zum Hauptinhalt
Im Gespräch: Russland, Deutschland und die Nato.

© pa/dpa (2), AFP; Montage: Thomas Mika

Russland, Deutschland und Nato: Der Westen sucht wieder das Gespräch mit Moskau

Am heutigen Mittwoch tagt in Brüssel der Nato-Russland-Rat, am Donnerstag treffen sich Deutsche und Russen zum Petersburger Dialog. Worum geht es bei diesen Treffen?

Das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen ist so belastet wie nie seit dem Ende der Sowjetunion – der Ukraine-Krieg hat die Beziehungen erschüttert. In dieser Woche gibt es jedoch Versuche, mit Moskau wieder ins Gespräch zu kommen. In Brüssel tagt an diesem Mittwoch der Nato-Russland-Rat; in St. Petersburg kommen am Donnerstag und Freitag etwa 300 Deutsche und Russen zum Petersburger Dialog zusammen.

Worum geht es im Nato-Russland-Rat?

Im Mittelpunkt der Gespräche werden die Beschlüsse des Warschauer Nato-Gipfels stehen. Das transatlantische Bündnis hatte sich darauf verständigt, je 1000 Soldaten in Polen, Estland, Lettland und Litauen zu stationieren. Moskau kritisierte dies scharf und warf der Nato eine „Dämonisierung“ Russlands vor. Der Kreml will nun mehr Soldaten an der Westgrenze stationieren.

Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums kündigte an, dass bei dem Treffen am Mittwoch auch über eine Initiative Finnlands zur Vermeidung von militärischen Zwischenfällen über der Ostsee gesprochen werden soll. Der finnische Präsident Sauli Niinistö hatte bei einem Treffen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin gefordert, dass Militärflugzeuge nur mit eingeschaltetem Transponder über der Ostsee fliegen sollten.

Nato-Staaten haben Russland mehrfach vorgeworfen, dass bei Flügen von Kampfjets über der Ostsee die Transponder ausgeschaltet würden, so dass sie auf Radarschirmen zunächst nicht zu sehen sind. Putin gab dies bei dem Besuch in Finnland zu, betonte aber zugleich, die Nato-Flugzeuge täten das viel häufiger. Weitere Themen im Nato-Russland-Rat sind der Krieg in der Ostukraine, die Lage in Afghanistan und der Terrorismus.

Welche Bedeutung hat das Treffen der Nato-Botschafter mit Moskaus Vertretern?

Der Termin ist erst das zweite Treffen des Nato-Russland-Rates seit dem Beginn des Ukraine-Krieges. Nach der Annexion der Krim und der russischen Militärintervention im Donbass hatte die Nato die Zusammenarbeit mit Russland ausgesetzt, aber zugleich betont, dass politische Kommunikationskanäle offen bleiben müssten.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sieht in dem Treffen ein wichtiges Signal. „Das ist eine Chance, in aller Transparenz die Entscheidungen von Warschau zu erläutern und dann auch wieder einen ernsthaften und kontinuierlichen Dialog mit Russland hinzubekommen.“ Steinmeier hatte sich dafür stark gemacht, das Gremium wieder einzuberufen.

Erstmals seit dem Beginn der Ukraine-Krise waren die Botschafter der Nato-Staaten und Russlands im April in Brüssel wieder zusammengekommen. Steinmeiers Warnung vor „Säbelrasseln“ und „Kriegsgeheul“ gegenüber Russland hatte bei einigen Nato-Verbündeten kurz vor dem Warschauer Gipfel Irritationen ausgelöst. Der deutsche Außenminister plädiert seit langem dafür, den Dialog mit Russland stärker in den Vordergrund zu rücken.

Worum geht es beim Petersburger Dialog?

Das deutsch-russische Gesprächsforum, das vor 15 Jahren von Putin und dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gegründet wurde, tagt am Donnerstag und Freitag in St. Petersburg. Zum ersten Mal seit vier Jahren findet das Treffen wieder in Russland statt. Ein 2014 in Sotschi geplantes Treffen war in letzter Minute wegen der russischen Rolle im Ukraine-Krieg und einer innerdeutschen Reformdebatte abgesagt worden. In diesem Jahr wird mit 300 Gästen ein Teilnehmerrekord erreicht. „Wir konnten uns vor Anmeldungen gar nicht retten“, sagt der frühere Kanzleramtschef und heutige Bahn-Vorstand Ronald Pofalla (CDU), der den Petersburger Dialog auf deutscher Seite leitet. Aus Deutschland sind auch acht Bundestagsabgeordnete dabei.

In zehn Arbeitsgruppen diskutieren Deutsche und Russen über Lehren aus der Flüchtlingskrise, über ökologische Modernisierung oder den Wiederaufbau archäologischer Stätten in Syrien. Hauptredner von deutscher Seite ist Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Zuvor hatten EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) abgesagt. Dem Vernehmen nach wollte Lammert nicht mit dem Duma-Präsidenten Sergej Naryschkin auftreten, einem Putin-Vertrauten, der wegen der Unterstützung der Krim-Annexion auf der Sanktionsliste der EU steht.

Kommen in dem Gespräch zwischen Deutschen und Russen auch die heiklen Themen auf den Tisch?

„Das Verhältnis zwischen Russland und Deutschland ist so schwierig wie seit Jahrzehnten nicht mehr“, sagt Pofalla. Als Gründe nennt der Vorsitzende des Petersburger Dialogs ausdrücklich die „völkerrechtswidrige Annexion der Krim“, den Krieg in der Ostukraine und die „Diskriminierung der Nichtregierungsorganisationen als ausländische Agenten“. Die von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland sind aus Pofallas Sicht wichtig. Zugleich mahnte er vor dem Beginn des Treffens in St. Petersburg, im Ukraine-Konflikt Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln: „Die Aggressionen sind einseitig von Russland ausgegangen.“ Moskau müsse nun Veränderungen in dem Konflikt herbeiführen: „Die russische Seite hat es in der Hand, dass die Waffen endgültig schweigen.“

Dieses Thema sucht man allerdings auf der Tagesordnung des Petersburger Dialogs vergeblich. Pofalla betonte jedoch, dass die Ukraine in seiner Rede zum Auftakt der Veranstaltung eine „wichtige Rolle“ spielen werde. In Potsdam war es nach deutlichen Worten von deutscher Seite beinahe zum Eklat gekommen.

Welche Rolle spielt die innenpolitische Lage in Russland bei dem Treffen?

Der Petersburger Dialog soll die Zivilgesellschaften beider Länder miteinander ins Gespräch bringen. Doch russische Nichtregierungsorganisationen sind derzeit gezwungen, sich als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen, sofern sie finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten. „Die Lage für Nichtregierungsorganisationen in Russland ist schlecht“, sagt Pofalla. Vor dem Auftakt des Petersburger Dialogs wolle die Arbeitsgruppe Zivilgesellschaft daher ein „Haus der NGOs“ in St. Petersburg besuchen, sagte Pofalla noch am vergangenen Donnerstag vor Journalisten. Mehrere der dort vertretenen Organisationen seien als „ausländische Agenten“ registriert. Auch Pofalla selbst wollte dabei sein.

Doch Bilder von einem solchen demonstrativen Besuch wird es nun doch nicht geben: Die russischen Organisatoren des Petersburger Dialogs haben den Auswärtstermin mittlerweile abgesagt – offenbar unter Verweis auf die vielen Staus in St. Petersburg. Nun soll es lediglich ein Gespräch im Hotel der deutschen Delegation geben. Die Begegnung ist auch als Zeichen der Unterstützung für russische Nichtregierungsorganisationen gedacht.

Wie schwierig die Arbeit für eine solche Organisation sein kann, erlebt derzeit die Bürgerrechtlerin Walentina Tscherewatenko. Gegen die Vorsitzende der „Frauen vom Don“ läuft in Russland ein Strafverfahren – das erste überhaupt im Zusammenhang mit dem Agentengesetz. Ihr wird vorgeworfen, in betrügerischer Weise die Organisation nicht als „ausländische Agentin“ registriert zu haben. Im Fall einer Verurteilung drohen ihr bis zu zwei Jahre Haft. Das Vorgehen der Behörden gegen sie habe sich verschärft, nachdem ihre Organisation ein Projekt zur zivilen Kontrolle der Umsetzung des Minsker Friedensabkommens auf den Weg gebracht hatte, sagte Tscherewatenko einem Medienbericht zufolge.

Die Arbeitsgruppe Zivilgesellschaft des Petersburger Dialogs hat eine bisher unveröffentlichte Erklärung verfasst, in der Besorgnis über das Vorgehen gegen die Bürgerrechtlerin zum Ausdruck gebracht wird. Ob in St Petersburg eine solche Erklärung verabschiedet und dann auch öffentlich gemacht wird, blieb zunächst unklar. Dabei ist Walentina Tscherewatenko für viele Teilnehmer des Petersburger Dialogs keine Unbekannte: Bei der Tagung in Potsdam im vergangenen Jahr saß sie mit am Tisch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false