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Generalbundesanwalt Peter Frank.

© imago/Jürgen Heinrich

Terrorismus in Deutschland: Zahl der Terrorverfahren steigt rasant

Generalbundesanwalt Peter Frank ist sich sicher, dass noch in diesem Jahr 800 bis 900 Ermittlungsverfahren gegen Terroristen eröffnet werden.

Von Frank Jansen

Die Bundesanwaltschaft wird bei Terrorverfahren mit einem gewaltigen Anstieg konfrontiert. „Für 2017 rechne ich mit 800 bis 900 neuen Ermittlungsverfahren“, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank jetzt im Interview des Tagesspiegels. Derzeit seien es schon mehr als 600. Im vergangenen Jahr zählte die Behörde knapp 240 neue Verfahren, davon waren laut Frank mehr als 80 Prozent „aus dem Phänomenbereich des islamistischen Terrorismus“.

Nach einem Hilferuf, den der Generalbundesanwalt bereits Anfang 2017 an die Länder gerichtet hatte, bekam die Behörde in Karlsruhe mehr als ein Dutzend neue Staatsanwälte. Damit habe sich ein Engpass aufgelöst, sagte Frank. Dennoch werde die Unterstützung nicht reichen, zumal die Bundesanwaltschaft die juristischen Maßnahmen gegen islamistische, rechtsextreme und linksextreme Gefährder koordinieren will. „Das ist personalintensiv“, betonte der Generalbundesanwalt. Er sei dazu mit dem Bundesjustizministerium im Gespräch.

Den mutmaßlich islamistischen Messerstecher von Hamburg, Ahmad A., hält Frank für einen Terroristen. Ahmad A. hatte am 28. Juli im Stadtteil Barmbek einen Mann getötet und vier weitere Personen verletzt. Drei Tage später zog die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich. Angesichts dessen, was aus den Vernehmungen des Landeskriminalamts Hamburg bekannt sei, „hat sich der Attentäter selbst radikalisiert und aus einem radikal-islamistischen Motiv heraus gehandelt“, sagte Frank. Bei der Entscheidung, die Ermittlungen zu übernehmen, „spielte natürlich die Art und Weise der Tatbegehung eine Rolle“. Sie entspreche genau dem, wozu die Terrormiliz IS „wiederholt aufgerufen hat“. Derzeit sei aber keine Verbindung des Täters zu einer terroristische Organisation erkennbar.

Im Fall der im Juli in Mossul von irakischen Sicherheitskräften festgenommenen Linda W. und drei weiteren deutschen Frauen hat die Bundesanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen nach Bagdad geschickt, um die Beschuldigten im Irak vernehmen zu können. Das werde derzeit „auf diplomatischer Ebene geklärt“, sagte Frank. Er sei zuversichtlich, „dass es einen Fortschritt geben könnte“. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die Frauen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz IS.
Der Generalbundesanwalt tritt Vorwürfen von Opfern der Terrorzelle NSU entgegen, seine Behörde blockiere die Aufklärung des Netzwerks der Neonazis, die zehn Menschen ermordet und mehr als 20 verletzt hatten. „Wir als Staatsanwälte müssen immer genau beweisen, wer an welcher Straftat auf welche Art und Weise ganz konkret beteiligt war“, sagte Frank.

„Das meinen wir bei Beate Zschäpe und den weiteren vier Angeklagten zu können. Hätten wir das bei weiteren Beschuldigten gekonnt, hätten wir sie in die Anklage einbezogen“. Frank wies auch den Verdacht zurück, die Bundesanwaltschaft decke V-Leute des Verfassungsschutzes. „Wir haben keine Erkenntnisse, dass Mitarbeiter von Behörden strafrechtlich, ob als Gehilfen oder Anstifter, an den Taten des NSU beteiligt waren“, sagte der Generalbundesanwalt.

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