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Kriegsgebiet Syrien. Kann die Konferenz in Astana Frieden schaffen?

© dpa

Syrien-Konferenz in Astana: Russland, Iran und die Türkei beraten über den Frieden

Syrien ist von Frieden weit entfernt. Nun versuchen Russland, der Iran und die Türkei, ab diesen Montag mithilfe einer Konferenz die Gewalt einzudämmen. Was davon zu erwarten ist - eine Analyse mit Hintergründen.

Es hat schon sehr viele Versuche gegeben, die Gewalt in Syrien zu beenden. Alle sind gescheitert. Jetzt wird ein neuer Anlauf genommen – womöglich im Beisein des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Im kasachischen Astana treffen sich an diesem Montag Vertreter des Regimes und die Gegner von Machthaber Baschar al Assad, um über die nahe Zukunft des geschundenen Landes zu beraten. In ein paar Wochen wollen die Vereinten Nationen (UN) nachziehen. Für den 8. Februar haben sie zu Gesprächen nach Genf eingeladen, um den Konflikt beizulegen.

Der Hintergrund des Treffens

Das Ziel der Zusammenkunft unter Federführung Russlands, der Türkei und des Iran klingt bescheiden. Es geht nicht darum, die politischen Grundlagen für einen Frieden zu schaffen. Vielmehr soll die bestehende – brüchige – Waffenruhe abgesichert werden. Doch gelänge es, die Feuerpause zu „konsolidieren“, wäre schon viel erreicht. Fraglich ist allerdings, ob das tatsächlich klappt. Zu konträr sind die Vorstellungen der vielen Kriegsparteien über einen politischen Prozess, der das Leid beenden könnte. Zu groß ist das Misstrauen der Rebellengruppen gegenüber den Herrschenden in Damaskus und deren Verbündeten. Und die Staatsmacht zeigt nach wie vor so gut wie keine Kompromissbereitschaft.

Russlands Absichten

Moskau und Damaskus haben schon seit Sowjetzeiten ein enges Verhältnis. Und daran knüpft das heutige Russland an. Gleich zu Beginn des Aufstands stand der Kreml seinem Schützling Assad zur Seite. Als es dann für Syriens Staatschef militärisch eng wurde, entschloss sich Wladimir Putin, im September 2015 aktiv in Assads „Anti-Terror- Krieg“ einzugreifen. Weniger aus inniger Verbundenheit mit dem syrischen Machthaber. Für Moskau ist das Regime in Damaskus vielmehr Mittel zum Zweck. Es geht in erster Linie darum, Russlands Position im Nahen Osten zu stärken. Und allen zu zeigen, dass Amerika dort keine nennenswerte machtpolitische Rolle mehr spielt.

Barack Obamas Zögern hat Putin ermuntert, nach Gutdünken in Syrien Fakten zu schaffen. Wie in Aleppo. Nun kommt am Kremlchef keiner mehr vorbei. Und Astana macht deutlich, dass Russland bereits an einer neuen Ordnung für Syrien arbeitet. Einer Ordnung von Putins Gnaden, die ihm die Hauptrolle zuweist. Dabei kommt zum Tragen: Moskau kann und will sich nicht auf Dauer einen derart kostspieligen Einsatz leisten. Irgendwann muss in Syrien Ruhe herrschen. Denn ein zweites Afghanistan will niemand im Kreml riskieren. Auch deshalb gibt der Kriegsherr Putin jetzt den Friedensfürsten.

Die Ziele der Türkei

Ankara und Moskau machen in Syrien gemeinsame Sache – das war vor einigen Monaten noch unvorstellbar. Im November 2015 hatte ein türkischer Kampfjet eine russische Suchoi abgeschossen. Putin war empört, es begann eine diplomatische Eiszeit. Die war allerdings nicht von Dauer. Der russische Präsident und sein Amtskollege Recep Tayyip Erdogan näherten sich trotz aller Differenzen rasch wieder an. Dabei half ihre Abneigung gegenüber dem Westen. Die neue Allianz der starken Männer machte Ende 2016 sogar einen Waffenstillstand möglich. Schließlich bombardierten die Türkei und Russland erstmals gemeinsam Stellungen des „Islamischen Staats“.

Die politische und militärische Kooperation kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ankara und Moskau höchst unterschiedliche Interessen verfolgen. So versteht sich die Türkei als Schutzmacht der Sunniten, will Assad weiterhin aus dem Amt treiben, unterstützt deshalb islamistische Milizen und will dem schiitischen Iran Einhalt gebieten. Doch Moskau stützt Assad und bekämpft die Aufständischen – ebenso wie Teheran.

Noch komplizierter wird es bei den Kurden. Der Kreml schätzt (wie das Weiße Haus) deren Entschlossenheit im Kampf gegen den IS. Ankara fürchtet allerdings nichts mehr als ein staatsähnliches Gebilde an seiner südlichen Grenze. Und setzt alles daran, dies zu verhindern. Kein Wunder, dass die Türkei darauf dringt, dass kein kurdischer Vertreter in Astana mit am Tisch sitzt.

Die Rolle des Iran

Für die Führung in Teheran ist Astana schon vor Beginn des Treffens ein Erfolg. Allein dass der Iran zu den Schutzmächten der Feuerpause und Organisatoren der Konferenz gehört, macht seinen Status als regionale Großmacht deutlich. Vor allem, wenn es um Syriens Schicksal geht, hat der „Gottesstaat“ ein gewichtiges Wort mitzureden. Irans Herrschende sind von Anfang an Kriegspartei gewesen. Teheran gehört zu Assads treuesten Unterstützern. Kredite, Waffen, schiitische Kämpfer – die Islamische Republik investiert viel, um dem syrischen Verbündeten das politische Überleben zu sichern. Der Einsatz kommt nicht von ungefähr. Syrien besitzt für die Mullahs immense strategische Bedeutung. Dort sich Gehör zu verschaffen, bedeutet, den schiitischen Einfluss zu erweitern – und den der sunnitischen Konkurrenten zurückzudrängen. Vor allem dem Erzfeind Saudi- Arabien soll Stärke demonstriert werden.

Auch der Libanon spielt eine wichtige Rolle. Dort wird die Hisbollah immer bedeutsamer, was wiederum dem Iran Einfluss sichert. Denn die islamistische „Partei Gottes“ folgt weitgehend Teherans Vorgaben. In Syrien sind die Hisbollah und andere vom Iran bezahlte (und befehligte) Schiitenmilizen ebenfalls ein Machtfaktor. Ohne ihre Hilfe wäre es Assad zum Beispiel nicht gelungen, Aleppo wieder unter Kontrolle zu bekommen. Der Beistand für den Diktator in Damaskus gründet nicht zuletzt auf einem klaren strategischen Kalkül: Assad ist der Garant für einen „schiitischen Halbmond“ vom Iran über den Irak bis in den Libanon. Also vom Golf bis ans Mittelmeer. Auch das macht Teherans Selbstverständnis als Global Player deutlich.

Assads Pläne

Als die Truppen des Machthabers die Rebellen aus Aleppo vertrieben hatten, war Assad um markige Worte nicht verlegen. Mit der „Befreiung“ der nordsyrischen Stadt sei „Geschichte geschrieben“ worden. Die Welt werde nun eine andere sein. Was er damit meint, ist kein Geheimnis. Der Präsident will das ganze Land wieder unter seine Kontrolle bringen – mit allen Mitteln. Ob ihm das gelingt, ist aber mehr als fraglich. Ohne die massive russische Hilfe wären seine Einheiten sicherlich nicht wieder auf dem militärischen Vormarsch. Inzwischen beherrscht Assad alle großen Städte des Landes.

Die Aufständischen – Terroristen, Islamisten und moderate Gruppen – sind dagegen ins Hintertreffen geraten. Auch das ein Grund, warum der Diktator bereit ist, mit seinen Gegnern zu reden. Für ihn steht jedoch fest: Er bleibt Staatschef. Komme, was da wolle. Es sieht tatsächlich so aus, als ob Assad seiner Sache sicher sein kann. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass er zumindest vorläufig im Amt bleiben wird. Und: Assad will weiter gegen die „Terroristen“ vorgehen. Gemeint sind damit alle, die gegen ihn sind.

Das Kalkül der Aufständischen

Die Rebellen – Islamisten wie Nicht-Islamisten – sind nach der Niederlage in Aleppo sehr geschwächt und somit kaum mehr in der Lage, Forderungen zu stellen. Sie haben daher großes Interesse daran, dass die Feuerpause Bestand hat. Auch wenn sie nach wie vor Assads Sturz fordern, ist ihnen klar, dass dieses Ziel in weite Ferne gerückt ist. Auch weil die Unterstützung etwa durch die Golfstaaten nicht ausreicht, um den Regierenden und deren Getreuen Paroli zu bieten. Experten gehen auch deshalb davon aus, dass viele Oppositionelle sich islamistischen Terrorgruppen wie der Nusra-Front oder dem „Islamischen Staat“ anschließen werden. Das könnte einen noch radikaleren Kampf gegen den Machthaber nach sich ziehen – einschließlich eines jahrelangen Guerillakriegs. Frieden für Syrien dürfte in weiter Ferne liegen.

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