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Der SPD-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzende, Martin Schulz, präsentiert am 19.06.2017 in Berlin in der SPD-Parteizentrale das neue Steuerkonzept der SPD.

© dpa/ Kay Nietfeld

Steuerkonzept der SPD: Schulz will höhere Belastung für Reiche

Die SPD will mit einer Steuerreform Menschen mit geringem Einkommen um 15 Milliarden entlasten und Wohlhabende belasten. Neue Schulden sind angeblich nicht notwendig.

Von Robert Birnbaum

Steuerreformkonzepte sind ein Ort für Zahlen und für Adjektive. „Wir haben solide gerechnet“, sagt Martin Schulz. „Maßvoll, moderat, seriös“, sagt Olaf Scholz. „Aufkommensneutral“, sagt Thorsten Schäfer-Gümbel. Am Montag stellen der SPD-Chef und seine beiden Stellvertreter die Steuerpläne vor, mit denen Schulz als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf zieht. Sie wirken zufrieden und stolz. Dabei sind solche Momente für die Sozialdemokratie ja traditionell nicht ganz einfach. Im eigenen Lager sitzen nach wie vor Klassenkämpfer, die Steuerpolitik am liebsten nach Robin-Hood-Manier betreiben würden. Auf der anderen Seite ist die Konkurrenz schnell zur Hand mit dem Vorwurf der Unseriosität. Zwischen beiden Polen heile durchzukommen und zugleich Schulz’ Oberthema „Gerechtigkeit“ hochzuhalten, ist keine ganz leichte Aufgabe.

In groben Zahlen liest sich das Ergebnis so: Die SPD will untere und mittlere Einkommen in Summe um rund 15 Milliarden Euro im Jahr entlasten, was teils aus Haushaltsüberschüssen, teils durch höhere Lasten für Reiche und für Erben gegenfinanziert werden soll. Neue Schulden brauche man nicht, betont Schäfer-Gümbel noch einmal extra, um Missverständnisse auszuschließen.

Der Übergang zum vollen Soli-Satz soll gleitend bleiben

Der Löwenanteil der Entlastung – zehn Milliarden Euro – soll allerdings erst 2020 wirksam werden. Dann läuft der Solidarpakt aus und mit ihm der Solidarzuschlag. Für untere und mittlere Einkommen soll er nach dem Willen der SPD danach ganz entfallen; Besserverdienende sollen ihn für eine Übergangsperiode zunächst weiterzahlen. Wie lange diese Periode dauern und in welchen Schritten der Zuschlag darin verringert werden soll, sagt das Konzept nicht. Scholz betonte aber, die von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Auge gefasste Übergangszeit bis 2030 halte er für rechtlich nicht haltbar.

Profitieren sollen vom Wegfall des Soli alle, die weniger als 52 000 Euro versteuerbares Einkommen haben (104 000 bei Ehepaaren). Wie bisher soll bei den Besserverdienern der Übergang zum vollen Soli-Satz von 5,5 Prozent gleitend sein. Für Arbeitnehmer und Selbstständige in diesem Einkommensbereich – dem des gut verdienenden Facharbeiters – sieht das Konzept zusätzlich Entlastung durch einen neuen Steuertarif vor. Von ihm profitieren aber auch alle Steuerpflichtigen mit niedrigerem Einkommen.

Spitzensteuersatz ab 60.000 Euro

Denn der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll nicht wie bisher auf jeden verdienten Euro oberhalb von 56 000 Euro entfallen, sondern erst ab 60 000 Euro. Dadurch verläuft auch die Steuerkurve bis zu diesem Grenzwert flacher. Im Grundsatz entspricht das genau dem, was FDP oder Union unter dem Stichwort „Kampf gegen die kalte Progression“ planen.

Die SPD will allerdings auf der Gegenseite den Spitzensatz bis zur nächsten Grenze bei 76 200 Euro (für Singles) auf 45 Prozent ansteigen lassen. Die „Reichensteuer“, die für Einkommen oberhalb von 250 000 Euro fällig wird, soll auf 48 Prozent steigen, außerdem soll die bisher regelmäßig neu festgesetzte „Reichengrenze“ im Gesetz festgeschrieben werden. Der neue Tarifverlauf soll sich nach den Berechnungen von Schäfer-Gümbel und Scholz selbst finanzieren: 1,8 Milliarden Euro Entlastung stehen gleiche Mehreinnahmen gegenüber.

Besonderen Wert legt Kanzlerkandidat Schulz – Stichwort „Gerechtigkeit“ – auf die Pläne zur Entlastung von Geringverdienern. Von Steuersenkung haben diese Menschen nichts, weil sie gar keine Steuern zahlen. Die SPD will sie darum bei den Sozialabgaben entlasten. Wer mehr als 450 und weniger als 1300 Euro im Monat verdient, soll niedrigere Arbeitnehmeranteile zahlen. Das gilt heute schon zwischen 451 und 850 Euro, allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Nach dem SPD-Konzept soll der Bundeshaushalt die Differenz zum vollen Beitrag ausgleichen, damit den Beschäftigten ihr voller Rentenanspruch erhalten bleibt. Die nötige Summe sei mit etwa 800 Millionen Euro pro Jahr nicht hoch, sagt Schäfer-Gümbel, aber für Menschen in diesen Gehaltsklassen zähle jeder Euro. Schließlich enthält das Konzept noch einen Kinderbonus von 150 Euro pro Kind.

Eine Vermögenssteuer ist nicht vorgesehen

Auf der Gegenfinanzierungsseite findet sich eine Mischung aus Konkretem und Vagem. Abschaffen will die SPD die Abgeltungsteuer auf Zinseinnahmen, die dann behandelt würden wie jedes andere Einkommen. Wie eine „umfassendere Erbschaftsteuerreform“ zulasten „sehr große(r) Erbschaften“ aussehen soll, ist nur angedeutet – die Verfasser spielen auf die SPD-Vorschläge an, die bei der letzten Reform am Widerstand vor allem der CSU gescheitert waren. Weiteres Geld versprechen sich die Sozialdemokraten vom Kampf gegen Steuerbetrug aller Art. Die nötigen Milliarden, versichert Schäfer- Gümbel jedenfalls, kämen selbst bei konservativer Berechnung rein.

Nicht reingekommen ist hingegen das Lieblingsprojekt der SPD-Linken, eine Vermögensteuer. Die bleibe „Programmatik“ der SPD, sagt Schulz. Dass es dazu beim Parteitag in Dortmund am Wochenende noch Anträge gibt, gilt in der SPD- Führung als wenig wahrscheinlich. Denn auch wenn Schulz immer wieder betont, die SPD gehe nicht „nur taktisch“ an den Wahlkampf heran wie gewisse andere – so viel taktischen Verstand hat seine Partei dann doch, dass sie ihm nicht zu den Problemen mit gesunkenen Umfragezahlen auch noch ein Ei ins Nest legt.

Die gewissen anderen glaubt der Spitzenkandidat jetzt übrigens erst mal deklassiert zu haben. Die SPD, sagt Schulz, präsentiere „die erste echte Steuerreform seit 2001“, von der anderen Seite komme nichts: „Ich erwarte, dass der Wettbewerber auf der Volksparteienseite sich endlich dem Wettbewerb stellt!“ Aber er weiß natürlich, dass er den isoliert in der Steuerpolitik gar nicht gewinnen kann, weil die Union ihn da immer überbieten wird. Deshalb erinnert das Konzept eingangs ja auch daran, wo Schulz seinen eigentlichen Schwerpunkt sieht: bei 30 Milliarden Euro für Investitionen.

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