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Rad am Boden, Fahrer verletzt oder tot, Lkw unbeschadet. Bilder, die sich wiederholen.

© dpa

Tödlicher Unfall in Berlin: Der Staat muss Radfahrer endlich vor Lastwagen schützen

London sperrt ab 2020 Lkw mit ungenügender Sicherheitsausstattung aus der Stadt aus. Auch im Autoland Deutschland muss dringend etwas geschehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jörn Hasselmann

Ein abbiegender Lastwagen überrollt eine junge Radfahrerin. Die Frau ist sofort tot. Und nun? Schicksalsergeben nehmen wir solche Nachrichten hin. Da ist der tote Winkel dran schuld, weiter geht’s. Weiter geht’s? Nein.

14 Radfahrer sind in diesem Jahr allein in Berlin schon gestorben, sechs von ihnen – vier Männer und zwei Frauen – unter den Rädern von Lastwagen, und in jedem Fall war grobes Fehlverhalten des Fahrers die Unfallursache.

Wer nichts sieht, darf nicht fahren, da ist die Straßenverkehrsordnung eindeutig. Doch die Strafen bei Nichtbeachtung sind lächerlich. Wieso werden keine ernsthaften Konsequenzen gezogen?

Ein Lkw-Fahrer, der vor zwei Jahren eine mindestens seit vier Sekunden rot zeigende Ampel überfuhr und dabei einen Radler tötete, zahlte 5250 Euro Strafe. Den Führerschein durfte er behalten, „Sie sind Berufskraftfahrer und darauf angewiesen“, begründete die Richterin das im Prozess.

Ein Skandalurteil, das aber bestens zu Autodeutschland passt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will noch größere Lastwagen durchsetzen, die Spediteure wollten das so. Zur „Sicherheit“ wird vielleicht noch ein weiterer Außenspiegel Pflicht. Aber auch fünf Spiegel nützen nichts, wenn der Fahrer nicht hineinblickt.

London hat Konsequenzen gezogen aus der Tatsache, dass Lkw vier Prozent des Verkehrs ausmachen, aber an 58 Prozent der Radunfälle beteiligt sind. Die britische Hauptstadt hat ihre Sicherheitsanforderungen an Lkw formuliert: Außenspiegel alleine reichen ihr nicht, die Führerhäuschen müssen tief gezogene Scheiben haben, denn nur die bringen direkte Sicht. Lkw, die diese Standards nicht einhalten, dürfen ab 2020 nicht mehr in der Stadt fahren.

Radler ziehen im Konflikt mit Lkw immer den Kürzeren

In Deutschland ist die Verkehrspolitik seit Jahrzehnten auf die Starken ausgerichtet. Milliarden werden in Autobahnen investiert, für Radfahrer wird etwas rote Farbe auf den Asphalt gepinselt. So wie an der Stelle in der Beusselstraße, wo die junge Frau starb, auch. Zugleich ist dort aber die Zufahrt für den Berliner Großmarkt perfekt für Lastwagen ausgebaut – wie eine Autobahnabfahrt, Bremsen nicht nötig. Dass die Radfahrerin Vorfahrt hatte? Ach, so etwas!

Ich bin dafür, für Pkw, Busse, Transportfahrzeuge und Radler auf den Straßen je einen eigenen Fahrstreifen auszuweisen. Ja, das würde vor allem für Autofahrer Nachteile bringen, aber die Zeiten, in denen sich jedes Stadtleben dem Auto unterzuordnen hatte, sind vorbei.

schreibt NutzerIn BerlinerW

Der Lastwagen kam aus einem Land, in dem Radler lieber stoppen, wenn ein Laster kommt. In Deutschland beharren aber mittlerweile viele Radfahrer auf ihrer Vorfahrt. Selbstbewusstsein ist gut, blindes Vertrauen nicht. Als Radfahrer muss man die Bequemlichkeit und bisweilen auch Aggressionen von Lastwagenfahrern einkalkulieren. Bei fahrenden Lkw zieht der Radler im Konflikt immer den Kürzeren. Und Versuche, mit den Fahrern zu kommunizieren, enden meist in Beschimpfungen.

Warum diesem Kampf nicht Regeln geben? Wieso ist nicht ein Beifahrer Pflicht? Wieso für Lkw in der Stadt nicht generell Tempo 30?

Eine Fachzeitschrift hatte den Lkw-Typ, der in Moabit die Frau überrollte, übrigens kürzlich so gewürdigt: „Neue Sitze, ein neues Lenkrad, ein neues Armaturenbrett mit neuem Display sowie neue Schalter und Becherhalter sind weitere Produktverbesserungen“. Kein Wort zu einem Sicherheitssystem, das Schwächere schützen könnte.

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