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Alltag in Saudi-Arabien.

© Michael Kappeler/dpa

Saudi-Arabien: Fast wie bei Friedrich dem Großen

Mit von oben verordnetem Fortschritt soll das vom Islamismus beherrschte Saudi-Arabien stark und reich werden. Der Reformwille erinnert ein wenig an den aufgeklärten Absolutismus.

Von Hans Monath

Es war das Wesen des aufgeklärten Absolutismus, dass uneingeschränkt waltende Potentaten die damals aufregendsten philosophischen Ideen und die fortschrittlichsten Produktionsmethoden in ihr Land holten, ohne ihre Untertanen jemals nach ihrer Meinung zu fragen. Das schuf seltsame Parallelen: Während Friedrich II. mit seinem Freund Voltaire über Religions- und Meinungsfreiheit parlierte und das rückständige Agrarland Preußen radikal reformierte, galt in seinem Königreich weiter die Leibeigenschaft, und straffällige Soldaten wurden beim Spießrutenlauf zu Tode gehetzt.

Ein bisschen erinnert der neue Reformwillen des Königreichs Saudi-Arabien an den aufgeklärten Absolutismus: Eine Herrscherfamilie, die als Hüter der heiligen Stätten über religiöse Legitimation verfügt, verordnet einem Land einen radikalen Aufbruch in die wirtschaftliche Moderne, in dem Körperstrafen wegen geringer Vergehen vollzogen werden und Frauen nicht Auto fahren dürfen.

Repression und Moderne

In kurzer Zeit soll der größte Erdölexporteur der Welt unabhängig von Rohstoffeinnahmen werden. Dabei setzt das Königshaus auf eine Bildungsoffensive und auf einen engen Austausch mit der Welt – und gibt wenige Jahre, nachdem Frauen das Geldverdienen erlaubt wurde, Steigerungsquoten für die Erwerbstätigkeit seiner Bürgerinnen vor.

Zwar zeigt das Beispiel China, dass wirtschaftliche Modernisierung und eine enge Verflechtung mit der Welt entgegen manchen früheren westlichen Hoffnungen nicht automatisch den Raum politischer Freiheiten erweitern: Auch eine repressive Herrschaft kann sich modernster Techniken bedienen.

Trotzdem ist es schwer vorstellbar, dass der Wandel Saudi- Arabiens hin zu einer international konkurrenzfähigen Nationalökonomie, der das erklärte Ziel der „Vision 2030“ ist, nicht die politischen Ansprüche und das Selbstbewusstsein jener saudischen Bürger steigert, die von der Welt lernen und sich künftig durch eigene Leistung und nicht nur durch ihre Ölmilliarden in ihr behaupten sollen.

Kurzfristig nutzt es wenig

In einem Herrschaftssystem, das auf dem Bündnis des Königshauses mit dem radikalislamischen Wahabismus beruht, muss ein Reformprojekt zur Öffnung des Landes und zur Förderung von Frauen den Widerstand konservativer Kräfte und Religionsführer provozieren. Auch die Entscheidung zur Aufgabe der König-Fahd-Akademien in Bonn und Berlin, die den Ernst des Reformwillens im Verhältnis zu Deutschland zeigen soll, dürfte in Riad nicht ohne Widerstand durchgesetzt worden sein.

Was alles hilft das nun der Symbolfigur saudischer Menschenrechtsverletzungen, dem Blogger Raif Badawi, dem im Gefängnis weiter die Prügelstrafe droht? Vermutlich wenig. Aber alle Erfahrung lehrt, dass eine aus einem Land selbst gesteuerte Entwicklung Politik und Gesellschaft wirksamer verändert als jede Kritik und jeder Einfluss von außen. Nur so lassen sich die Entwicklungsunterschiede zwischen ostasiatischen einerseits, arabischen und afrikanischen Nationen andererseits erklären.

Den Prototyp des aufgeklärten Absolutisten, Friedrich II., sollten die Saudis genauer studieren. In den ersten Tagen seiner Herrschaft verbot er die Folter und verkündete die Freizügigkeit der Religion.

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