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Der russische Außenminister Sergej Lawrow am Montag während seiner Jahrespressekonferenz.

© dpa

Sergej Lawrows Jahrespressekonferenz: Der Mann mit dem Pokerface

Außenminister Lawrow präsentiert Russland als Verteidiger des UN-Systems – und einer multipolaren Weltordnung. Nichts kann ihn dabei irritieren.

Nicht einmal die Frage einer amerikanischen Journalistin, ob er die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten bedauere und nicht doch Hillary Clinton eine bessere Kandidatin für das Weiße Haus gewesen wäre, kann den russischen Außenminister aus der Reserve locken. „Wissen Sie, Diplomatie bedauert nichts“, sagt Sergej Lawrow ohne eine Miene zu verziehen. „Wir tun alles dafür, um russische Interessen unter den derzeitigen Bedingungen durchzusetzen.“ Sein gut trainiertes Pokerface hält zweieinhalb Stunden lang.

So lange dauert Lawrows Jahrespressekonferenz, die das Moskauer Außenministerium traditionell nach Ende der Neujahrsfeiertage abhält. Im Mittelpunkt steht der Nahe Osten. Es ist die Region, in der Russland seit einiger Zeit besonders großes außenpolitisches Engagement zeigt. Nach der durchwachsenen Bilanz des Arabischen Frühlings und dem IS-Terror wirkt die russische Unterstützung der alten Machthaber im Rückblick für viele wie eine vernünftige Alternative – vor allem angesichts der aktuellen US-Politik.

Moskau bringt derzeit etwas ein, das Washington vermissen lässt: eine klar an nationalen Interessen ausgerichtete Strategie, Berechenbarkeit und Konsequenz. Das ist an der Militärintervention in Syrien zu sehen, wo Russland Machthaber Baschar al Assad durch Bomben stabilisierte; im von Russland maßgeblich vorangetriebenen Atomdeal mit dem Iran, den Lawrow keinesfalls wieder aufschnüren möchte; aber auch in Libyen und in Afghanistan. Auch auf der koreanischen Halbinsel tritt Russland als Friedensstifter auf.

Moskau will Gegenpole aufbauen

Ob die russische Vermittlung zu tragfähigen Lösungen führt, wird sich erst erweisen. Dass in Syrien die Erfolge von 2017 auf wackligen Beinen stehen, wurde zuletzt wieder durch die Angriffe auf die russische Militärbasis dort bewusst. Moskau verlangt selbstbewusster Mitsprache bei der Lösung von Konflikten. Das Land präsentiert sich als Verteidiger des UN-Systems und als Verfechter einer „multipolaren Weltordnung“, wie auch Lawrow mehrmals herausstellte. Bei aufstrebenden Mächten wie China und Indien trifft das auf offene Ohren, doch in der Realität ist die Kooperation noch schwierig.

Die russische Luftwaffe hat das Assad-Regime in Syrien stabilisiert. Doch Angriffe auf die Basis Hmeimim in jüngster Zeit zeigen, wie instabil die Situation ist.
Die russische Luftwaffe hat das Assad-Regime in Syrien stabilisiert. Doch Angriffe auf die Basis Hmeimim in jüngster Zeit zeigen, wie instabil die Situation ist.

© Pavel Golovkin/dpa

Mit eigenen Regionalorganisationen wie der Eurasischen Wirtschaftsunion, der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit und den Brics oder durch die Kooperation mit den Asean-Staaten will Moskau Gegenpole zum Westen schaffen. „Schmerzhaft“, aber unaufhaltsam sei der Bedeutungsverlust des Westens, konstatiert der Außenminister während seiner Pressekonferenz, und er bezichtigt vor allem die USA, mit ungerechter Sanktionspolitik auf die steigende geopolitische Konkurrenz zu antworten. Dass der von Moskau gewünschte „gleichwertige Dialog“ vor allem ein Dialog zwischen zwei Supermächten sein soll, verschweigt Lawrow.

Ebenso wie die eigenen Schwierigkeiten mit dem UN-System. Nirgendwo wird das deutlicher als in der Ukraine, die für Moskau in den Hintergrund getreten ist. „Wir akzeptieren die territoriale Integrität der Ukraine in ihren jetzigen Grenzen nach dem Krim-Referendum“, verdeutlicht Lawrow einmal mehr den russischen Standpunkt. Kein Wort über die Verurteilung der Krim-Annexion durch die UN-Vollversammlung. Beim Thema Ukraine legt der Außenminister seinen Diplomatenstatus ab und verlässt sich auf die bekannte russische Rhetorik: Putsch, Xenophobie, Russophobie.

Im Donbass setzt Moskau auf Gespräche. Lawrow wiederholt die vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko ins Spiel gebrachte und kürzlich vom russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgenommene Idee von Blauhelmen. Moskau wünscht sie sich zur Bewachung der OSZE-Beobachter. Immerhin deutet das an, dass diese im gesamten Konfliktgebiet eingesetzt werden soll – nicht nur entlang der Kontaktlinie. Jutta Sommerbauer

Jutta Sommerbauer

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