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Auf der Flucht vor Gewalt und Verfolgung in Myanmar stranden diese völlig erschöpften Rohingya an der Küste des Nachbarlandes Bangladesch.

© Reuters

Rohingya-Volk in Myanmar: Rechtlos und ausgegrenzt

Die Stigmatisierung der muslimischen Rohingya in Myanmar durch die buddhistische Bevölkerungsmehrheit hat historische Gründe - und zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten.

Völlig erschöpft muss die Frau von Helfern ans Land gebracht werden. Sie ist aus Myanmar nach Bangladesch geflüchtet. Das Bild zeigt auch den kleinen Kahn, auf dem sie und Dutzende andere Rohingya sich über den Golf von Bengalen gerettet haben. Im Hintergrund, an der Küste Myanmars, steigen dunkle Rauchschwaden in den Himmel. Sie lassen erahnen, wovor die Menschen zu Tausenden fliehen – Krieg, Verfolgung, Verzweiflung.

Am Montag hatten die Vereinten Nationen eine offizielle Stellungnahme zur Lage in Myanmar veröffentlicht. Die Verfolgung der Rohingya sehe aus wie „ein Paradebeispiel für ethnische Säuberungen“, sagte Seid al Hussein, UN-Kommissar für Menschenrechte in Genf. Etwa 370 000 Rohingya sind laut UN seit dem Wiederaufflammen der Konflikte Ende August ins Nachbarland Bangladesch geflohen, hunderte ums Leben gekommen.

Die Ausgrenzung der Rohingya in Myanmar, insbesondere im Rakhaing-Staat, geht bis in die Kolonialzeit zurück. „Bevor Großbritannien die Grenzen festgelegt hatte, lebten wechselnde Bevölkerungsgruppen in der Region, auch viele Einwanderer aus Bengalen“, sagt Dagmar Hellmann-Rajanayagam, Südostasienwissenschaftlerin an der Uni Passau. Durch Grenzziehungen seien Muslime in das mehrheitlich buddhistische Birma, heute Myanmar, integriert worden. Nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1948 blieb ihnen die Staatsangehörigkeit als ethnische Gruppe verwehrt, obwohl sie seit Langem im Land lebten. Seither gilt die ethnische Gruppe – der Begriff Rohingya taucht laut Historikern erstmals in den 60er Jahren auf – als staatenlos, inklusive aller politischen Konsequenzen.

Zusätzlich habe die britische Kolonialherrschaft im Rakhaing die Buddhisten um ihre Privilegien gebracht, während sich der Anteil der muslimischen Rohingya vermehrte. „Seither gibt es dort eine Konkurrenz zwischen den Gruppen, etwa um den Zugang zu Ressourcen“, sagt Hellmann-Rajanayagam. „Das hat die Meinung verstärkt, dass die Rohingya nicht zur Bevölkerung gehören.“ Die Stigmatisierung der Rohingya ist über Jahre angewachsen. Im Jahr 1982 wurde ein noch restriktiveres Staatsbürgerschaftsgesetz erlassen, welches den Rohingya jegliche Bürgerrechte abspricht.

Am Tag nach dem UN-Bericht eskalierte die Gewalt erneut

„Alleine das Thema im Land anzusprechen, ist sehr schwierig“, sagt Bernt Berger von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, der die vergangenen fünf Jahre in Myanmar verbracht hat. „Selbst gebildete Bürger stehen den Muslimen, insbesondere den Rohingya, kritisch gegenüber.“ Der Konflikt zwischen Birmanen und Rohingya ist omnipräsent. Rechte haben die Rohingya kaum. Obwohl circa 1,5 Millionen Rohingya in Myanmar leben, dürfen sie nicht wählen und haben keinen Zugang zu höherer Bildung. „Militär und Polizeikräfte untersagen den Rohingya das Verlassen ihrer Ortschaften und Camps“, sagt Alexey Yusupov, der für die Friedrich-Ebert-Stiftung in Myanmar arbeitet. „Es handelt sich um ein extrem restriktives Umfeld. Bewegungsfreiheit für die Rohingya gibt es nicht.“

Die permanente Benachteiligung der Rohingya stellt ein Hindernis für den Frieden im Land dar - zu diesem Schluss kam eine UN-Kommission unter Leitung des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan, die der Etablierung und Sicherung des Friedens in Rakhaing dienen sollte. Sie wurde eingesetzt, nachdem im vergangenen Oktober die Konflikte zwischen Sicherheitskräften und Rohingya eskalierten. Am Tag nach der Veröffentlichung des UN-Berichts, am 25. August, eskalierte die Gewalt erneut. Aufständische Rohingya hatten mehrere Polizei- und Militärstationen attackiert. Die Reaktion des Militärs erfolgte unverzüglich.

„Letztendlich ist das Problem, dass Teile der Rohingya jetzt als militante Organisation auftreten“, sagt Bernt Berger. Die „Arakan Rohingya Salvation Army“ hatte sich zu den Attacken auf die Polizeistationen bekannt. Die militante Gruppe wurde gegründet, nachdem es 2012 mehrfach zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen im Rakhaing gekommen war, die mehr als 100 Tote forderten und zehntausende Menschen zur Flucht zwangen.

Die Hoffnungen, die auf Nobelpreisträgerin und Regierungschefin Aung San Suu Kyi ruhten, wurden enttäuscht. „Aung San Suu Kyi ist jetzt nicht mehr Freiheitsikone, sondern auf dem Boden der Realpolitik angekommen“, sagt Dagmar Hellmann-Rajanayagam. International wird sie harsch kritisiert, weil sie die Gewalt gegen die Rohingya nicht verurteilt. Auch an der UN-Generaldebatte nächste Woche will sie nicht teilnehmen. Dafür hat sie nun angekündigt, am Dienstag in Myanmar eine „Rede an die Nation“ zu halten. Darin werde sie sich, so ein Regierungsvertreter, für „nationale Versöhnung und Frieden“ aussprechen.

Lukas Haas

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