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Begegnungsstätte: Die Neuköllner Moschee in der Flughafenstraße.

© Mike Wolff

Religionsfreiheit: Das Spiel des Jens Spahn mit dem Islamgesetz

Das CDU-Präsidiumsmitglied wirbt beharrlich dafür, das Verhältnis von Staat und Islam genauer zu regeln – und eckt damit in seiner eigenen Partei kräftig an. Doch Spahn scheut den Konflikt nicht.

Von Robert Birnbaum

Hartnäckigkeit kann man ihm nicht absprechen. Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass sie von einem Islamgesetz nichts wissen will, die CDU-Spitze zeigt sich reserviert, der Fraktionschef lehnt glatt ab, ein Ex-Generalsekretär nennt es eine „populistische Schnapsidee“, die christlichen Kirchen winken ab, und wer nach Fürsprechern sucht, muss tief in der zweiten Reihe graben. Jens Spahn ficht das alles nicht an. Am Dienstagmorgen legt das CDU-Präsidiumsmitglied im Deutschlandfunk nach. „Ich höre immer nur, was alles nicht geht, aber ich möchte gerne Probleme lösen“, sagt Spahn. „Ich möchte mal darüber reden, was geht.“

Die Forderung ist geschickt platziert. Die Osterpause zählt im Politikbetrieb zu den innenpolitisch nachrichtenarmen Zeiten, da werden selbst ältere Hüte gern ins Schaufenster gestellt. Neu ist der Ruf nach einem Islamgesetz wirklich nicht. Der letzte, der es propagierte, war Anfang des Jahres der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Die Methode hat inzwischen ebenfalls die Methode. Spahn und die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner haben sich im Zuge der Flüchtlingskrise zu den Stichwortgebern jener Konservativen in der CDU gemacht, die die Konservativen im Islam als Bedrohung für das Abendland sehen. Damals war es ein Burka-Verbot – jetzt also gleich ein ganzes Islam-Gesetz.

Klöckner und Spahn begründen die Forderung mit allerlei Zuständen, die ihnen nicht passen: „Import-Imame“ beklagt der CDU-Mann, die von der Türkei oder aus Saudi-Arabien geschickt würden, kein Wort Deutsch könnten und hierzulande eine reaktionäre, gegen die Moderne gerichtete Auslegung ihrer Religion predigten. Geldströme gefallen ihm nicht, mit denen der türkische Staat und konservative Golf-Scheichtümer die Moscheegemeinden unterstützen. Sie beklagen sogar, dass man ja nicht mal wisse, wie viele Moscheen es gebe und wo.

Wenn es um Glaubensfragen geht, hat der Staat wenig mitzureden

Nun gibt es allerdings sehr gewichtige Gründe, weshalb noch niemand je den Versuch unternommen hat, ein Islamgesetz zu formulieren. Der Parlamentarische Finanzstaatssekretär Spahn kann sie bequem im eigenen Hause abfragen. Wolfgang Schäuble hat in seiner Zeit als Innenminister die Islamkonferenz unter anderem deswegen gegründet, weil sich Deutsch als Predigtsprache nicht vom Staat vorschreiben lässt, genauso wenig, wie sich Finanzierungswege für Gemeinden oder die Herkunft von Priestern oder ein Glaube, der säkulare westliche Werte hochhält, vom Staat vorschreiben lassen.

Religionsfreiheit umfasst im Gegenteil die Freiheit, die Welt rundum und ihre jeweils aktuelle Idee von Leitkultur vollkommen falsch zu finden. Wenn beide sich an die Gesetze halten, darf der Gläubige glauben und der Priester ihn glauben machen, was immer er will. So lange ist es übrigens nicht her, dass in christlichen Kirchen gegen Gleichberechtigung von Mann und Frau gewettert, die Homosexualität verdammt und die CDU zur einzig gottgefällig wählbaren Partei erklärt wurde.

Jens Spahn (CDU) im Bundestag (Archivbild von 2015)
Jens Spahn (CDU) im Bundestag (Archivbild von 2015)

© dpa/Maurizio Gambarini

Die Islamkonferenz als Gesprächskreis mit dem Ziel, zu freiwilligen Vereinbarungen zu kommen, war zudem eine Reaktion auf die Zersplitterung der islamischen Glaubensgemeinschaften, die – anders als etwa in Österreich – keine historisch gewachsene Dachorganisation haben. Spahn fordert, so eine „Organisationsstruktur gesetzlich zu schaffen“. Sein Minister wusste damals schon, dass das überhaupt nicht geht. Auch da ist die Freiheit der Religionsausübung vor.

Aber selbst wenn es ginge, bezweifeln gerade Konservative in der Union, dass es wünschenswert wäre. Politisch „extrem heikel“ seien solche Ideen, gibt einer zu bedenken: „Wollen wir denn, dass der Islam eine Staatskirche würde“, auf einer Stufe mit den christlichen Kirchen, Kirchensteuereinzug und Spezialrechte als Arbeitgeber inklusive? Selbst in der bayerischen CSU sehen sie die Vorstöße von Klöckner, Spahn und ihren Freunden im Moment skeptisch. Parteichef Horst Seehofer habe sich am Montag im CSU- Parteivorstand dazu sehr reserviert verhalten, berichten Teilnehmer.

Dabei spielt eine taktische Überlegung mit. Seit erst der Schulz-Effekt und dann die Annegret-Welle im Saarland die politische Landschaft in Bewegung gebracht haben, sinkt die AfD in den Umfragen sachte der Fünf-Prozent-Grenze entgegen. Seehofer hat neulich schon die Prognose gewagt, die Rechtspartei könnte es im Herbst gar nicht mehr in den Bundestag schaffen. „Wir müssen jetzt aufpassen, dass nicht wir die jetzt wieder zum Leben erwecken“, warnt einer aus der CSU-Führung.

Die Befürworter denken über den Wahltag hinaus

Spahn und die Seinen ficht auch das nicht weiter an. Sie denken längst über den Wahltag hinaus. Der Niederrheiner zählt mit seinen gerade erst 36 Jahren zur Führungskräftereserve für die Zeit nach Angela Merkel. Davon haben sie in der CDU nicht so viele. Merkel, Schäuble und andere Parteigranden achten auffällig darauf, ihre wenigen Jungstars selbst dann nicht allzu hart anzufassen, wenn die sich mal gegen die Führung stellen. Spahns kleine Parteitagsrevolte, die einem Antrag zur Abschaffung des Doppelpasses zur Mehrheit verhalf, blieb für ihn ohne negative Folgen – obwohl Merkel mit der zornigen Ansage reagierte, diesen Beschluss werde sie nicht umsetzen.

Spahn macht von der gewährten Narrenfreiheit multiplen Gebrauch. Einerseits leitet er gemeinsam mit dem Grünen Omid Nouripour den schwarz-grünen Gesprächskreis, andererseits agiert er als Leitfigur unter den Leitkultur-Konservativen. Schwarz-Grün hat gerade keine Konjunktur, das zweite Standbein eher. „Ich bin ja sehr dafür, dass wir erst mal mit der Problembeschreibung anfangen“, sagt Spahn im Morgeninterview. Für Beifall reicht hierzulande Problembeschreibung ja auch allemal aus.

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