-Arbeiter Poutou, der Fillon an den Pranger stellte - und die FN-Chefin Le Pen gleich mit. „Le Pen klaut aus den Kassen Europas“, sagte Poutou mit Blick angesichts der Scheinbeschäftigungsaffäre der 48-Jährigen. Le Pen wird vorgeworfen, Mitarbeiter des Front National aus der Kasse des Europaparlaments, wo sie als Abgeordnete vertreten ist, bezahlt zu haben.

Vor der Marathon-Debatte war erwartet worden, dass der Mitte-Kandidat Macron als vermeintlicher Vertreter einer „ungezügelten Globalisierung“ sowohl von der Rechtspopulistin Le Pen als auch vom Radikallinken Mélenchon scharfe Kritik würde einstecken müssen. Doch Macron, der derzeit gemeinsam mit Le Pen in den Umfragen vorne liegt und als Favorit für den zweiten Wahlgang am 7. Mai gilt, kam einigermaßen glimpflich davon. Allerdings gab es einmal Lacher im Publikum, als der EU-Gegner Asselineau einen Scherz auf seine Kosten machte: „Sie sind immer mit allen einverstanden“, kritisierte Asselineau Macrons Neigung, stets den Konsens mit seinen politischen Gegnern zu suchen.

Macron muss sich für Zeit als Wirtschaftsminister rechtfertigen

Kritisch wurde es für Macron ebenfalls, als der Ultrakonservative Dupont-Aignon von ihm wissen wollte, was er davon halte, dass die Rothschild-Bank in seiner Zeit als Wirtschaftsminister die Übernahme französischen Firmen durch ausländische Unternehmen organisiert habe. „Worauf wollen Sie hinaus?“, gab Macron zurück. „Banken werden im Wirtschaftsleben immer eine Rolle spielen. Aber ich habe mich nicht in die Geschäfte dieser Banken eingemischt und ich garantiere eine völlige Unabhängigkeit“, sagte der Chef der Bewegung „En Marche!“, der vor seiner Zeit als Wirtschaftsminister Investmentbanker bei Rothschild gewesen war.

Insgesamt schlug sich Macron wacker, machte aber nicht mehr einen so souveränen Eindruck wie noch bei der ersten Debatte vor zwei Wochen. Eine Blitzumfrage unter Zuschauern ergab direkt nach der Sendung, dass der Radikallinke Mélenchon die meisten Zuschauer überzeugt hatte. Während sich 25 Prozent von Mélenchon angetan zeigten, kam Macron auf einen Wert von 21 Prozent. Abgeschlagen auf dem dritten Platz landete Fillon mit 15 Prozent.

Für den 20. April - drei Tage vor der ersten Runde der Wahl - plant nun auch der Sender France 2 eine weitere Debatte. Ob sie zustande kommt, ist unklar - vor allem Mélenchon und Macron zögern, an einem weiteren Schlagabtausch vor der ersten Runde teilzunehmen.

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