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Seine Sprache, seine Haare, seine Haltung - Trump ist in kürzester Zeit zu einer Weltchiffre geworden.

© AFP

Sechs Monate US-Präsident: Donald Trump ist längst eine Ikone

Vor einem halben Jahr zog Donald Trump ins Weiße Haus ein. Sein politischer Einfluss ist vielleicht begrenzt, sein kultureller nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Die Welt steht noch. Sechs Monate ist es her, dass Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wurde. Angesichts der Panik, die zu Beginn seiner Amtszeit herrschte, erscheint das fast wie ein Wunder. Ein Mann reicht nicht, um die Welt aus den Fugen zu heben. Doch während Trumps realer Einfluss auf den Weltenlauf bislang überschaubar ist, ist er dennoch schon jetzt eine Ikone. Er hat sich in die politische Kultur eingeschrieben wie kein zweiter vor ihm.

Trump ist zu einer regelrecht cartoonhaften Ikone des Bösen, des Versagens der westlichen Demokratie geworden. Seine simple Sprache, die jeder imitieren kann („bad, very bad“, „incredible“, „great“), sein missglückter „covfefe“-Tweet, seine vom „Time“-Magazine auf eine gelbe Tolle reduzierte Frisur sind Teil der politischen Popkultur geworden. Sie haben einen hohen Wiedererkennungswert und ein hohes Identifikationspotenzial im Negativen. Der Rest der Welt kuschelt, vereint in wohliger Ablehnung. Sogar die EU kriegt wieder Schwung! Sogar China darf jetzt mal zu den Guten gehören!

Die Diskrepanz zwischen realer Wirkung und Befürchtung, zwischen Effekt und Zuschreibung verstärkt den Anschein des Fiktionalen. Trump wird keine Mauer bauen. Er wird Barack Obamas Gesundheitsreform voraussichtlich nicht zurückdrehen können. Sein gegen Menschen aus muslimischen Ländern gerichtetes Einreiseverbot liegt beim Höchsten Gericht. Ein bedeutendes Handelsabkommen, TPP, hat er tatsächlich gekündigt, das North Atlantic Free Trade Agreement aber wird nur nachverhandelt. Strafzölle auf Einfuhren gibt es bislang nicht.

Je weniger Trump umsetzt, desto irrealer wirkt er

Trump will das Pariser Klimaabkommen kündigen, doch gegen die große Geste steht die Praxis vieler US-Bundesstaaten, die längst auf neue Energien setzen und diesen Weg weitergehen werden. Trump hat sich zur Nato bekannt, US-Truppen bleiben, wo sie sind. Seine Nahost-Politik gilt Kennern als gefährlich, vielleicht hat sie zur Verschärfung der Streitigkeiten zwischen Saudi-Arabien und Katar beigetragen. Jetzt liegt der Konflikt auf Eis. Im zähen Ringen mit dem Kongress, seinen Beratern, der Justiz und den Medien ist die Trump-Apokalypse bislang abgewendet worden.

Je weniger Trump von seinem Programm umsetzen kann, desto irrealer wirkt er, desto lauter traut man sich, über das Groteske an ihm zu lachen. Guck mal, wie er Brigitte Macron angräbt! Hast du das neueste Video gesehen? Trump unterhält uns wie kein Staatschef mehr, seit Kim Jong Uns Atombomben-Pläne selbst der „Bild“ zu konkret für Witze über das nordkoreanische Absurdistan geworden sind. Wir trösten uns mit Trump über Trump hinweg.

Die eigentliche Katastrophe wird dabei ausgeblendet: Das politische System der USA hegt den Mann zwar ein, war aber kaputt genug, ihn an die Macht zu bringen – und ist es noch immer. Seine Umfragewerte sinken, doch noch immer unterstützen ihn 36 Prozent der Amerikaner. Die Selbstentlarvung erreicht sie nicht. Vielleicht sind sie für immer verloren in jener Sphäre zwischen Realität und Fiktion, die Trumps Heimat ist. Diese Sphäre dehnen auch seine Gegner aus, je stärker sie ihn stilisieren.

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