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Verhandlungen mit der EU? Boris Johnson besuchte am Freitag eine Farm in Schottland.

© Andrew Milligan/AFP

Streit um Brexit und Neuwahl: So drängt die Opposition Johnson in die Enge

Boris Johnson will eine Neuwahl vor dem Brexit-Termin. Die britische Opposition sieht darin eine Falle und hat andere Pläne.

Boris Johnson befindet sich bereits im Wahlkampfmodus. Allerdings hat der britische Premierminister ein Problem: Der Wahltermin ist bislang unbekannt.

Die oppositionelle Labour-Partei hat inzwischen angekündigt, dass sie sich nicht am kommenden Montag auf eine Abstimmung über eine Neuwahl einlassen will. Auch der Unterhausabgeordnete Ian Blackford von der schottischen SNP erklärte: „Wir bestimmen das Timing, nicht Boris Johnson.“

Damit es Neuwahlen gibt, müssen zwei Drittel der Unterhausabgeordneten zustimmen. Bereits am vergangenen Mittwoch hatte Johnson diese Mehrheit verfehlt.

Zwar will sich auch die Opposition den von Johnson mit aller Macht geforderten Neuwahlen nicht verweigern, aber sie fasst dafür einen Zeitpunkt nach dem 31. Oktober ins Auge. Johnson hingegen möchte die Wahl bereits am 15. Oktober abhalten.

Am Donnerstag war der Premierminister in Morley in der Nähe von Leeds unterwegs. Doch der verkappte Wahlkampftermin ging für den Premierminister nach hinten los. Ein Passant sprach Johnson an und forderte ihn auf, ernsthaft in Brüssel mit der EU zu verhandeln, anstatt durchs Land zu reisen. „Sie spielen Spielchen, das ganze Land weiß es“, erklärte der Mann dem ausnahmsweise sprachlosen Premierminister.

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Johnson könnte das Anti-Chaos-Gesetz wieder kippen

Der Experte Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hält es für theoretisch denkbar, dass Johnson das Anti-Chaos-Gesetz, welches am vergangenen Mittwoch im Unterhaus beschlossen worden war, im Falle eines Wahlsieges am 15. Oktober wieder kassieren könnte. „Jedes Gesetz kann wieder von einem anderen Gesetz rückgängig gemacht werden“, sagte von Ondarza. Die Voraussetzung sei dabei, dass Johnson im neuen Parlament über die nötige Mehrheit verfüge und die revidierte Gesetzgebung erneut beide Kammern durchlaufe. Von Ondarza tippt darauf, dass es im November zu Neuwahlen kommt – wenn das Anti-Chaos-Gesetz gegriffen hat.

Das Gesetz sieht eine dreimonatige Verschiebung der Brexit-Frist bis Ende Januar für den Fall vor, dass Johnson sich mit der EU beim Gipfel am 17. und 18. Oktober nicht auf eine mögliche Neufassung des Austrittsvertrages einigen kann. Laut dem Gesetz, welches am Freitag vom Oberhaus beschlossen wurde, muss Johnson dann bei der EU um eine Verlängerung bitten.

Johnson will statt eines Aufschubs lieber "tot im Graben" liegen

Genau dies Szenario ist allerdings angesichts der markigen Ansagen Johnsons schwer vorstellbar. Der Premierminister hat erklärt, er wolle lieber „tot in einem Graben“ liegen, als eine weitere Verschiebung des Brexit über den 31. Oktober hinaus zuzulassen. In jedem Fall könnte Johnson Ende Oktober im Fall einer fehlenden Einigung mit den verbleibenden 27 EU-Staaten in eine unbequeme Situation kommen.

Diesen Umstand will die Labour-Partei mit ihrer Strategie, die offenbar auf einen späteren Wahltermin zielt, ausnutzen. Nach gegenwärtigem Stand liegt die Labour-Partei in Umfragen rund neun Prozentpunkte hinter den regierenden Tories zurück. Dies könnte sich ändern, falls der Premierminister Ende Oktober in den Augen seiner Anhänger mit leeren Händen dastehen sollte.

Johnson beharrt indes nach wie vor darauf, den EU-Austrittsvertrag zu ändern und die Garantieklausel für Nordirland zu kippen. Mit dem „Backstop“ soll sichergestellt werden, dass durch den Brexit keine harte Grenze zwischen dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland und der Republik Irland entsteht. Im Fall eines ungeregelten Brexit am 31. Oktober bestünde allerdings die Gefahr, dass in der früheren Bürgerkriegsregion im Norden der irischen Insel wieder Schlagbäume aufgestellt werden müssen.

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Irlands Regierungschef Varadkar trifft Vorsorge für No-Deal-Brexit

Inzwischen ist der irische Regierungschef Leo Varadkar dabei, Vorsorge für dieses Worst-Case-Szenario zu treffen. Varadkar erklärte am Donnerstagabend, dass im Fall eines No-Deal-Brexit die Zollkontrollen „so weit wie möglich“ abseits der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland in Häfen, an Flughäfen und in Unternehmen stattfinden sollten. Die Details würden gegenwärtig gemeinsam mit der EU-Kommission ausgearbeitet, sagte der Regierungschef weiter. Grenznahe Kontrollen seien nach seinen Worten allerdings für Lebendvieh und einige Waren nötig.

Falls Großbritannien am 31. Oktober ohne Austrittsvertrag aussteigen sollte, wäre Irland als EU-Mitglied für den Schutz eines Teils der Außengrenze des europäischen Binnenmarktes zuständig. Varadkar malte vor den Zuhörern der Britisch-Irischen Handelskammer auch aus, was dies für Reisende bedeuten würde. Passagiere aus Großbritannien müssten dann anders als bisher am Flughafen nach ihrer Ankunft in Irland einen entsprechenden Ausgang wählen, wenn sie etwas zu verzollen hätten, erklärte er.

Vor Gericht erlitten die Gegner eines No-Deal-Brexit unterdessen in London einen Rückschlag. Der High Court wies eine Klage gegen die von Johnson verfügte fünfwöchige Zwangspause des Unterhauses ab, die in der kommenden Woche beginnt. Über die Klage der Aktivistin Gina Miller soll nun ab dem 17. September vor dem höchsten Gericht, dem Supreme Court, weiterverhandelt werden.

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