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Die Gewalttaten von Rechtsextremisten nehmen zu.

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Exklusiv

Rechtsextremismus: Mehr Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg

In Brandenburg sind nach Informationen des Tagesspiegels seit der Wiedervereinigung deutlich mehr Menschen bei rechten Angriffen gestorben als offiziell vermeldet.

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Die von der Polizei bislang genannte Zahl von neun Todesopfern rechter Gewalt in Brandenburg verdoppelt sich auf 18. Das ergab eine zweijährige Untersuchung des Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ) der Universität Potsdam. Im Frühjahr 2013 hatte der damalige Innenminister Dietmar Woidke (SPD), heute Ministerpräsident, ein Forschungsprojekt zur „Überprüfung umstrittener Altfälle Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt im Land Brandenburg seit 1990“ in Auftrag gegeben. Die Untersuchung ist die umfangreichste in einem Bundesland zu der Diskrepanz zwischen offiziellen Zahlen zu Todesopfern rechter Gewalt und den Erkenntnissen des Tagesspiegels sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Die Wissenschaftler des MMZ untersuchten 24 Fälle und sichteten zahlreiche Akten von Polizei und Justiz sowie Berichte aus den Medien und zivilgesellschaftlicher Organisationen. Die meisten Fälle hatte der Tagesspiegel in gemeinsamen Recherchen mit zwei weiteren Zeitungen und dem Potsdamer Verein Opferperspektive aufgelistet. Das MMZ beriet sich zudem mit Fachleuten, darunter Experten des Innenministeriums und der Polizei, Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg und der Verein Opferperspektive. Im Abschlussbericht, der dem Tagesspiegel vorliegt, kommt das MMZ  zum Ergebnis, dass in neun der 24 Fälle die Täter ein rechtes und damit politisches Motiv hatten, als sie ihre Opfer erschlugen oder auf andere Weise töteten. Das MMZ betont, auch in den meisten anderen Fällen könne „ein rechtsextremes oder rassistisches Motiv“ zumindest nicht ausgeschlossen werden.

Der Bericht wird am Montag vorgestellt

Zu den Verbrechen, die nach Ansicht des MMZ neu bewertet werden müssen, zählt auch der erste tödliche Angriff von Rassisten nach der Wiedervereinigung. Am 7. Oktober 1990 verprügelten drei Schläger in Lübbenau (Kreis Oberspreewald-Lausitz) den Polen Andrzej Fratczak. Einer der Täter stach auch mit einem Messer auf Fratczak ein. Das Opfer wurde am nächsten Morgen tot aufgefunden. Das Bezirksgericht Cottbus verurteilte die Täter nur wegen gefährlicher Körperverletzung. Auf ein möglicherweise rassistisches Motiv gingen die Richter im Urteil nicht ein, obwohl einer der Schläger bei der Tat ein T-Shirt mit dem Bild von Adolf Hitler trug.

Den Abschlussbericht des MMZ werden Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und der Direktor des Zentrums, Professor Julius Schoeps, kommenden Montag in Potsdam vorstellen. Offen bleibt, ob das Innenministerium alle neun Fälle, die das MMZ nun anders bewertet als die Polizei, auch als politisch motivierte Tötungsverbrechen dem Bundeskriminalamt meldet. Das BKA spricht bislang, gestützt auf die Meldungen der Länder, von 64 Todesopfern rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung. Der Tagesspiegel kommt auf mindestens 153 Tote.   

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