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Seit der islamischen Revolution 1979 und der Besetzung der US-Botschaft in Teheran sind Amerika und der Iran verfeindet.

© imago stock&people

Streit um Atomdeal: Wie Hardliner in USA und Iran das Nuklearabkommen sabotieren

Fundamentalisten in Washington und Teheran wollen das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigen. Die Befürworter der Übereinkunft geraten in Bedrängnis.

Der Jubel war so groß wie die Erleichterung. Nach jahrelangen zähen Verhandlungen gab es Mitte 2015 endlich eine Übereinkunft mit dem Iran über sein Atomprogramm. Doch von der Euphorie ist nicht viel geblieben. Vor allem ein Streit in der amerikanischen Regierung gefährdet die Zukunft des Abkommens.

Präsident Donald Trump und einige Hardliner in Washington tendieren dazu, den Kongress im Oktober über iranische Vertragsverletzungen zu informieren und möglicherweise ganz aus der Vereinbarung auszusteigen. Dagegen fordern Außenminister Rex Tillerson und andere Realpolitiker, die USA sollten am Abkommen festhalten. Unterstützt wird diese Fraktion dabei von den Europäern, die bei einem Kollaps des Vertrages neben dem Nordkorea-Konflikt eine zweite internationale Atomwaffen-Krise befürchten.

Vorwurf: Vertragsbruch

Trump war noch nie ein Freund des von seinem Vorgänger Barack Obama ausgehandelten Abkommens, das die Entwicklung iranischer Atomwaffen verhindern soll. Im Wahlkampf forderte Trump den Ausstieg der USA aus dem Vertrag zwischen Teheran auf der einen und den USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und der EU auf der anderen Seite; dem „Wall Street Journal“ sagte der Präsident im Juli, er habe keinen Zweifel daran, dass der Iran gegen die Bestimmungen der Vereinbarung verstoßen habe.

Dennoch bestätigte Tillersons Amt damals in einem Bericht an den Kongress die Vertragstreue der Iraner. Im Oktober könnte der alle drei Monate fällige Bericht der Regierung an das US-Parlament allerdings anders ausfallen. Trumps UN-Botschafterin Nikki Haley sagte vergangene Woche in Washington, die Amerikaner dürften nicht länger die Augen davor verschließen, dass der Iran die Inspektion bestimmter Atomanlagen verweigere und den ganzen Nahen Osten destabilisiere. Teheran profitiere vom Ende der internationalen Sanktionen, ohne dafür etwas tun zu müssen.

Sollte Trump in dem neuen Report die Iraner des Vertragsbruchs bezichtigen, hätte der Kongress zwei Monate Zeit, um über neue amerikanische Sanktionen gegen Teheran zu beraten. Der Atomvertrag wäre davon zwar theoretisch unberührt – praktisch aber würde die gemeinsame Haltung der internationalen Gemeinschaft zerbrechen, warnt Allen Keiswetter, ein früherer Abteilungsleiter im US-Außenamt für Nahost-Fragen, der heute beim Middle East Institute in Washington arbeitet. „Die USA stünden alleine da“, sagt Keiswetter.

"Es ist nicht unsere Aufgabe, die Europäer nicht beglücken"

Das befürchten auch Tillerson und seine realpolitischen Mitstreiter in der Regierung, Verteidigungsminister James Mattis und Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster. Wie Trump halte zwar auch Tillerson den Iran-Vertrag für äußerst löchrig, sagte ein hochrangiger westlicher Regierungsvertreter kürzlich in Washington. Doch anders als der Präsident wolle der US-Chefdiplomat den Vertrag nutzen, um die Iraner zur Einhaltung „jedes Kommas“ zu bewegen. Bei diesen Bemühungen habe Tillerson Deutsche, Briten und Franzosen auf seiner Seite.

Tillersons Position wurde durch die jüngste Bilanz der UN-Atombehörde IAEO gestärkt, die den Iranern vertragskonformes Verhalten bescheinigte. Ob die Europäer mit ihrer Unterstützung für Amerikas Außenminister etwas ausrichten können, ist trotzdem offen. Für Iran-Hardliner in Trumps Regierung sind die Bedenken in Berlin oder Paris mit Blick auf ein Auseinanderbrechen der Übereinkunft zweitrangig: Es sei nicht Aufgabe der USA, die Europäer zu beglücken, sagte UN-Botschafterin Haley.

Was kommt anstelle des Abkommens?

Auch sehen wichtige Verbündete der USA im Nahen Osten wie Israel und Saudi-Arabien das Iran-Abkommen – anders als die Europäer – nach wie vor sehr skeptisch. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, seit Jahren ein erklärter Gegner jeder Kompromissbereitschaft gegenüber Teheran, soll sich kommende Woche bei einem Treffen mit Trump am Rande der UN-Vollversammlung in New York wieder für ein Ende des Iran-Atomdeals einsetzen. Das fordert sein Geheimdienstminister Jisrael Katz.

Weder Trump noch Haley haben allerdings bisher die Frage beantwortet, was sie an die Stelle des Atomvertrages setzen wollen, um die Iraner von der Entwicklung der Bombe abzuhalten. Neue Verhandlungen nach einem Ausstieg der USA wird es nach Einschätzung von Experten nicht geben. Ex-Diplomat Keiswetter rät der Trump-Regierung deshalb davon ab, den Atomvertrag platzen zu lassen. Stattdessen solle Washington „das akzeptieren, was wir haben“ und Verbesserungsmöglichkeiten ausloten. Ob Donald Trump dies zulassen wird, ist jedoch keineswegs sicher.

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Auch in Teheran lassen die Hardliner keine Gelegenheit aus, den Deal zu sabotieren. Amerikas Störfeuer ermutigt die Gegner des Atomabkommens geradezu. Sie betonen mit Blick auf die von den USA verhängten Strafmaßnahmen, dass sich Washington nicht an die Übereinkunft halte. Aber der Widerstand der Erzkonservativen ist vor allem grundsätzlicher Art: Der Deal und die damit einhergehende Öffnung gegenüber dem Westen sowie dem Erzfeind USA gilt als Verrat an den Grundfesten der islamischen Republik. Insbesondere die mächtigen Männer bei den paramilitärischen Revolutionsgarden und im Wächterrat würden am liebsten die Vereinbarung sofort aufkündigen. Wäre da nicht der Präsident.

Hassan Ruhani und sein Außenminister Dschawad Sarif haben das Abkommen trotz heftiger Gegenwehr durchgesetzt und halten an ihm fest. Wie die anderen gemäßigten Kräfte im Iran verweisen sie darauf, dass der Deal das Land aus der Isolation befreit habe. Das nutze allen. Doch das Volk murrt. Der versprochene wirtschaftliche Aufschwung bleibt aus, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Was wiederum die religiösen wie politischen Fundamentalisten gern ins Feld führen, um Ruhani Versagen vorzuwerfen und seinen Kurs zu verteufeln.

Ruhani droht

Das bringt den 68-Jährigen immer mehr in Bedrängnis – was ihn zwingt, rhetorisch aufzurüsten. Vor knapp einem Monat drohte der Staatschef im Parlament den USA. Diejenigen, die versuchten, zur Sprache der Sanktionen zurückzukehren, seien Gefangene ihrer Wahnvorstellungen. Sollte Washington bei seiner Politik des Zwangs bleiben, könnte der Iran „binnen Stunden“ sein Nuklearprogramm wieder hochfahren.

Aber noch ist dieser Ernstfall nicht eingetroffen. Noch hält Ruhani dem Druck seiner Widersacher stand. Und verspricht, der Iran werde sich aller Attacken zum Trotz rational und sachlich verhalten. Ob ein derartiges Versprechen bei den Verfechtern eines harten Kurses verfängt, ist allerdings unwahrscheinlich. In Washington wie in Teheran machen die Hardliner mobil.

Und sie eint über alle ideologischen Grenzen hinweg ein erklärtes Ziel: dem verhassten Atomabkommen ein möglichst rasches Ende zu bereiten.

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