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Beate Zschäpe wird in den Verhandlungssaal geführt.

© dpa

18. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Eine Autofahrt mit Beate Zschäpe

Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München hat ein Kommissar des BKA geschildert, wie er versuchte, Beate Zschäpe Details aus der Zeit im Untergrund zu entlocken. Doch Zschäpe hatte sich im Griff

Von Frank Jansen

Der Beamte des Bundeskriminalamts gab den klassischen Rheinländer: freundlich, offen, kein strenges Polizeigesicht. Genützt hat es nichts. Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München hat am Mittwoch ein Erster Kriminalhauptkommissar des BKA geschildert, wie er versuchte, Beate Zschäpe zu einer umfassenden Aussage zu bewegen oder ihr wenigstens einige Details aus der Zeit im Untergrund zu entlocken. Doch Zschäpe hatte sich im Griff und sagte nichts zu den Tatvorwürfen.

Der Beamte hatte die Frau im Juni 2012 in einem Polizeitransporter bei einer Art Ausflug begleitet. Zschäpe wurde von der JVA Köln-Ossendorf zum Gefängnis im thüringischen Gera gebracht, damit sie dort ihre im nahen Jena lebende Mutter und Großmutter treffen konnte. Die Großmutter ist gebrechlich, eine Reise nach Köln wäre ihr offenbar nicht zuzumuten gewesen. Am nächsten Tag wurde sie dann nach Köln zurückgefahren.

Das BKA scheint die von der Bundesanwaltschaft genehmigten Reise als günstige Gelegenheit gesehen zu haben, die im November 2011 festgenommene Zschäpe endlich zu einem Geständnis bewegen zu können. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer hatte jedoch die Bundesanwaltschaft gebeten, die insgesamt achtstündige Hin- in Rückfahrt - ohne Anwalt - nicht für eine Vernehmung oder eine „informatorische Befragung“ zu nutzen. Die Bundesanwaltschaft sagte zu, es werde keine Vernehmung geben. Eine informatorische Befragung fand dann allerdings statt, auch wenn der BKA-Mann nun als Zeuge im NSU-Prozess von „rein zufälligen“ Themen sprach. Er hatte aber bei Beginn der Fahrt erwähnt, sollte es ein Gespräch geben, werde er darüber einen Vermerk schreiben.

Der Beamte erinnerte sich: Da das Wetter an jenem Tag im Juni schlecht war, habe er Zschäpe gesagt, nach seiner Erfahrung könne es sein, dass auf der Insel Fehmarn die Sonne scheine, während es auf dem Festland regne. Auf Fehmarn hatte, wie der Beamte wusste, Zschäpe gemeinsam mit den ebenfalls untergetauchten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mehrmals Urlaub gemacht. Der BKA-Mann fragte Zschäpe, ob sie das unterschiedliche Wetter auf Fehmarn und dem Festland auch so wahrgenommen habe. Die Antwort war kühl. „Wer sagt denn, dass ich jemals auf  Fehmarn war“, habe Zschäpe geantwortet. Der Beamte versuchte es anders.

Das Gespräch kam  auf einen Brief, den der norwegische Rechtsextremist und Massenmörder Anders Breivik an die inhaftierte Frau geschrieben hatte. Doch Zschäpe sagte, sie habe das Schreiben noch nicht bekommen. Schließlich versuchte der Beamte, mit Geschichten über die Rote Armee Fraktion an Zschäpe heranzukommen.            

Er sagte ihr, der einstige RAF-Terrorist Christian Klar habe geschwiegen und dann mehr als 20 Jahre im Gefängnis gesessen. Das ehemalige RAF-Mitglied Susanne Albrecht hingegen habe geredet und „war nach ein paar Jahren wieder draußen“, zitierte sich der Beamte selbst. Albrecht führe heute unter einem anderen Namen ein normales Leben und habe einen angesehenen Beruf. Zschäpe wurde nicht weich – ließ aber erkennen, dass sie mit sich ringt.

Albrechts neues Leben sei das, was sie auch gerne möchte, habe Zschäpe gemeint. Sollte sie mal aus dem Gefängnis herauskommen, wolle sie auch den Namen ablegen, damit sie niemand wieder erkenne, schilderte der BKA-Mann Zschäpes Vorstellung von der Zukunft. Und er betonte mehrfach, Zschäpe habe sich unzufrieden über ihre damals noch zwei Verteidiger geäußert.

Zschäpe habe auf den Rat ihres Anwalts ihre ursprüngliche Aussagebereitschaft zurückgezogen. „Ja, sie wollte das eigentlich, insbesondere als es ihrer Großmutter schlecht ging, um sich bei ihrer Großmutter zu entschuldigen“, sagte der Beamte. Sie habe aber gesagt, dass ihr Anwalt das nicht wolle. Inzwischen wird sie auch von der Berliner Anwältin Anja Sturm vertreten.

Die Angeklagte folgte der Aussage mit interessierter Miene, blieb aber weiterhin stumm. Die drei Verteidiger, so war es ihren Fragen an den BKA-Zeugen zu entnehmen, halten das Gespräch des Beamten bei der Fahrt im Juni, auch eine BKA-Kollegin nahm daran teil, für einen nicht akzeptablen Versuch, Zschäpe auszuhorchen.

Die Verteidiger Zschäpes halten das Gespräch des BKA-Mannes mit Zschäpe für nicht verwertbar - wegen "verbotener Vernehmungsmethoden", wie Anwältin Sturm nach der Aussage des Beamten sagte. Es habe sich "eindeutig um eine Vernehmung im strafprozessualen Sinne" gehandelt. Zschäpe sei darüber getäuscht worden, dass gezielt eine Vernehmung stattgefunden habe, getarnt als informatorisches Gespräch.

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