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Ist das Baby behindert? Mit Ultraschall-Untersuchungen allein lässt sich das nicht herausfinden.

© picture alliance / dpa

Streit um neue Schwangerschaftstests: Ethiker warnt vor "Abtreibungsautomatismus"

Müssen Krankenkassen neue Schwangerschaftstests bezahlen, die gezielt nach Behinderungen suchen? Die Zuständigen wollen das nicht alleine entscheiden.

Gewöhnlich lassen sich gesetzliche Krankenversicherer, Ärzte und Kliniken nur ungern in ihre Entscheidungen hineinreden, was als Kassenleistung bezahlt wird und was nicht. Doch bei der Frage, ob ein neuer Schwangerschaftstest zum Leistungskatalog gehören soll, rufen sie im Gemeinsamen Bundesausschuss nun nach dem Gesetzgeber.

Die Angelegenheit berühre „fundamentale ethische Grundfragen unserer Werteordnung“, die man nicht allein mit wissenschaftlich-technischen Prüfkompetenzen beantworten dürfe, lautet die Begründung. Das Parlament sei „gefordert, hier Grenzen und Bedingungen zu definieren“.

Risikoärmer, aber deutlich teurer

Worum geht es? Bisher ließ sich nur durch Plazenta- oder Fruchtwasser-Untersuchungen verlässlich vorhersagen, ob Ungeborene unter einer Genmutation, beispielsweise dem Down-Syndrom, leiden und behindert auf die Welt kommen würden. Die Kassen zahlen Risikopatientinnen diese nicht ungefährlichen Verfahren, bei denen die Bauchdecke mit einer Nadel durchstoßen werden muss. Neuerdings gibt es dafür jedoch auch risikoärmere Bluttests. Die sind aber deutlich teurer – und die Kosten von 400 bis 1.000 Euro haben die Eltern allein zu tragen. Zuzüglich der Arzthonorare.

Der Bundesausschuss sollte nun befinden, ob das so bleiben kann – und steht dabei mächtig unter Druck. Bischof Gebhard Fürst, der in der katholischen Bischofskonferenz für bioethische Fragen zuständig ist, warnte beispielsweise vor einem "Abtreibungsautomatismus" und einer "Selektion menschlichen Lebens nach genetischen Kriterien", die gegen die "unbedingte Pflicht, die Würde des Menschen zu achten" verstoße. Und die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Ulla Schmidt, sieht eine „von den gesetzlichen Krankenkassen finanzierte Routineuntersuchung, die gezielt nach Föten mit Behinderung sucht und in aller Regel zur Abtreibung führt" in Widerspruch zum Grundgesetz und zur Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen.

Debatte bewusst in die Sommerpause gepackt?

Heftige Kritik kam auch von Abgeordneten aller vier Bundestagsfraktionen, von denen einige selber behinderte Kinder haben. Sie warnten davor, dass das neue Testverfahren den Druck auf Eltern erhöhen könne, nur noch „perfekte Babys“ zur Welt zu bringen. Gleichzeitig argwöhnten sie, dass das Thema bewusst in die Sommerpause gepackt worden sei, um damit „unter dem Radar der Öffentlichkeit“ zu segeln.

Der Gemeinsame Bundesausschuss wies dies zurück. Das Bewertungsverfahren, das man nun eingeleitet habe, könne bis zu drei Jahre dauern, beteuerten die Mitglieder in einem Antwortschreiben an Hubert Hüppe (CDU), Corinna Rüffer (Grüne), Dagmar Schmidt (SPD) und Kathrin Vogler (Linke) – „ein Zeitraum, der für eine parlamentarische Willensbildung genutzt werden kann und nach unserer Überzeugung auch genutzt werden sollte“. Bis zur endgültigen Entscheidung bleibe der Bluttest eine Selbstzahlerleistung.

Darf man Schwangeren risikoärmere Tests vorenthalten?

Allerdings stelle sich auch die Frage, "ob es ethisch umgekehrt überhaupt vertretbar sei, schwangeren Frauen und/oder Paaren ohne die notwendigen finanziellen Ressourcen zur Selbstzahlung einen risikoärmeren Test vorzuenthalten (...), mit dem Schädigungen des ungeborenen Lebens und der Mutter vermieden werden können“. Außerdem stellten sich Haftungsfragen, denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung müsse unter den verfügbaren Therapien die für den Patienten am wenigsten gefährliche gewählt werden.

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