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Der Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil (SPD).

© Peter Steffen/dpa

Streit um Weil-Rede zum Abgasskandal: Diese Passagen wurden auf Vorschlag von VW geändert

VW hat die Rede von Ministerpräsident Weil zum Diesel-Skandal gegengelesen und Änderungsvorschläge gemacht. Einige Formulierungen wurden übernommen.

Im Streit um eine Rede des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil zum Abgasskandal bei Volkswagen hat die Landesregierung zwei Versionen des Manuskriptes veröffentlicht. Wie aus dem am Sonntag verbreiteten Dokument hervorgeht, machte der Autokonzern vor der Rede im Jahr 2015 mehrere Änderungsvorschläge, die zum Teil übernommen, zum Teil aber auch abgelehnt wurden. Weil selbst hat sich gegen die Vorwürfe verteidigt und das Ganze als "olle Klamotte" bezeichnet.

Das Manuskript kann auf ndr.de heruntergeladen werden. Hier sind die Änderungen von VW und der Staatskanzlei einzusehen. Eine inhaltlich scharfe Formulierung, mit der Weil Kritik an VW übte, blieb demnach erhalten, wie ndr.de schreibt. Der Ministerpräsident schrieb in seinem Manuskript: "So erklärt es sich auch, dass wir alle tief betroffen und entsetzt sind zu erfahren, dass bei Volkswagen über etliche Jahre hinweg Abgaswerte manipuliert worden sind. Dieses Vorgehen ist unverantwortlich, völlig inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen." Weil hatte bereits gesagt, die Rede sei im Kern unverändert geblieben. Hier einige Beispiele, welche Vorschläge des Autokonzerns angenommen wurden, und welche nicht:

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Original-Rede von Ministerpräsident Weil Änderungsvorschläge von VW Was passiert ist
Volkswagen hat damit gegen Gesetze verstoßen und Vertrauen missbraucht. Damit ist gegen Gesetze verstoßen und Vertrauen missbraucht worden Geändert
Erst im August 2015 räumte Volkswagen zunächst mündlich und dann Anfang September auch schriftlich die Manipulationen ein. Anstatt dies klar und deutlich von Anfang an zu tun – ein weiterer schwerer Fehler. "… fanden Gespräche statt, bis schließlich Anfang September 2015 die Manipulation eingeräumt wurde." Die Änderungen wurden nur zu einem geringen Teil übernommen. Der Hinweis auf Manipulationen von Volkswagen blieb, ebenso der schwere Fehler. Zudem hatte VW vorgeschlagen, das Wort "Software" durch "Motor" zu ersetzen. Dies wurde nicht übernommen.
So erklärt es sich auch, dass wir alle tief betroffen und entsetzt darüber sind, dass bei Volkswagen über etliche Jahre hinweg Abgaswerte manipuliert worden sind. So erklärt es sich auch, dass wir alle tief betroffen und entsetzt darüber sind, dass bei Volkswagen über etliche Jahre hinweg Abgaswerte bei Messungen auf dem Prüfstand manipuliert worden sind VW hatte vorgeschlagen, den Satz nach "Abgaswerte" um die Formulierung "Messungen um den Prüfstand" zu ergänzen. Änderungsvorschlag wurde nicht übernommen.
Erst im August 2015 räumte Volkswagen zunächst mündlich und dann Anfang September auch schriftlich die Manipulationen ein. Anstatt dies klar und deutlich von Anfang an zu tun - ein weiterer schwerer Fehler. VW wollte den Satz streichen und stattdessen einfügen lassen: Erst im August fanden Gespräche statt, bis schließlich Anfang September 2015 die Manipulation eingeräumt wurde. Die Änderung wurde laut den Anmerkungen nur teilweise übernommen. Die Hinweise auf die Manipulation und den schweren Fehler sind geblieben.
Wird es Volkswagen gelingen, sich das Vertrauen seiner Kunden zu erhalten und an den unterschiedlichen Märkten dieser Welt erfolgreich zu bleiben, oder ist ein Rückgang der Absatzzahlen und damit ein Verlust von Marktanteilen mit allen daraus resultierenden Folgen zu erwarten? VW wollte diesen Satz streichen lassen. Dem ist die Staatskanzlei nicht gefolgt.
Es handelt sich dabei um eine sog. external investigation nach amerikanischem Recht. Sie wird durchgeführt durch die amerikanische Anwaltsfirma Jones Day. In diesem Zusammenhang wird mit hoher Akribie auf der Basis des insoweit sehr strengen amerikanischen Verfahrensrechts die Aufklärung betrieben. Es handelt sich dabei um eine sog. external investigation und wird durchgeführt durch die amerikanische Anwaltsfirma Jones Day. In diesem Zusammenhang wird mit hoher Akribie die Aufklärung betrieben. Die Änderungsvorschläge von VW wurden übernommen.
Für seine Berufung an die Spitze des Aufsichtsrates stärkt die Handlungsfähigkeit des Konzerns nachhaltig. Seine Berufung an die Spitze des Aufsichtsrates stärkt die Handlungsfähigkeit des Konzerns nachhaltig. An dieser Stelle korrigierte VW die Grammatik, der Vorschlag wurde angenommen.
Anstatt dies klar und deutlich zu thematisieren, ist fatalerweise der Entschluss gefasst worden, die Software zu entwickeln, die die Abgasentwicklung unterschiedlich steuert, je nachdem ob sich ein Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet oder im normalen Verkehr. Anstatt dies klar und deutlich zu thematisieren, ist fatalerweise der Entschluss gefasst worden, eine Software zu entwickeln, die die Abgasentwicklung unterschiedlich steuert, je nachdem ob sich ein Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet oder im normalen Verkehr. Aus "die" wurde "eine" Software. Dieser Änderungsvorschlag wurde angenommen. Zudem hatte VW vorgeschlagen, lediglich zu schreiben: "Anstatt dies klar und deutlich zu thematisieren, ist fatalerweise der Entschluss gefasst worden, eine Software zur Prüfstandserkennung zu nutzen." Dieser Vorschlag wurde abgelehnt.
Wo, wann und wer dafür die Verantwortung hatte, ist ebenfalls Gegenstand intensiver Untersuchungen. VW bat darum, die Zeitaussagen zu korrigieren. Daraufhin wurden Zeitangaben herausgenommen und aus dem Satz wurde: Wer dafür die Verantwortung hatte, ist ebenfalls Gegenstand intensiver Untersuchungen.
Alleine für die Rückrufaktion sind bekanntlich 6,5 Mrd. Euro für das Jahr 2015 zurückgestellt worden; das sind gewaltige Beträge Bekanntlich sind 6,5 Mrd. Euro für das Jahr 2015 zurückgestellt worden; das sind gewaltige Beträge. Vorschlag wurde angenommen

Viele Änderungen in dem Dokument stammen auch von dem Rechtsanwalt Drinkuth und anderen Mitarbeitern der Staatskanzlei. Drinkuth formulierte beispielsweise einen Satz von Weil um. Weil hatte geschrieben: "Erst im August 2015 räumte Volkswagen zunächst mündlich und später Anfang September 2015 auch schriftlich die Manipulation ein, anstatt dies klar und deutlich von Anfang an zu tun – ein weiterer schwerer Fehler." Drinkhuth notierte: "Die Formulierung könnte nahelegen, dass der Vorstand im August 2014 bewusst davon abgesehen hat, die Manipulationen einzuräumen. Daher ist zu erwägen, diesen zweiten Halbsatz wegzulassen oder wie folgt zu formulieren: Leider wurde es aus derzeit noch nicht aufgeklärten Gründen versäumt, die Manipulationen von Anfang an einzuräumen, was sich im Rückblick als schwerer Fehler herausstellt." VW wollte diesen Satz vollständig streichen lassen und stattdessen einfügen: " ...fanden Gespräche statt, bis schließlich Anfang September 2015 die Manipulation eingeräumt wurde." In der Kommentarspalte heißt es dann dazu: "Die Änderungen wurden nur zu einem geringen Teil übernommen, der Hinweis auf Manipulationen von Volkswagen blieb, ebenso der schwere Fehler."

"Wir haben die Rede umgeschrieben und weichgespült."

Die "Bild am Sonntag" hatte einen namentlich nicht genannten VW-Mitarbeiter mit den Worten zitiert: "Wir haben die Rede umgeschrieben und weichgespült." Daraufhin wurde Weil etwa von Unionspolitikern kritisiert. Er selbst wies die Vorwürfe zurück. Die Unterstellung, seine Regierung habe sich von VW die Feder führen lassen, sei "bodenlos". Er begründete das Vorgehen unter anderem mit den Verfahren, die es gegen VW damals in den USA gab. Im Kern sei der Redetext unverändert geblieben.

Dem NDR liegt nun auch eine interne Mail von Weil-Sprecherin Pörksen vom 9. Oktober vor: "Nur noch mal zur Klarstellung, wir werden keinesfalls unsere politischen oder sonstigen Äußerungen mit dem Konzern vorab abstimmen, es geht nur um konkrete Aussagen zu den Vorgängen, die jetzt Gegenstand von Gerichtsverfahren sind, um etwaige Falschmeldungen in der Sache zu verhindern bzw. Schadensersatzansprüche oder ähnliches", heißt es darin. Das Schreiben soll an alle mit VW und Öffentlichkeitsarbeit beschäftigten Staatskanzleimitarbeiter sowie an das niedersächsische Wirtschaftsministerium gegangen sein. (mit dpa, Reuters)

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