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Unmut auf der Straße. Hunderte, immer wieder auch Tausende Menschen haben gegen das Regime und seine Politik demonstriert.

© dpa

Proteste in Iran: Die Angst der Nachbarn

Viele arabische Staaten reagieren zurückhaltend auf die Proteste im Iran. Sogar Teherans erklärte Gegner wollen von offener Parteinahme wenig wissen.

Ein bisschen Schadenfreude, ein wenig Angst vor Unruhen im eigenen Land: Mit gemischten Gefühlen verfolgen die Regierungen muslimischer Staaten im Nahen Osten die Proteste im Iran. Zwar freuen sich einige Gegner der Islamischen Republik darüber, dass die Führung in Teheran in Bedrängnis gerät. Doch die regierungsamtlichen Reaktionen sind zurückhaltend. Von einer aktiven Unterstützung für die empörten Iraner kann erst recht keine Rede sein.

Denn arabische Staaten haben Angst vor innenpolitischen Spannungen. Der Schock des Arabischen Frühlings sitzt vielen Politikern und Herrschern noch in den Gliedern. Einige sorgen sich außerdem, dass die Proteste im Iran womöglich vom Westen gesteuert sein könnten. Auch der mächtige Mann des „Gottesstaats“, Ajatollah Ali Chamenei hatte explizit „Feinde“ des Landes für die Demonstrationen verantwortlich gemacht.

Der wachsende Einfluss des schiitischen Iran vor allem im Irak und in Syrien ist aus Sicht der sunnitischen Staaten unter Saudi-Arabiens Führung das größte Problem der Region überhaupt. Im Jemen liefern sich Saudis und Iraner inzwischen eine Art Stellvertreterkrieg.

Dennoch bricht bei den muslimischen Iran-Gegnern im Nahen Osten angesichts der Protestwelle und der damit verbundenen politischen Schwächung Teherans kein lautstarker Jubel aus. Einige Akteure stellen sich sogar auf die Seite der Teheraner Führung.

Türkei sucht Nähe

Besonders auffällig ist das beim Nato-Staat Türkei. Anders als die Golf-Araber und die Ägypter sucht Ankara inzwischen die Nähe zu Teheran. Nicht zuletzt, weil der Iran zu den wichtigsten Energielieferanten Ankaras zählt. Präsident Recep Tayyip Erdogan telefonierte denn auch mit seinem bedrängten Kollegen Hassan Ruhani und sagte, er hoffe auf „Frieden und Stabilität“ im Iran. Das Recht auf Demonstrationsfreiheit dürfe nicht für Straftaten ausgenutzt werden, betonte Erdogan – der damit ganz auf Ruhanis Linie liegt.

Bei der behaupteten Einflussnahme von außen auf die Geschicke des Iran sieht es ähnlich aus. Schon nach dem Putschversuch von Mitte 2016 hatten türkische Regierungspolitiker den USA eine Mitverantwortung zugewiesen. Derselbe Verdacht taucht jetzt wieder auf.

Nur zwei internationale Spitzenpolitiker unterstützten die Proteste im Iran, sagte Erdogans Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Das seien US-Präsident Donald Trump und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Der türkische Chefdiplomat vermutet, dass sich Amerikaner und Israelis nicht auf positive Kommentare beschränken: „Wir sind gegen eine Einmischung von außen“, sagte er. Saadet Oruc, eine Beraterin Erdogans, hatte bereits vor einigen Tagen gesagt, die Demonstrationen im Iran seien ein Zeichen für Destabilisierungsversuche des Westens in der Region.

Den Monarchien Angst eingejagt

In der regierungsnahen türkischen Presse werden die Vereinigten Staaten ganz offen für das Geschehen im Iran verantwortlich gemacht. Die Boulevard-Zeitung „Takvim“ meldete, Washington habe den US-Geheimdienst CIA mit dem Regierungsumsturz in Teheran beauftragt. Das Blatt „Milat“ verglich die Proteste im Iran mit den Gezi-Unruhen in der Türkei 2013 – auch damals hatten türkische Regierungspolitiker eine Einmischung des Westens beklagt.

Selbst auf der Führungsebene der Gegenspieler des Irans herrscht Zurückhaltung. Zwar war in Medien jener arabischen Länder, die zu den Gegnern zählen, von einem Aufschrei iranischer Normalbürger die Rede. Doch mit dem Unmut der Normalbürger ist das so eine Sache. Was derzeit vielfach beklatscht wird, jagte den Monarchien am Golf während des Arabischen Frühlings vor sieben Jahren einen gehörigen Schrecken ein.

Die Folgen der damaligen Aufstände wurden in Ägypten mit einem Putsch und in Bahrain mit einer saudischen Militärintervention bekämpft. Jetzt fällt es den Regierenden schwer, die iranischen Demonstranten öffentlich anzufeuern. Deshalb schweigen etliche Regierungen lieber.

Dennoch dürften die Unruhen im Iran gerade beim Erzrivalen Saudi-Arabien mit großer Genugtuung aufgenommen worden sein. Die staatsnahe Presse wettert schon seit Monaten ganz offen und mit scharfer Rhetorik gegen die „repressive“ Herrschaft der Mullahs.

So frohlockten die Medien gleich nach Beginn der Proteste, dass Teherans „Terrorregime“ nun am Ende sei. Für die Demonstranten gab es reichlich lobende Worte. Vor allem, weil sie den außenpolitischen Kurs des Irans beklagten. Die Empörten skandierten zum Beispiel „Vergesst Syrien, vergesst Libanon, vergesst Gaza, kümmert euch um uns“ – eine klare Rüge für das Regime.

Risiken für Saudi-Arabien

Denn Teheran investiert insbesondere seit dem Atomvertrag 2015 und dem Ende eines Großteils der internationalen Sanktionen Millionen, um den Einfluss des Irans zu vergrößern. Das wiederum wertet die saudische Führung als klaren Angriff auf den eigenen Machtanspruch im Nahen Osten. „Gerade Thronfolger Mohammed bin Salman fährt einen rigorosen Konfrontationskurs gegenüber dem schiitischen Erzrivalen“, sagt Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Trotz dieser erklärten Feindschaft wäre es allerdings für das saudische Königshaus ziemlich riskant, ganz offiziell die Unruhen im Iran zu begrüßen oder diese sogar zu unterstützen. So sehr und gerne Kronprinz bin Salman die Führung in Teheran attackiert – vor Kurzem nannte er Revolutionsführer Ali Chamenei einen „neuen Hitler“ –, eine offene Parteinahme für die iranische Bevölkerung wäre unglaubwürdig.

„Die saudischen Herrscher lassen ebenso wie das Regime in Teheran keine regierungskritischen Kundgebungen zu. Wer demonstriert, wird verhaftet oder unter Hausarrest gestellt“, sagt Experte Sebastian Sons. Ohnehin ist das Königshaus als Machthaber und Garant von Stabilität derzeit alternativlos. „Viele Menschen in Saudi-Arabien haben die Kriege in Syrien oder dem Irak als warnende Beispiele vor Augen. Sie fürchten Chaos, Anarchie und Extremismus.“ Für Thronfolger bin Salman ist das eine gute Herrschaftsgrundlage.

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