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Nur knapp 60 Prozent wollten seinem Weg folgen. Olaf Scholz bei seiner Rede auf dem SPD-Parteitag.

© Emmanuele Contini/Imago

SPD-Parteitag in Berlin: Die K-Frage kehrt zurück

Olaf Scholz ist vom SPD-Parteitag mit einem schlechten Ergebnis abgestraft worden. Seine Niederlage könnte schwerwiegende Folgen haben.

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War was? Olaf Scholz jedenfalls lässt sich am Tag danach nichts anmerken. Konzentriert, kühl, sachlich – so erledigt der Hamburger Bürgermeister am Rednerpult des SPD-Parteitags seine Aufgabe als Chef der Antragskommission. Keiner soll auf die Idee kommen, dass er am Abend zuvor einen schweren Schlag hat einstecken müssen. Einen Schlag, der seine Ambitionen auf Höheres in der SPD zunichtemachen kann.

59,2 Prozent – mit dem schlechtesten Ergebnis aller sechs stellvertretenden SPD-Vorsitzenden haben ihn die rund 600 Delegierten am Donnerstagabend abgestraft. Sogar Ralf Stegner, der in der Partei umstrittene linke Flügelmann aus Schleswig-Holstein, schnitt besser ab. Dass Scholz in Hamburg seit 2011 regiert und Wahlergebnisse holt, von denen sie in anderen Teilen der Republik nur träumen – für die Basis spielt das offenbar keine Rolle.

Scholz gilt vielen als Parteirechter

Schon immer haben sich viele Genossen von außerhalb Hamburgs mit Scholz schwer getan. Der Jurist ist kein Politiker, der die Seele der Sozialdemokraten streichelt. Er gilt vielen als Parteirechter, seinen wirtschaftsfreundlichen Kurs sehen sie skeptisch. Fordert Scholz einen Mindestlohn von zwölf Euro, wird das vom linken Flügel als taktisches Manöver abgetan. Dazu kommt: Wenn der Hanseat seine komplizierten Analysen ausbreitet, gibt er manchen das Gefühl, er fühle sich als der Klügere.

Schlechte Wahlergebnisse auf SPD-Parteitagen sind für Scholz deshalb nichts Ungewohntes. Doch in diesem Herbst haben sich neue Spannungen aufgebaut zwischen dem stellvertretenden SPD- Vorsitzenden und großen Teilen seiner Partei. Das hat auch mit einem Satz zu tun, den Manuela Schwesig am Donnerstag auf dem Podium sagt: „Olaf Scholz hält sich bereit.“

Die amtierende Parteitagspräsidentin will zwar nur ankündigen, dass Scholz als Nächster auf ihrer Rednerliste steht. Doch mancher im Saal horcht auf. Denn der Satz trifft auch im übertragenen Sinn zu. Nach dem historischen Desaster bei der Bundestagswahl hat Scholz mit harten Analysen und ausdeutbaren Interviews die Debatte über die Führungsschwäche des angeschlagenen Vorsitzenden Martin Schulz kräftig befeuert. Manche in der SPD empfanden das als „unsolidarische Besserwisserei.“ Andere fragen sich: Wenn Scholz denn Schulz für keinen guten Parteichef hält – warum springt er dann nicht?

Schulz-Kritiker schneiden nicht gut ab

Manja Schüle zum Beispiel, die einzige direkt gewählte Bundestagsabgeordnete der SPD in den neuen Ländern. Die Brandenburgerin steht auf dem Flur vor dem Saal und soll erklären, warum die SPD einen ihrer Besten derart auflaufen lässt. Sie sagt: „Der Partei hat nicht gefallen, dass sie Analysen von verschiedenen Personen hören musste, die dann aber nicht deutlich sagten: Jetzt übernehmen wir.“

Das kann stimmen. Denn auch ein weiterer Schulz-Kritiker, der hessische Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel, erhält bei der Stellvertreter-Wahl ein mageres Ergebnis. Nur 78,3 Prozent – und das, obwohl der Chef der Hessen-SPD im September in eine Landtagswahl ziehen muss. Solidarität mit Wahlkämpfern sieht jedenfalls anders aus.

Der Umgang des Parteitags mit Scholz könnte Folgen für die Sozialdemokratie haben, über die sich viele Delegierte womöglich keine Gedanken gemacht haben. Denn das 59-Prozent-Ergebnis macht eine Kanzlerkandidatur von Scholz nahezu unmöglich. Wer so wenig Rückendeckung in der eigenen Partei erhält, komme als Spitzenkandidat im Fall von Neuwahlen nicht infrage, sagen manche am Rande des Parteitags. Selbst Scholz-Fans räumen ein, dass ihr Favorit geschwächt ist.

Möglicherweise muss schnell ein Kanzlerkandidat her

Das wiederum könnte die Verhandlungsposition in den anstehenden Gesprächen der SPD mit der Union schwächen. Wenn die Sozialdemokraten völlig ergebnisoffen verhandeln wollen und damit Neuwahlen zur echten Option erklären, müssen sie im Ernstfall auch dafür gerüstet sein und schnell einen Kanzlerkandidaten nominieren können. Vor dem Parteitag galt Scholz als aussichtsreicher Anwärter für die Aufgabe, Angela Merkel zu stellen. Jetzt stellt sich die Frage: Wenn nicht Scholz – wer dann?

Es gibt in der Berliner Parteitagshalle am Charlottenburger Messedamm am Freitag kaum einen, der auf diese Frage eine plausible Antwort geben kann. Zitieren lassen mag sich ohnehin niemand. Aber viele treibt das Thema um. Für Andrea Nahles, die kämpferische Fraktionschefin, käme eine Spitzenkandidatur wohl zu früh. Das gilt auch für die neue Ministerpräsidentin von Mecklenburg- Vorpommern, Manuela Schwesig. Die Königin der Herzen in der SPD, Malu Dreyer, lässt keine Berliner Ambitionen erkennen.

Als Vorsitzender hat er das Recht des ersten Zugriffs

Und plötzlich fällt wieder der Name Martin Schulz. Ein zweiter Versuch für den Wahlverlierer vom 24. September? Das galt vor dem Parteitag noch als schwer vorstellbar. Eingeweihte versichern: Mehrere Mitglieder der engeren Parteiführung haben Schulz klargemacht, dass sie eine erneute Kanzlerkandidatur nicht mittragen würden.

Nun aber, da Schulz mit achtbaren 82 Prozent als Parteivorsitzender bestätigt ist, könnte er ein besseres Blatt in der Hand haben. Formal hat er als Vorsitzender ohnehin das Recht des ersten Zugriffs auf die Kandidatur. Ob er sich im Ernstfall traut, es wahrzunehmen, hängt vor allem von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ab. Vor allem ihm hat es Schulz zu verdanken, dass er noch im Amt ist. Das Haus Hannover in der SPD gilt inzwischen als seine Schutzmacht. Ob die starke Niedersachsen-SPD aber auch eine zweite Kanzlerkandidatur mittragen würde, ist fraglich.

Mit einer flammenden Rede bringt er den Saal zum Jubeln

Schulz selbst wirkt am Tag nach seiner Wiederwahl wie ausgewechselt. In einer flammenden Rede verteidigt er seine Forderung nach Vereinigten Staaten von Europa – und bringt den Saal zum Jubeln. Man kann den Auftritt auch als Demonstration verstehen: Seht her, ich kann es noch.

War was? Draußen auf dem Gang sagt Olaf Scholz zu seinem miserablen Abschneiden vom Donnerstag nur so viel: „Das Wahlergebnis ist kein Beinbruch. Ich weiß, dass es meist nicht populär macht, erforderliche Debatten anzustoßen. Es ist aber nötig.“ Er freue sich über seine Wahl. Nach Aufgeben klingt das nicht.

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