zum Hauptinhalt
Deutsch büffeln in Deutschland - für Flüchtlinge wie diese Frauen aus Syrien, Eritrea, Iran und Irak das normale Verfahren. Wer hier mit Ehefrau oder -mann zusammenleben will, muss das im Heimatland versuchen, Ausgang ungewiss.

© Hendrik Schmidt/dpa

Sprachtests: Kein Deutsch, kein Eheleben

Mehr als 12000 Menschen durften 2015 nicht zu ihren Ehepartnern in Deutschland - sie hatten den Sprachtest nicht bestanden.

Im vergangenen Jahr durften mehr als 12 000 Frauen und Männer nicht zu ihren Ehepartnern nach Deutschland, weil sie ihren Deutschtest nicht bestanden hatten. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, fielen 31 Prozent jener fast 40 000 Menschen weltweit durch, die sich der Prüfung unterzogen. Etwa ein Fünftel von ihnen hatten zuvor in Kursen des Goethe-Instituts Deutsch gelernt, die weitaus meisten auf andere Weise.

Nicht alle müssen zur Sprachschule

Der Deutschtest ist seit 2007 auch für Eheleute vorgeschrieben – und hochumstritten, weil er das grundgesetzlich garantierte Recht auf Ehe und Familie an diese Bedingung knüpft. Die EU-Kommission und europäische Richter rügten Deutschland deshalb, die Kommission leitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Berlin ein. Dagegen stützte das Bundesverwaltungsgericht das Gesetz und schrieb lediglich 2012 eine Härtefallregelung zumindest für den Nachzug zu deutschen Ehepartnern vor. In einem Urteil der Leipziger Richter von 2010 rieten sie nur „zum schonenden Ausgleich“ zwischen dem privaten Interesse eines Paares, zusammenzuleben – das Artikel 6 des Grundgesetzes garantiert –, und dem „öffentlichen Interesse“. Dieses öffentliche Interesse wurde in der Neufassung des Gesetzes damit begründet, man wolle durch den Sprachtest Zwangsehen verhindern und den ausländischen Eheleuten die Integration in Deutschland erleichtern. Kritiker weisen darauf hin, dass dafür Lernen in Deutschland selbst effektiver wäre. Zudem ist der Test nicht für alle Paare Pflicht: Wer aus elf Ländern des reichen globalen Nordens kommt, die im Gesetz aufgeführt sind – etwa aus den USA, Japan oder Israel –, braucht nicht Deutsch zu können. In Brüssel und vor europäischen Richtern hatte Deutschland des Sprachtests wegen immer wieder Schlappen kassiert.

Erst Schreiben und Lesen lernen, dann Deutsch

2014 hatte das Auswärtige Amt erklärt, der Test werde Ehepartner nicht mehr auf Dauer am Zusammenleben hindern. Wer sich ein Jahr lang ernsthaft bemühe, Deutsch zu lernen, erhalte ein Einreisevisum, wenn feststehe, dass „dem ausländischen Ehegatten nicht zugemutet werden kann, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Sprachkenntnisse zu unternehmen“. Das Amt reagierte damit auf eine erneute Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof; das Verfahren hatte eine Analphabetin angestrengt.

Unzumutbarkeit und ernsthaftes Bemühen scheinen in der Praxis tatsächlich aber weiter sehr eng ausgelegt zu werden. So verlangt das Außenamt von den Eheleuten, sich auf das für den Test nötige Bildungsniveau erst einmal zu bringen. Es sei „grundsätzlich zumutbar, erst an einem Alphabetisierungsprogramm teilzunehmen und dann die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben“. Zur Frage, wie viel Zeit und welche Kosten den betroffenen Eheleuten zugemutet werden sollen, bleibt die Antwort vage: Es könne „ggf. auch ein Härtefall angenommen werden“, wenn die Bemühungen ums Deutsche trotz aller Anstrengungen mehr als ein Jahr dauerten. Was zumutbare Kosten seien, sei von Ehepaar zu Ehepaar verschieden, je nach deren wirtschaftlicher Lage.

Linke: Ehepaare werden sozial selektiert

In der Vergangenheit machten Migrantenorganisationen Fälle bekannt, dass Blinde nicht zu ihren Partnern nach Deutschland durften oder auch Eheleute, die Bürgerkriege in ihrem Land am Lernen hinderten. Die Integrationsfachfrau der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, nannte die Zahl von mehr als 12 000 Fällen amtlich verhinderten Ehelebens einen „menschenrechtlichen Skandal“. Deutschkenntnisse müssten auch „in Deutschland erworben werden können“, sagte sie dem Tagesspiegel. Der Regierung warf sie vor, das „Ziel einer sozialen Selektion beim Ehegattennachzug“ zu verfolgen.

Zur Startseite