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Umstrittene Praxis. Zur Verhinderung unerlaubter Einreise darf die Polizei die Papiere von Fluggästen prüfen.

© dpa

Racial Profiling: Wenn nur die Hautfarbe zählt

Verdacht aufgrund ethnischer Merkmale – ein Prozess in München soll klären, ob die Polizei zur umstrittenen Praxis des „Racial Profiling“ greifen darf.

Von Hans Monath

Es ist eine Form der Diskriminierung, die es offiziell in Deutschland nicht geben darf, unter der Menschen mit dunkler Hautfarbe aber immer wieder leiden: Wenn etwa Polizisten an einem Bahnhof alle anderen Fahrgäste unbehelligt lassen, aber Passanten mit afrikanischen oder arabischen Eltern gezielt kontrollieren, steht schnell der Verdacht im Raum, dass die Sicherheitskräfte sie nur aufgrund erkennbarer ethnischer Merkmale zu einem Risiko erklären. „Racial Profiling“ oder „Ethnic Profiling“ heißt die umstrittene Methode.

Am Mittwoch, so hofft Amnesty International Deutschland (ai), soll das Verwaltungsgericht München klären, ob diese Form der Kontrolle diskriminierend ist. Geklagt hat ein Deutscher mit Doktortitel, der im Januar 2014 im Regionalzug von Kempten nach Augsburg saß. Nur von ihm und von keinem anderen Fahrgast in seinem Waggon verlangten Beamte der Bundespolizei, sich auszuweisen. Der Kläger, der aus einem deutsch-indischen Elternhaus kommt, hat ähnliche Erfahrungen schon häufiger gemacht. Er ist überzeugt, dass seine Hautfarbe dabei eine Rolle spielt und es sich um rassistische Diskriminierung handelt. Deshalb verklagt der 40-Jährige wegen des konkreten Falls nun die Bundesrepublik. Sein Ziel: Das Gericht soll zu dem Schluss kommen, die beiden Bundespolizisten hätten rechtswidrig gehandelt, als sie ausgerechnet ihn aus allen anderen Fahrgästen auswählten. Der Vorwurf der Klage lautet, sie hätten damit gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes verstoßen.

Grundsätzlich ist die Methode ohnehin verboten

Würde ein Gericht dies erstmals feststellen, wäre das ein wichtiger Schritt im Kampf gegen „Racial Profiling“. Denn diese Methode ist in Deutschland grundsätzlich verboten, die Bundesregierung bestreitet auch, dass sie zum Einsatz kommt. Das Innenministerium verweist zur Legitimierung der beanstandeten Praxis stets auf das Bundespolizeigesetz, dessen Paragraf 22 Absatz 1a es zur Verhinderung unerlaubter Einreise den Beamten ermöglicht, in Zügen und Flughäfen jede Person kurzzeitig anzuhalten, zu befragen und deren Papiere zu prüfen.

Der Münchner Kläger verlangt von dem Gericht auch eine Prüfung, inwieweit das Gesetz zu diskriminierenden Kontrollpraktiken beiträgt. Andere Verwaltungsgerichte, so sieht es Amnesty International, seien einer solchen Klärung oder einer Verurteilung der Diskriminierung bislang ausgewichen.

Die Menschenrechtsorganisation nimmt das Münchner Verfahren zum Anlass, erneut ein politisches Vorgehen gegen die umstrittene Praxis zu fordern. „Bundesregierung und Landesregierungen müssen öffentlich anerkennen, dass Racial oder Ethnic Profiling in Deutschland existiert“, meint Anja Feth, Amnestyexpertin zum Thema Polizei und Menschenrechte. Sie müssten klarstellen, dass die Methode auch nicht zur Bekämpfung von Kriminalität eingesetzt werden dürfe. Nötig sei auch, dass die Politik das Ausmaß des Phänomens durch unabhängige Wissenschaftler klären lasse. Zudem müssten Mechanismen geschaffen werden, wie mögliche Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei geklärt werden können – auch für das Thema ethnische Diskriminierung. „Es wird Zeit, dass unabhängige Beschwerdestellen eingerichtet werden“, verlangt die Expertin.

Auch an den Bundestag und die Landtage appelliert Amnesty: Der Gesetzgeber solle den Paragrafen des Bundespolizeigesetzes über Kontrollen zur Verhinderung illegaler Einreise „streichen und vergleichbare Bestimmungen auf Länderebene einer grund- und menschenrechtlichen Überprüfung unterziehen“, meint Feth. Falls sich dann herausstelle, dass er den hehren Prinzipien des Grundgesetzes widerspricht, sei der Abschnitt des Gesetzes schlicht „aufzuheben“.

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