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Die lybische Küstenwache vor dem Schiff der spanischen NGO.

© Behrakis/ Reuters

Retter im Mittelmeer: Libysche Küstenwache bedroht Flüchtlingshelfer

Das Schiff der spanischen NGO "Proactiva Open Arms" wurde festgehalten und mit Schüssen bedroht. Viele Flüchtlinge kommen derzeit nach Spanien.

Wenige Tage nach der Ankündigung Libyens, das Operationsgebiet seiner Küstenwache über die libyschen Hoheitsgewässer auszudehnen, hat es bereits einen Zusammenstoß gegeben: Nach Angaben der spanischen Flüchtlingshilfsorganisation „Proactiva Open Arms“ wurde deren Schiff am Dienstag zwei Stunden lang von Libyern festgehalten und bedroht, man werde schießen, falls die Besatzung sich den Anordnungen der Libyer widersetze. Die spanische NGO betonte, das Ganze habe sich in internationalen Gewässern abgespielt.

Proactiva Open Arms fährt als nur eine von wenigen Hilfsorganisationen noch immer Einsätze. Die für das zentrale Mittelmeer zuständige Koordinationsstelle in Rom hatte die Helfer gewarnt, dass die Ausweitung der sogenannten „SAR“- Zone durch Libyen sie in Gefahr bringen könne. Solche „Such- und Rettungszonen“, englisch „Search and Rescue“ (SAR), können Staaten einigermaßen frei, einseitig und unabhängig von ihrem Hoheitsgebiet auf See festlegen. Sie sollen einer besseren Koordination der Rettung Schiffbrüchiger und der Teilung von Verantwortung unter den Meeresanrainerländern dienen.

"Beunruhigende Unsicherheit"

Libyen allerdings ist inzwischen wesentlicher Teil der europäischen Migrationskontrolle. Die EU unterstützt die Küstenwache des Landes mit Geld und Know- how, offiziell um Schlepperorganisationen zu bekämpfen. In Berichten der Vereinten Nationen und von Amnesty International ist von Folter, Missbrauch und menschenunwürdigen Zuständen für Migranten in libyschen Lagern die Rede. Hilfsorganisationen fürchten, dass sie Menschen, die sie retten, in der neuen SAR- Zone an Libyer übergeben müssen.

Die Kinderhilfsorganisation „Save the Children“, die sich Anfang der Woche aus der Seerettung zurückgezogen hatte, wertete den Zwischenfall um das Schiff der spanischen NGO als Beweis, dass es im erweiterten libyschen Operationsgebiet nicht um Notrettung geht. „Es ist offensichtlich nicht sicher in der libyschen SAR-Zone“, sagte ihr Einsatzchef Rob MacGillivray. Solange aber NGOs nicht mehr vor Ort seien, entstehe eine "beunruhigende Unsichtbarkeit", in der niemand mehr wisse, ob die Menschen, die verzweifelt versuchten, Libyen zu verlassen, ertrinken oder zurückgezwungen würden "in die Schrecken, denen sie gerade entkommen sind".

Auch die Abdichtung der europäischen Landgrenzen geht weiter: In einem Interview mit der „Welt“ kündigte Bulgariens Verteidigungsminister Krasimir Karakachanov am Donnerstag an, gegen Migranten künftig mit Militär vorzugehen. Auch gegen die Flüchtlinge auf See. Im Sinne der beabsichtigten Abwehr ist die neue verschärfte Politik der EU offenbar ein Erfolg. Allein im Juli schafften es nach Erkenntnissen des italienischen Innenministeriums weniger als halb so viele Menschen nach Italien wie im Juli 2016.

So viele Flüchtlinge in Spanien wie nie

Neuere Zahlen aus Spanien legen allerdings nahe, dass die Flucht sich lediglich verlagert. In dem Land wurde gerade ein neuer Rekord registriert: 15 Migrantenschiffe mit insgesamt 600 Flüchtlingen wurden innerhalb von zwölf Stunden an der spanischen Küsten gezählt. Seit Jahresbeginn wurden 9000 Migranten gerettet, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. 3000 Menschen überwanden zudem in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla an der nordafrikanischen Küste die Grenzen. Das sind zwar deutlich weniger als in Italien mit mehr als 90.000 Ankömmlingen, dennoch erwartet die EU-Grenzagentur Frontex für Spanien den „größten Migrationsdruck der letzten Jahre“.

Die meisten in Spanien ankommenden Flüchtlinge kommen derzeit aus den westafrikanischen Armutsstaaten unterhalb der Sahara. Und aus Marokko, wo Unruhen und Repression in der Rif-Region in den vergangenen Monaten hunderte junge Menschen in die Flucht trieben.

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