zum Hauptinhalt
Das Ziel ist Oxford, so viel steht fest. Aber wer wohnt mit wem in den Gastfamilien? Darum gibt es Streit.

© picture alliance / dpa

Schwuler Schüler auf Klassenfahrt: Ist die Geschlechtertrennung diskriminierend?

Ein homosexueller Schüler möchte bei der Klassenfahrt mit Mädchen untergebracht werden. Alle finden das gut, der Schulleiter nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Ist es diskriminierend, wenn ein homosexueller Schüler wie ein heterosexueller behandelt wird?

Ein 15-Jähriger aus Greifswald findet „ja“ und hat eine Online-Petition gestartet. Titel: „Diskriminierung auf Klassenfahrten stoppen!“ Es ist eine Petition in eigener Sache, ausgelöst durch eine anstehende Klassenfahrt nach Oxford mit Unterbringung in Gastfamilien. Der Junge, der sich als homosexuell geoutet hat, möchte in derselben Familie untergebracht werden wie seine besten Freundinnen. Deren Familien, seine Eltern sowieso und auch die Vermittlungsagentur waren dem Petitionstext nach damit einverstanden. Der Schulleiter jedoch nicht. Jungs werden mit Jungs untergebracht und Mädchen mit Mädchen und Ende der Debatte.

Das findet der Junge diskriminierend. Es sei an der Zeit, diese Art des Denkens aufzugeben und – zumindest beim Vorliegen elterlicher Einverständniserklärungen – flexibler zu sein. Hat er recht?

Jeder mit jedem im Zimmer, vereint nach Sympathie statt nach Geschlechtsmerkmalen: eine revolutionäre Idee – wobei es ja ohnehin ein Witz ist zu meinen, man verhindere, was man zu verhindern wünscht, durch nächtliche Trennung. Aber zu revolutionär, um damit ausgerechnet in der Schule anzufangen, wo Lehrpersonal auf Klassenfahrten die Verantwortung übertragen bekommt und sich überfordert fühlen dürfte – allein schon was die Frage angeht, wer noch in welchem Zimmer nachschauen darf, wie es dort zugeht. Lehrer oder Lehrerin? Aus praktischen Gründen muss man wohl sagen: nicht realisierbar. Aber ist Praktikabilität der richtige Ansatz, wenn es um das Grundrecht auf Nicht-Diskriminierung geht?

"Warum darf jeder mit seinen Freunden in ein Zimmer, außer ich?"

Dass der Junge im Mädchen-Gasthaus unterkommt, wäre höchstens möglich, wenn er von den anderen Jungs gemobbt würde, sagt laut Petition der Schuldirektor. Dann wäre er ein richtiges Diskriminierungsopfer und müsste entsprechend geschützt werden. Doch würde diese Lösung nicht mit Blick auf die Mobber-Täter ein höchst fragwürdiges Signal senden? Motto: Ihr möchtet jemanden nicht in eurer Mitte haben, was ihr ihm durch gemeines und asoziales Verhalten vermittelt, also entsprechen wir eurem Begehr und entfernen ihn? Wäre das nicht die Bestätigung der Diskriminierung mit Mitteln des Diskriminierungsschutzes?

Nennenswertes Mobbing scheint es aber in diesem Fall auch gar nicht zu geben. Einige Jungs hätten sich nach seinem Outing zurückgezogen, schreibt der Junge, und er verstehe sich mit Mädchen besser. Seine Frage ist: „Warum darf jeder mit seinen Freunden in ein Zimmer, außer ich?“

Das nun wieder ist eine Frage, die sicher viele Schülerinnen und Schüler, heute oder in früheren Jahren, mal gequält hat. Es ist wenig grässlicher, als wenn alle Glück haben mit ihren Zimmergenossen – und man selbst mit den uncoolen Langweilern zusammengesteckt wird. Bisher wurden zu diesen Schicksalen keine Online-Petitionen gestartet und Ministerien angefragt, wie ein schneller Blick ins Internet ergab. Bisher wurde das irgendwie überstanden. Vielleicht klappt das auch diesmal?

Zur Startseite