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Sieht seit neuestem in Europa Faschisten am Werk: Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

© Kayhan Ozer / dpa

Türkischer Wahlkampf in Deutschland: Bundesregierung setzt Erdogan nun Grenzen

Die Bundesregierung gerät wegen ihrer Haltung im Streit mit der Türkei hierzulande unter Druck. Nun verschärft sie ihre Gangart.

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Die Bundesregierung knüpft Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland an strenge Bedingungen. "Wir werden sicherstellen, dass diese Regeln auch eingehalten werden", kündigte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, am Mittwoch an. Notfalls könnten bereits erteilte Genehmigungen widerrufen werden. Die Bundesregierung erwarte von der türkischen Regierung die Achtung deutscher Gesetze sowie rechtzeitige und präzise Angaben zu geplanten Auftritten, sagte Schäfer.

Ausdrücklich verwies der Außenamts-Sprecher auf den Strafrechts-Paragrafen zur Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole. Er droht denen bis zu drei Jahren Haft an, die die Bundesrepublik Deutschland böswillig verächtlich machen. Im Streit um Wahlkampfauftritte hatten der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und mehrere seiner Minister Deutschland und den Niederlanden mehrfach Nazi-Methoden vorgeworfen.

Die Türken entscheiden am 16. April in einem Verfassungsreferendum über die Einführung eines Präsidialsystems. Dieses würde Erdogan fast uneingeschränkte Machtfülle verleihen und das Parlament erheblich schwächen. In Deutschland leben 1,4 Millionen türkische Wahlberechtigte. Die Bundesregierung übersandte der türkischen Botschaft am Dienstag die Erlaubnis, ihre Staatsbürger in Deutschland abstimmen zu lassen.

Die Bundesregierung war mit ihrer toleranten Linie gegenüber den Auftrittswünschen des autokratischen Erdogan-Regimes im eigenen Land zunehmend unter Druck geraten. Laut Umfragen spricht sich eine starke Mehrheit gegen türkischen Wahlkampf hierzulande aus. Die Bundesregierung verurteilt das Werben für ein autokratisches Regime, lehnt ein generelles Auftrittsverbot jedoch ab. Zunächst hatte sie betont, dass Deutschland selbst Meinungsfreiheit gewähren müsse, wenn es diese in anderen Ländern einfordere. Mit den Absagedrohungen verschärft die Bundesregierung nun ihren Ton, ohne ihre Grundsatzentscheidung offen zu revidieren. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hatte schon am Montag mit einem Einreiseverbot für türkische Politiker gedroht.

Erdogan: In Europa wütet der Geist des Faschismus

Die Opposition im Land Berlin forderte ein Wahlkampfverbot in der Hauptstadt für Mitglieder der türkischen Regierung. "Ein ähnliches Vorgehen wie jüngst in den Niederlanden kann auch der Senat von Berlin vornehmen", heißt es in dem ersten gemeinsamen Antrag von CDU, FDP und AfD für das Abgeordnetenhaus. Der Senat müsse alle gesetzlichen Möglichkeiten nutzen. Am Dienstag hatte bereits die große Koalition im Saarland erklärt, derartige Auftritte unterbinden zu wollen. Außenamtssprecher Schäfer sagte dazu, im Saarland sei "keine einzige Veranstaltung" türkischer Politiker geplant gewesen.

Wie die Türkei auf solche Verbote reagiert, haben die Niederlande erfahren. Ihre Regierung verhinderte Wahlkampfreden türkischer Minister durch Polizeieinsatz und den Entzug einer Landeerlaubnis. Daraufhin griff Erdogan das Land scharf an und drohte mit Konsequenzen. Niederländer hätten 1995 im bosnischen Srebrenica "mehr als 8000 bosnische Muslime massakriert", sagte er am Mittwoch. In Europa wüte "der Geist des Faschismus". Unterdessen nutzten Hacker den Kurznachrichtendienst Twitter für Nazi- Schmähungen gegen Deutschland und die Niederlande.

Ein Ende des Konflikts mit der Türkei ist derzeit nicht absehbar. Am Mittwoch stellte Ankara das Flüchtlingsabkommen mit der EU erneut infrage. Angesichts des mangelnden Fortschritts bei der Erteilung der EU-Visafreiheit für türkische Bürger gebe es keinen Grund, an der Vereinbarung festzuhalten, sagte Europaminister Omer Celik. Auch das Schicksal des inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel ist weiter ungewiss. Ein Gericht in Istanbul lehnte eine Freilassung am Mittwoch ab. Yücel war Ende Februar unter dem Vorwurf der Terrorpropaganda festgenommen worden.

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