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Donald Trump spricht nach seiner Rede zum Irandeal mit Reportern.

© Reuters/Kevin Lamarque

Trumps Iranpolitik: Retten, was zu retten ist

Das Beste, was Europa in der Iran-Krise tun kann, ist, sich nicht zu empören - so berechtigt das wäre. Gerade Deutschland sollte cool bleiben und besänftigen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Deutschland kann Donald Trumps Iranpolitik ablehnen. Ignorieren kann es sie nicht. Die Frage, ob der Atomdeal mit den Mullahs Bestand hat, tangiert Europas Sicherheit. Die Welt ist mit diesem Abkommen, so unzureichend es ist, sicherer als ohne es. Erstens unterwirft es die nuklearen Ambitionen des Iran internationaler Kontrolle. Zweitens ist es ein Vorbild, wie sich eventuell auch der Atomkonflikt mit Nordkorea diplomatisch lösen lässt.

Trump stellt das Abkommen offen in Frage. Er kündigt es aber nicht. Er tut so, als erfülle er ein Wahlversprechen: den „schlechtesten Deal aller Zeiten“ neu zu verhandeln. Um seine Wählerbasis an sich zu binden, riskiert er eine internationale Krise. Für diesen US-Präsidenten ist innenpolitisches Machtkalkül wichtiger als internationale Verantwortung.

Das ist empörend. Aber Empörung ist noch keine Politik. Die Kanzlerin muss kühl abwägen, wie sie deutschen – und europäischen – Interessen besser dient: indem sie sich Trump offen entgegenstellt oder indem sie besänftigend auf die Dynamik einwirkt, um zu retten, was zu retten ist.

Europa handelt diesmal geeint

Das ist zum Glück nicht aussichtslos. Europa handelt diesmal geeint und reagiert nicht gespalten wie im Konflikt um den Irakkrieg 2003. Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die den Deal gemeinsam mit Barack Obamas USA, Russland und China ausgehandelt haben, verteidigen das Abkommen unisono. Gespalten sind diesmal die USA. Und das schließt die Trump-Regierung sowie die Republikanische Partei, auf die sie sich stützt, mit ein. Trumps Minister und die Mehrheit im Kongress wollen dieses Abkommen nicht kündigen. Aber mit Rücksicht auf den Präsidenten müssen sie den Anschein verteidigen, dass man es nachverhandeln und verbessern könne.

Das ist eine Illusion. Warum sollte sich der Iran darauf einlassen? Und welches Druckmittel hat Trump, um ein besseres Ergebnis zu erzwingen? Zumal die internationale Atomenergiebehörde IAEO dem Iran bescheinigt, dass er das Abkommen einhält.

Drang nach Atomwaffen sei nur Teil des Problems, so Trump

Doch da liegt der Kern des Konflikts zwischen Trumps USA und Europa. Das konservative Amerika befand es von Anfang an als Fehler, dass nur über das Atomprogramm verhandelt wurde. Irans Drang nach Atomwaffen sei nur ein Teil des Problems. Die Mullahs dürften sich auch nicht als Schutzmacht aller Schiiten aufführen, die Revolutionsgarden nicht in den Bürgerkriegen im Irak und Syrien einsetzen und Terrorgruppen wie die Hisbollah und die Hamas nicht unterstützen. Das verlangt – und verspricht – Trump auch jetzt.
Europa verfolgt ein bescheideneres, aber erreichbares Ziel: Begrenzung und Kontrolle des Atomprogramms gegen Abbau der Sanktionen. Wenn das Erfolg habe, werde man über weiteres verhandeln können.

Nun steht Trump wieder einmal vor der Herausforderung, sich von einem illusionären Versprechen zu befreien. Sein Regierungsteam weist denselben Weg wie bei den realitätsfernen Verheißungen in der Innenpolitik, zum Beispiel, dass es einen besseren und billigeren Ersatz für Obamas Gesundheitsreform geben werde: Soll sich doch die republikanische Kongressmehrheit darum kümmern! Um Obama unter Druck zu setzen, hatten die Republikaner verlangt, dass der Präsident alle drei Monate „zertifizieren“ müsse, dass Iran das Atomabkommen einhalte. Nur dann würden sie sich auch an die US-Zusagen halten, den Abbau der Sanktionen. Doch nun heißt der Präsident Trump. Und der weigert sich, die „Zertifizierung“ zu erteilen. Dann muss der Kongress entscheiden, ob er zu den Sanktionen zurückkehrt.

Trump führt die Welt an den Abgrund

Tatsächlich geht es also um das „Blame Game“: Wer ist schuld daran, dass Trump seine Wahlversprechen nicht erfüllen kann – er oder die nichtsnutzige Kongressmehrheit? Die Republikaner können sich auf keine Gesundheitsreform einigen. Sie werden, wenn alles gut geht, auch keine neuen Iran-Sanktionen beschließen, die den Iran dazu bringen könnten, den Atomdeal seinerseits aufzukündigen.

Trump führt die Welt an den Abgrund. Das Beste, was Europa jetzt tun kann, ist, sich nicht zu empören, so berechtigt das wäre. Sondern „cool“ zu bleiben: Trump einen Ausweg ohne Gesichtsverlust lassen; den Iran davon abhalten, hart zu reagieren; und auf den US-Kongress einwirken, keine Sanktionen zu beschließen. Dann geht diese Krise ohne Schaden vorbei. Hoffentlich.

Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.

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