zum Hauptinhalt
Präsident Donald Trump während einer Pressekonferenz am Samstag.

© Jonathan Ernst/Reuters

Rechte Gewalt in den USA: Die Geister, die er rief

Auf die tödliche Gewalt in Charlottesville reagiert Donald Trump äußert verhalten. Selbst republikanische Parteifreunde sind schockiert.

Die dichte Menge der Gegendemonstranten schiebt sich durch eine Seitenstraße in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia. Die meist jungen Leute wollen gegen eine Kundgebung von Rechtsextremisten in der vorwiegend linksliberalen Universitätsstadt potestieren. Vorsichtig rollt ein dunkelroter PKW durch die Menge, gefolgt von einem silbernen Wagen. Plötzlich schießen die beiden Fahrzeuge nach vorne: Sie sind von hinten von einem dritten Auto mit hoher Geschwindigkeit gerammt worden, mehrere Menschen werden in die Luft geschleudert. „Der Nazi ist gerade in die Leute gefahren, oh mein Gott“, ruft ein Demonstrant. Der Fahrer des Tatfahrzeugs setzt zurück, um zu entkommen. Seine fast abgerissene Frontstoßstange schleift am Boden. Eine Demonstrantin ist tot, mindestens 19 weitere Menschen sind verletzt.

Die Szene am Samstagmittag, festgehalten von zahlreichen Handy-Kameras und im Internet verbreitet, ist der brutale Höhepunkt einer Auseinandersetzung, die ganz Amerika schockt. Hunderte Neonazis, Mitglieder des Ku-Klux-Klans und andere Rechtsradikale sind nach Charlottesville gekommen. Sie haben Schilde, Helme und die Bürgerkriegs-Fahnen der Südstaaten mitgebracht. Einige von ihnen sind Mitglieder in rechtsgerichteten Milizen und tragen Kampfanzüge und Schnellfeuergewehre. Schon am Vorabend hatten sie mit einem Nazi-ähnlichen Fackelzug auf dem Gelände der Universität einen Vorgeschmack auf das Wochenende gegeben.

Es geht um viel mehr als nur ein Denkmal

Charlottesville erlebt den schwärzesten Tag seiner jüngeren Geschichte. Die Stadt hat den Aufmarsch, die größte Versammlung von Nazis und Rassisten in den USA seit Jahren, im Rahmen der Demonstrationsfreiheit zunächst erlaubt, doch später wird der Ausnahmezustand ausgerufen. Beim Absturz eines Polizeihubschraubers, der die Unruhen beobachten soll, sterben zwei Beamte. An einem Park im Zentrum geraten Rechtesxtremisten und Gegendemonstranten aneinander. Es gibt Prügeleien und Flaschenwürfe, Pfeffergas wird versprüht. Die Polizei löst die die Demonstrationen schließlich auf. Der Fahrer des Wagens, der in die Menschenmenge gepflügt war, wird festgenommen. Er heißt Alex Fields, ein 20-jähriger Weißer aus Ohio.

Konkreter Anlass der Extremisten-Demo unter dem Motto „Vereinigt die Rechte“ ist der geplante Abriss eines Denkmals des Bürgerkriegs-Generals Robert E. Lee in einem Park in Charlottesville. Lee, der für die Sklavenhalter-Staaten des amerikanischen Südens kämpfte, ist bis heute für viele Menschen im Gebiet der damaligen Konföderation ein Held. Zwar verlor Lee den Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 gegen den militärisch weit überlegenen Norden und konnte das Ende der Skalverei in den USA nicht verhindern. Doch für die alteingesessenen Rechtsradikalen wie den Ku-Klux-Klan wie auch für die moderne Bewegung der „Alt-Right“, der „alternativen Rechten“, verkörpert der General den aufrechten Kampf für die Würde und die Überlegenheit des weißen Mannes.

Ku-Klux-Klan-Chef lobt den Präsidenten

Deshalb geht es in Charlottesville nicht nur um ein Denkmal. „Ihr werdet uns nicht verdrängen“ und „Juden werden uns nicht verdrängen“, rufen die Fackelträger am Freitag. Am Samstag spricht David Duke, der ebenfalls nach Charlottesville gekommene Ex-Chef des Ku-Klux-Klans, von einem „Wendepunkt für die Menschen dieses Landes“. Wie schon im Wahlkampf des vergangenen Jahres betont Duke die Unterstützung der Rechtsextremisten für Präsident Donald Trump. „Wir sind entschlossen, uns unser Land zurückzunehmen.“ Damit werde ein Versprechen des Präsidenten eingelöst: „Darum haben wir Donald Trump gewählt.“

Lob vom Ku-Klux-Klan müsste eigentlich jeden amerikanischen Politiker erschrecken. Doch bei Trump ist das anders – seine Reaktion auf die Ereignisse in Charlottesville wird deshalb zum zweiten Schocker dieses Tages. In seinem Urlaubsort Bedminster in New Jersey verurteilt Trump die Gewalt, spricht aber von „Hass, Intoleranz und Gewalt auf vielen Seiten“. Damit stellt er die Neonazis und die Gegendemonstranten auf eine Stufe. Kein Wort der Abscheu über die Veranstaltung der Rechtsextremen kommt ihm über die Lippen.

Selbst Republikaner zeigen sich schockiert

Medien der US-Rechtsextremisten feiern Trumps Stellungnahme als Sieg für ihre Sache. Die Internetseite Breitbart News, das Sprachrohr der „Alt-Right“-Bewegung, meldet, in Chalottesville hätten sich militante Linksextremisten eingefunden. Bis zum vergangenen Jahr wurde Breitbart von Trumps Chefstrategen Steve Bannon geleitet.

Bannon war es auch, der als Wahlkampfmanager des Kandidaten Trump vor der Wahl im November die populistischen Botschaften des 71-jäghrigen Immobilienmoguls prägte. Dazu gehörten Parolen gegen Muslime und Einwanderer aus Mittelamerika, die von Rechtsradikalen wie Duke begeistert aufgenommen wurden. Muslimische Organisationen melden einen drastischen Anstieg von Gewalttaten gegen Mitglieder von Minderheiten. Erst vorige Woche warfen Unbekannte eine Bombe in eine Moschee in Minnesota. Trump hat bis heute nichts zu der Gewalttat gesagt.

Kritiker halten dem Präsidenten vor, er ermuntere mit seinen Positionen militante Rechtsextremisten. Politische Projekte wie der Muslim-Bann und das kürzlich angekündigte Aufnahmeverbot für Transsexuelle in der US-Armee sind Zeichen dafür, dass Trump seinem rechtspopulistischen Kurs aus dem Wahlkampf treu bleibt.

Seine merkwürdige Stellungnahme vom Samstag stellt jedoch eine neue Dimension dar. Selbst republikanische Parteifreunde des Präsidenten zeigen sich geschockt. Senator Marco Rubio fordert, Trump müsse die Gewalt als rechtsextremen Terrorismus verurteilen. Der Präsident veröffentlicht noch mehrere Twitter-Mitteilungen zu den Ereignissen, doch diese enthalten keine Verurteilung der rechten Gewalt.

Zur Startseite