zum Hauptinhalt
Guck mal, wer da winkt... Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) inmitten einer Sondierungsrunde am Mittwoch in Berlin.

© Michael Kappeler/dpa

Update

Sondierungsgespräche: "Wir nehmen uns ernst, hören uns zu"

Sozusagen zum Vorspiel haben sich am Mittwoch Unionspolitiker in Berlin mit der FDP und den Grünen getroffen. Der Ton ist freundlich - vorerst.

Von

So richtig kompliziert scheint „Jamaika“ ja nicht zu werden, wenn die Generalsekretäre die Zeit finden, sich detailreich mit der Tropeninsel zu befassen. „Von Berlin nach Kingston sind es 8500 Kilometer“, weiß FDP-Generalin Nicola Beer. „Der Black River ist der längste Fluss“, vermerkt CSU-Mann Andreas Scheuer. Das eine soll so viel heißen wie: Bis die Liberalen mit CDU, CSU und Grünen zusammenkommen, ist noch ein weiter Weg. Das andere soll sagen: Wir sind die Größten. Nur Angela Merkels General Peter Tauber bleibt ganz der Heimat verbunden: „Am Ende soll eine gute Regierung für unser Land stehen.“

Dafür ist am Mittwoch zumindest schon mal der Anfang gemacht. In der Parlamentarischen Gesellschaft begann am Vormittag der Reigen der Sondierungsrunden – erst CDU und CSU einerseits und FDP andererseits in getrennten Vorgesprächen, dann gut zwei Stunden lang ein erstes Abtasten zu dritt. Anschließend fielen Begriffe wie „konstruktiv“, „sachlich“, „lösungsorientiert“, was kein Wunder ist, weil es beim ersten Treffen nie gleich zur Sache geht.

Es ging da mehr um Atmosphärisches, auch um Gelegenheit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass man nun also wirklich womöglich vier Jahre zusammen regieren will. Im Vorfeld war der Ton schließlich hier und da noch giftig.

Doch am Mittwoch sprach selbst der sonst keiner Attacke abgeneigte Scheuer in der bildreichen Sprache des christsozialen Barockstils: „Wir haben jetzt das Visier des Wahlkampfes aufgeklappt.“ In der Runde wurden Flüchtlingspolitik, Steuer- und Energiefragen sowie Europa als wichtige Themen vermerkt, aber, so berichten Teilnehmer, noch nicht vertieft. Offen blieb selbst die Frage, ob man erst die vermutlich einfacheren Themen angehen will oder gleich die Knackpunkte.

Einig waren sich alle, dass am Ende der Sondierung belastbare, konkrete Eckpunkte einer Koalition stehen sollen. Zeitpläne werden erst am Freitag festgelegt, wenn die „Jamaika“-Parteien erstmals zu Viert und im Kreis der großen Sondierungskommissionen, also mit einem guten halben Hundert Personen zusammenkommen. Allen wäre es recht, wenn sich die Regierungsbildung nicht über Weihnachten hinzieht. Aber gerade Union und FDP haben aus der letzten gemeinsamen Regierung bitter gelernt, wie selbstzerstörerisch es sein kann, Konflikte nicht eindeutig auszuverhandeln.

Kubicki soll Parlamentsvize werden

Am späteren Nachmittag traf sich Union und Grüne erstmals zu bilateralen Gesprächen. In dem rund dreistündigen Gespräch hätten die Grünen die Themen Klimaschutz, Landwirtschaft und Soziales angesprochen, hieß es. Ernsthaft verhandelt worden sei aber auch in dieser Runde noch nichts.

CDU-General Tauber schlug danach versöhnliche Töne an: „Wir nehmen uns ernst, ringen miteinander, hören uns zu.“ Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte, er komme gerade „gestählt aus zwei Elternabenden in den letzten Wochen“. Da sei das Treffen mit der Union ein „gutes Gespräch“ gewesen. Auch sein CSU-Kollege Scheuer betonte, die Atmosphäre sei „okay“ gewesen und „die Marschrichtung“ stimme. Zugleich stellte er noch „diverse Abstände in der Auffassung“ fest.

Speziell die CSU tut sich noch etwas schwer mit dem neuen potenziellen Partner, weshalb aufmerksam verbucht wurde, dass CSU-Chef Horst Seehofer schon am Dienstag Abend in der Grünen-Zentrale gesichtet wurde. Der Besuch war eine Premiere, und Grünen-Unterhändler Jürgen Trittin merkte anderntags ironisch an, so „ein kleiner Kulturschock“ sei für den Bayern vielleicht gar nicht schlecht, weil er ja auch zeige: „Wir schrecken vor nichts zurück.“

Doch Seehofer hat sich nicht nur mit den Grünen-Verhandlungsführern Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir eineinhalb Stunden lang unterhalten, sondern am nächsten Morgen im Hans-Dietrich-Genscher- Haus auch mit FDP-Chef Christian Lindner gefrühstückt – beides, sagt der CSU-Chef, Antrittsgespräche „aus gutem Anstand“ und mehr nicht.

Überhaupt sollte man in diesen Tagen vorsichtig sein damit, allzu schnell Rückschlüsse zu ziehen. Am Nachmittag macht eine vermeintliche Sensation die Runde: Wolfgang Kubicki soll Bundestagsvizepräsident werden! Kubicki? Der Mann, der noch vor ein paar Tagen erklärt hatte, ob er den FDP-Fraktionschef mache und Lindner den Finanzminister oder umkehrt, das sei ihm egal? Der soll ins politische Ehren-Austragshäusel?

Die Sache ist aber einfacher. Tatsächlich wird die FDP den Schleswig-Holsteiner als ihren Vize-Kandidaten benennen. Aber das ist nur als Parkposition gedacht, dem Umstand geschuldet, dass in der frischbackenen Fraktion erfahrene Parlamentarier relativ rar sind. Und schließlich kann Christian Lindner ja nicht alles alleine machen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false