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Na mein kleiner Freund! Der humanoide Roboter "Pepper" wirkt erst mal niedlich und nett, aber eine Maschine ist er trotzdem bloß.

© epd

Roboter: Raus aus dem Maschinenraum - rein ins Leben

Roboter sind längst nicht mehr nur Schwerlast-Produktionsassistenten. Sie haben Gesichter, die lächeln, und sie lernen dazu. Was, wenn sie demnächst dem Menschen überlegen sind? Ein Essay

Ein Essay von Werner van Bebber

Das freundliche Gesicht ist wichtig. Die Roboter, die heute für den Menschenkontakt trainiert werden, tragen ein Dauerlächeln im sogenannten Gesicht. Sie sind auch nicht besonders groß. Pepper zum Beispiel, der rundäugige weiße Informationsroboter, ein Liebling der gerade zu Ende gegangenen Technologie-Messe Cebit in Hannover, misst nicht mehr als 120 Zentimeter: kein Konkurrent des Menschen, sondern ein Untergebener, nicht zu vergleichen mit dem rambohaften Androiden auf Menschenjagd, den der Schauspieler Yul Brynner in dem Film „Westworld“ verkörperte – oder gar mit dem „Terminator“ Arnold Schwarzenegger. Jetzt, da die Roboter aus den Science-Fiction-Filmen in die Wirklichkeit hinübersteigen, sich in der Menschenwelt ausbreiten und die Welt der Arbeit erobern, kommen sie uns mit freundlicher Hilfsbereitschaft und Dauer-Dienstbarkeit.

Ihr Imagewandel ist von fundamentaler Bedeutung. Kunst-Menschen habe eine lange Karriere als Angstmacher hinter sich: die monströse Kreatur des Arztes Viktor Frankenstein, der geheimnisvolle stumme Golem mit seiner großen Kraft, die Kampf-Roboter, die zum Beispiel für die amerikanische Armee entwickelt werden. Das alles sind Wesen, die den Menschen nach dem Leben trachten und ihnen überlegen sind – erst recht, wenn aus den Maschinen, die Roboter letztlich sind, selbstlernende Hochleistungsmaschinen geworden sind, die nicht bloß besser kämpfen können als Menschen und keine Schmerzen spüren, sondern auch effektivere Politik machen.

Noch gibt es sie nicht. Aber sind sie deshalb bloße Spinnerei? In der digitalen Revolution, die wir erleben, sind Roboter auf der Kurz- und auf der Langstrecke interessant. Auf der Kurzstrecke verändern sie die Welt der Arbeit: Zu den Schwerlast- und Punktschweißrobotern im Autobau kommen in Ländern wie Japan kraftvolle Hilfsroboter für die Pflege alter und kranker Menschen; als Assistenten der Pfleger heben sie alte Menschen vom Bett in den Rollstuhl. Der erwähnte Kommunikationsroboter „Pepper“ kann den Passagieren des Kreuzfahrtschiffs Aida Auskünfte über die Schiffsrestaurants geben. Auf der Cebit begrüßte Pepper die Besucher des Technologie-Unternehmens ICS, das den Roboter auf den deutschen Markt bringen will. Auf der Kurzstrecke nehmen sie einigen Menschen schwere Arbeiten, schwere Lasten ab. Auf der Langstrecke nehmen sie vielen Menschen die Arbeit überhaupt ab.

Roboter sind heute, was die großen Webstühle im 19. Jahrhundert waren: eine Bedrohung

Aber so ist es in und mit der digitalen Revolution. Es geht um zweierlei: erstens um die Berechenbarkeit des Menschen, ob als Kunde, als Wähler oder als Patient. Und zweitens um Bequemlichkeit. Erst die Industrie, jetzt die Dienstleistungsbranche: Roboter sind nicht aufzuhalten, je mehr und je schneller sie lernen und je bequemer die Menschen werden, desto weniger. Kein Wunder, dass sich viele Sorgen machen. Selbstlernende Roboter sind heute das, was für die Maschinenstürmer des frühen 19. Jahrhunderts die großen Webstühle in den Tuchfabriken waren – eine Bedrohung ihrer beruflichen Existenz.

Die Wissenschaftler Carl Frey und Michaels Osborne haben die abstrakte Bedrohung 2013 konkret gemacht. In einer legendären Studie untersuchten sie mehr als 700 Berufe und Beschäftigungen auf das Risiko ihres Verschwindens durch die Digitalisierung. Fast die Hälfte der Beschäftigungen, so die beiden Forscher, unterliegen einem hohen Risiko, durch Computerisierung und Automatisierung mehr oder weniger vollständig ersetzt zu werden.

Man kann die Formeln, die Frey und Osborne dazu entwickelt haben, ein wenig wunderlich finden, aber plausibel ist die Vorhersage, dass zum Beispiel Versicherungsvertreter oder Einzelhandelskaufleute in nicht allzu ferner Zeit ihre Jobs an Automaten verlieren werden, wenn die auch vermutlich in einer freundlich aussehenden Gestalt wie der von Pepper dahergerollt kommen. Großäugig werden sie Fragen zur Kenntnis nehmen, ein Angebot machen, Auskünfte aus einer Datenbank geben, fertig ist die Beratung.

Ebenso plausibel ist die Annahme von Frey und Osborne, dass Feuerwehrleute und Polizisten, Ärzte, Physiotherapeuten, Chiropraktiker und Fitness-Trainer die computergesteuerte Konkurrenz viel weniger zu fürchten haben: Sie arbeiten mit menschlicher Zuwendung. Ähnlich gut sieht es für die kreativen Berufe aus. Was nicht aus einer Datenbank kommen kann, was im Umgang mit anderen frisch erfunden werden muss, ob es ein Bühnenbild oder die Anlage eines Gartens oder die Aufführung eines Tanzes ist, das ist nach Frey und Osborne kaum „computerisable“.

Warum Roboter die Idee vom bedingungslosen Grundeinkommen beflügeln

Präzise, nie krank und stark: Roboter als Produktionshelfer wie die Maschinen von Kuka sind längst nicht mehr alles, was die Robotertechnik hergibt.
Präzise, nie krank und stark: Roboter als Produktionshelfer wie die Maschinen von Kuka sind längst nicht mehr alles, was die Robotertechnik hergibt.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Neue Maschinen erleichtern viele Arbeiten. Im Wortsinn machen das die riesigen Kuka-Roboter, die Autokarosserien oder Motorblöcke durch die Werkshallen bewegen oder die erwähnten Hilfs- pfleger in japanischen Altenheimen, die den Pflegebedürftigen anheben und damit den Rücken des Pflegers entlasten. Im übertragenen Sinn verkürzen Maschinen lange Rechenprozesse und ermöglichen Architekten das dreidimensionale Entwerfen am Computer. Neue Maschinen zerstören alte Arbeitsleistungen und Berufe, doch mit den neuen Maschinen entstehen neue Beschäftigungen, zum Beispiel in der Computer- und der Werbebranche oder in Kommunikationsberufen.

So argumentieren jedenfalls alle, die die digitale Revolution für etwas Gutes halten – oder für derart unaufhaltsam, dass jeder Widerstand zwecklos ist. Das ist der Eindruck, den die deutsche Politik im Umgang mit der digitalen Revolution macht: Das Neuland entwickelt sich von alleine. Die Aufgabe der Politik besteht im Verlegen von Breitbandkabeln und in der Einrichtung von Untersuchungsausschüssen, wenn der Datenschutz und das Fernmeldegeheimnis von Kanzlerinnentelefonen missachtet worden sind. Gewiss, sie reden davon, die Sorgen der Leute ernst zu nehmen. Vor allem aber feiern sie „die Industrie 4.0“.

Es war ausgerechnet einer der größten Digitalisierungsprofiteure, der Microsoft-Gründer Bill Gates, der vor ein paar Wochen die „Robotersteuer“ gefordert hat. Der Vorschlag ist nicht ganz neu; Post-Vorstand Frank Appel hatte ihn im Jahr zuvor schon mal in die Diskussion gebracht. Wichtiger als die Idee ist die Diskussion, die Appel und Gates damit anzustoßen versucht haben: Arbeiter, deren Arbeitsplätze in der digitalen Revolution wegdigitalisiert worden sind, bezahlen keine Steuern mehr und keine Sozialabgaben. Frei nach Martin Schulz werden sie daraufhin bei fortlaufenden Bezügen weitergebildet. An ihren Stellen arbeiten Automaten, Roboter. Sie gehören zum Kapital der Unternehmer. Sie werden nicht krank. Sie arbeiten bei Bedarf 24 Stunden am Stück, brauchen keinen Urlaub und haben keine kranken Kinder. Warum sollen sie keine Steuern zahlen – vielmehr die, denen sie gehören?

Eine Steuer auf Roboterarbeit? Innovationsfeindlich!

Politiker und Wirtschaftsfachleute haben den Vorschlag der beiden Manager gleich auseinandergenommen: Eine Maschinensteuer sei innovationsfeindlich; sie helfe denen nicht, die durch Automatisierung und Digitalisierung ihre Arbeit verlören; sie verschärfe das Problem des rasanten wirtschaftlichen Wandels in Deutschland, denn die automatisierte und digitalisierte Konkurrenz im Ausland werde billiger und produktiver. Das mag sein – aber wer soll sich da auf Roboter freuen?

Zum Beispiel die Anhänger eines bedingungslosen Grundeinkommens. Frank Appel zum Beispiel erwartet, dass es auf mittlere Sicht keine andere Möglichkeit gibt, Menschen ein Auskommen zu sichern, die ihren Job in der digitalen Revolution an einen Automaten oder an einen Roboter verloren haben. Denn die Entwicklung, die heute schon viele Berufe verändert, könnte sich noch verschärfen. Der Digitalisierungskritiker Andrew Keen hat in seinem Buch „Das digitale Debakel“ das Schicksal der US-amerikanischen Stadt Rochester beschrieben, die vom Filmhersteller Kodak gelebt und mit der Filmproduktion gescheitert ist: 47 000 Menschen ohne Arbeit, bei 210 000 Einwohnern. Eine Vorstellung, die – auf deutsche Mittelstädte übertragen – einen durchaus zum Befürworter des Grundeinkommens machen kann.

Was wird aus den Menschen, wenn Roboter immer mehr Arbeiten übernehmen? Die Freunde des Grundeinkommens werben mit einer Mischung aus Vulgärmarxismus und Kreativitätseuphorie: Die Befreiung von der Erwerbsarbeit mit ihren Zwängen, Pflichten und Regelmäßigkeiten werde ungeahnte Kräfte in den Leuten wecken, sagen sie: Morgens angeln, mittags tischlern, nachmittags Crossfit, abends Gedichte schreiben oder mit dem Programm „Garage Band“ auf dem Ipad der House Music neue Impulse geben: der Mensch, bis zur letzten Minute des Tages durchindividualisiert und rest-optimiert.

Dass der Mensch etwas schafft, was ihm bedrohlich wird? Nicht ausgeschlossen

Hand drauf - aber auf was genau?
Hand drauf - aber auf was genau?

© Friso Gentsch/dpa

Frei nach Mao Tse-tung könnte man wieder hoffen: Die digitale Revolution mit der Automatisierung der Arbeitswelt und ihren Roboter-Belegschaften in den großen Unternehmen ermöglicht endlich den Großen Sprung nach vorn, aus der Mehr-oder-Minder-Knechtschaft der Industrie- Moderne ins Reich der grundeinkommensgesicherten Dauerfreizeit. Aber so wird es wohl nicht kommen. Kluge Menschen, der Physiker Stephen Hawking zum Beispiel, sehen in der Lernfähigkeit von Robotern die große Gefahr für den analogen Menschen: Roboter mit Feedback zu gigantischen Rechnern und Datenbanken könnten ein Verhalten lernen, das sie den Menschen überlegen sein lässt. Das liest sich nach Science-Fiction. Doch mit der Roboterisierung der Arbeitswelt hat die Diskussion über künstliche Intelligenz einen neuen Schub bekommen. Bislang können die Roboter nur genau das, was man ihnen vorher aufgeschrieben hat, sprich: Sie leben von ihrer Programmierung, sie sagen nur das, was man sie gelehrt hat, sie tun bloß, was ihnen beigebracht worden ist. Aber im Hintergrund sind die Lernfähigkeit der Superrechner, die Intelligenz der Suchmaschinen, die sich selbst immer weiter verbessernde Bildung der Übersetzungsprogramme – um nur das zu erwähnen, mit dem der gemeine Internet-Benutzer zu tun hat.

Ob Software in absehbarer Zeit das Denken lernen kann – darüber gibt es kontroverse Ansichten. Wenn sie es kann, dann wird sie dem Denken der Menschen bald überlegen sein. Das könnte das Ende der „offenen Gesellschaft“ sein, die der Philosoph Karl Popper als Modell der westlichen Demokratien beschrieben hat. Noch so ein Thema, das in normalen Legislaturperioden eines demokratischen Parlaments, im politischen Normalbetrieb nicht unterzubringen ist. Die Autorin (und Internet-Unternehmerin) Yvonne Hofstetter hat ihrem jüngsten, um die Künstliche Intelligenz kreisenden Buch den wenig erfreulichen Titel „Das Ende der Demokratie“ gegeben.

"Blade Runner" spielt übrigens im Jahr 2019

Fehlbaren und unperfekten Menschen bleibt die Frage, ob man zu Robotern eine Beziehung eingehen kann. Weniger zu den einarmigen Giganten in der Autofabrik, auch wenn die sich mit der Geschmeidigkeit eines Kung-Fu-Kämpfers bewegen können, als zu den Humanoiden von morgen oder übermorgen. Der amerikanische Autor Philip K. Dick war in seinem 1968 erschienenen Roman „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ schon nah an unserer Gegenwart. Die Geschichte, von Ridley Scott unter dem Titel „Blade Runner“ verfilmt, handelt von einem Mann, der in einem verregneten, kaputten Los Angeles der nahen Zukunft Androiden jagen muss, die Menschen töten. Die Androiden sind von natürlich geborenen Menschen nicht mehr zu unterscheiden. Sie sind den Menschen körperlich und geistig überlegen – und sie entwickeln Gefühle. Sie sollen andere Planeten entwickeln und dürfen die Erde eigentlich nicht betreten. Ihr Erfinder hat sie mit einer Lebenszeitbegrenzung ausgestattet, damit sie nicht zur dauerhaften Bedrohung der Menschheit werden.

Natürlich schaffen es einige von ihnen doch auf die Erde. Bei der Fahndung verliebt sich der Blade Runner in die Androidin Rachael. Wenn es gesetzlich erlaubt wäre, sagt der Blade Runner zu Rachael, würde er sie heiraten. Rachael antwortet: „Oder wir könnten in Sünde miteinander leben. Nur lebe ich eben gar nicht.“ Der Film spielt im Jahr 2019.

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