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Update

Proteste gegen Anti-Islam-Film: Demonstranten setzen deutsche Botschaft im Sudan in Brand

Im Sudan haben Demonstranten im blutigen Protest gegen ein islamkritisches Schmähvideo die deutsche Botschaft gestürmt und in Brand gesetzt. Nun hat sich Außenminister Guido Westerwelle zu den Vorfällen geäußert. Auch in vielen anderen Ländern gab es Proteste und Ausschreitungen mit mindestens einem weiteren Todesopfer.

Die muslimisch-arabische Welt ist nach Bekanntwerden eines anti-islamischen, in den USA produzierten Mohammed-Films weiterhin in Aufruhr. In mehr als einem Dutzend Ländern kam es nach den Freitagsgebeten zu gewalttätigen, teils blutigen Ausschreitungen. Ziel war erstmals auch eine deutsche Auslandsvertretung: In Sudans Hauptstadt Khartum stürmten hunderte wütende Demonstranten die Botschaft der Bundesrepublik und setzten sie teilweise in Brand. Zu Schaden kam aber offenbar niemand.

Laut einem Bericht des Fernsehsenders Al Dschasira rissen Demonstranten die auf dem Gebäude gehisste deutsche Flagge herunter und ersetzten diese durch eine schwarze Fahne mit islamischem Glaubensbekenntnis. Außerdem steckten sie ein Auto und Mülltonnen in Brand, bevor sie von der Polizei wieder vom Gelände vertrieben wurden und Richtung britische Botschaft weiterzogen.

Nach Angaben des US-Fernsehsenders CNN hatte ein Prediger der Zentralmoschee in Khartum zu Protesten vor der amerikanischen und der deutschen Botschaft aufgerufen. Dies sei auch damit begründet worden, dass eine „Berliner Organisation“ die Mohammed-Karikaturen aus der dänischen Zeitung „JyllandsPosten“ weiterverbreitet habe. Im August hatten Mitglieder der islamfeindlichen Partei Pro Deutschland vor Berliner Moscheen die Mohammed-Karikaturen gezeigt. Zudem habe der Prediger erklärt, muslimische Organisationen hätten sich über mangelnde Hilfe der deutschen Regierung beklagt. Beobachter halten es daher für möglich, dass die Attacke geplant und nicht spontan war. Sicherheitsexperten hatten angesichts der Krawalle vorsorglich Deutschlands diplomatische Vertretungen in „gefährdeten Regionen“ gewarnt.

Ein Video zum Angriff auf die deutsche Botschaft im Sudan:

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) bestätigte den Angriff auf die diplomatische Vertretung: „Der sudanesische Botschafter wurde heute Morgen einbestellt und unmissverständlich auf die Pflicht seiner Regierung zum Schutz diplomatischer Einrichtungen hingewiesen.“ Die Botschaftsmitarbeiter befänden sich derzeit in Sicherheit. Nach Angaben des Auswärtigen Amts hielt sich Botschafter Rolf Welberts zum Zeitpunkt der Angriffe nicht auf dem Gelände auf. Freitags sei die Vertretung ohnehin geschlossen. Westerwelle sagte, er verstehe zwar die Empörung über das „Hassvideo“. Der Film sei aber „keine Rechtfertigung für Gewalt“. Ähnlich äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Religiöser Fanatismus darf nicht die Oberhand gewinnen“, sagte sie.

In Bildern: Deutsche Botschaft in Brand gesteckt:

Westerwelle lobte die Bedeutung des Internets für die Revolution in arabischen Ländern. „Es gibt aber auch einen Fluch des Internets - nämlich, dass auch die verrücktesten und fanatisch verblendetsten Menschen ihr dümmstes Zeug ins Internet stellen können und dabei leider auch die Gefühle von vielen Menschen verletzen.“ Manche Menschen in der arabischen Welt wüssten nicht, dass dies nicht repräsentativ für die Einstellung im Westen sei. „Sie glauben, dass das in irgendeiner Form regierungsamtlich gebilligt wird.“

Bilder: Ausschreitungen vor US-Vertretungen in islamischen Ländern

Deutschland hatte zuvor aus Angst vor gewalttätigen Protesten gegen das Schmähvideo über den Propheten Mohammed die Sicherheitsvorkehrungen an diplomatischen Vertretungen in mehreren islamischen Ländern verschärft. „Wir Deutsche machen uns natürlich auch Sorgen um unsere eigenen diplomatischen Vertretungen in den betroffenen Ländern“, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“. Sicherheitsvorkehrungen seien bereits getroffen worden.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte: „Wir beobachten die Entwicklung der Sicherheitslage mit größter Aufmerksamkeit und haben unsere Sicherheitsvorkehrungen an einigen Auslandsvertretungen verschärft.“ Nach den Freitagsgebeten wurde allgemein erwartet, dass die bisherigen gewalttätigen Übergriffe zunehmen.

Alle Ereignisse vom Freitag können Sie hier zusammengefasst im Tickerformat nachlesen.

Proteste und tödliche Ausschreitungen auch in vielen anderen Ländern

Auch in vielen anderen muslimischen Staaten kam es aus Empörung über das auf Youtube veröffentlichte Video, in dem der Prophet beleidigt wird, ebenfalls zu gewalttätigen Protesten. Im Libanon, wo seit Freitag Papst Benedikt XVI. zu Besuch ist, wurde mindestens ein Mensch getötet. Es gab zahlreiche Verletzte. Auch in Ägypten kam es zu heftigen Zusammenstößen. „Mit unserer Seele und unserem Blut werden wir dich rächen, unser Prophet“, riefen einige hundert Menschen auf dem Kairoer Tahrir-Platz. Vor der dortigen US- Botschaft versammelten sich Randalierer, die Steine auf Polizisten warfen.

Video: Schmähfilmer: "Clinton schuld an Toten"

In Tunis wurde Amerikas diplomatische Vertretung angegriffen. Dabei sollen drei Menschen getötet und 28 verletzt worden sein. In Indonesien skandierte eine aufgebrachte Menge „Tod den Juden“ und „Tod Amerika“. Am symbolträchtigen 11. September waren bei einem Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi der Botschafter und drei seiner Mitarbeiter ums Leben gekommen.

Im Libanon, wo seit Freitag Papst Benedikt XVI zu Besuch ist, wurde mindestens ein Mensch getötet, 25 weitere wurden bei Protesten verletzt. In Jemen und Ägypten kam es nach den Freitagsgebeten zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. „Mit unserer Seele und unserem Blut werden wir dich rächen, unser Prophet“, riefen mehrere hundert Demonstranten auf dem Kairoer Tahrir-Platz. Als sie in Richtung der US-Botschaft ziehen wollten, setzte die Polizei Tränengas ein.
Auch in Indonesien, in Malaysia und in Afghanistan demonstrierten Muslime ihre Wut über den in den USA produzierten Film „Innocence of Muslims“ (Unschuld der Muslime). „Tod den Juden“ und „Tod Amerika“ riefen rund 200 Indonesier vor der nach den Angriffen auf die US-Vertretungen in Libyen, Ägypten und Jemen schwer bewachten US-Botschaft in Jakarta.

Video: Wütender Mob stürmt US-Botschaft im Jemen

In Kairo haben Islamisten eine Großkundgebung angekündigt. Sie fordern eine offizielle Entschuldigung Washingtons, da das Schmähvideo in den USA produziert wurde. In Saudi-Arabien, wo Demonstrationen verboten sind, wurde über den Kurznachrichtendienst Twitter ebenfalls zu Protesten vor den US-Vertretungen in Riad und Dschidda aufgerufen. Ein hochrangiger iranischer Religionsführer, Ajatollah Nouri Hamedani, drohte mit „noch harscheren Reaktionen“.

Im Jemen feuerten Sicherheitskräfte mit Tränengas und schossen mit scharfer Munition in die Luft, als rund 2.000 Demonstranten versuchten zur US-Botschaft in der Hauptstadt Sanaa zu marschieren. Bis zum Nachmittag gelang es der zahlenmäßig deutlich unterlegenen Polizei die Demonstranten in Schach zu halten. Erst am Donnerstag hatten aufgebrachte Muslime das Botschaftsgelände in Sanaa gestürmt und die Fahne der USA verbrannt. Am Donnerstag waren bei Protesten im Jemen vier Menschen getötet worden.

Angesichts der Proteste wurden die Sicherheitsvorkehrungen an den US-Botschaften weltweit verschärft. Die USA schickten nach Medienberichten neben einer Einheit von Elitesoldaten auch zwei Kriegsschiffe vor die Küste Libyens.

Der Film „Innocence of Muslims“ („Die Unschuld der Muslime“), der den Propheten Mohammed verunglimpft, führt seit Tagen zu Ausschreitungen gegen diplomatische Einrichtungen der USA. Die Regierung in Washington rechne damit, dass sich die Proteste fortsetzten, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama. Der Freitag sei „traditionell ein Tag von Protesten in der muslimischen Welt“. Die mächtige Muslimbruderschaft in Ägypten rief zu landesweiten Protesten nach dem Abendgebet am Freitag auf. Auch in Jordanien forderten salafistische Prediger die Gläubigen auf, vor die US-Botschaft zu ziehen.

Macher des islamfeindlichen Films steht unter Polizeischutz

US-Außenministerin Hillary Clinton hob hervor, die Macher des Films hätten keinerlei Verbindungen zum Staat: „Lassen Sie mich sehr deutlich sagen - und ich hoffe, das ist klar -, dass die Regierung der Vereinigten Staaten absolut nichts mit diesem Video zu tun hat. „ Der Film sei „geschmacklos und verwerflich“. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte den „Hassfilm“ am Donnerstag erneut. Die Macher des Videos strebten offenbar an, „ein Blutbad zu provozieren“.

Die Proteste hatten am Dienstag in der ägyptischen Hauptstadt Kairo begonnen, wo Islamisten die US-Botschaft stürmten. In der libyschen Küstenstadt Bengasi wurden am selben Tag bei einem Angriff auf das US-Konsulat der US-Botschafter Chris Stevens und drei Mitarbeiter getötet, auch libysche Sicherheitskräfte starben. Im Jemen wurden am Donnerstag vier Menschen bei Protesten gegen den Film vor der US-Botschaft getötet. In Kairo wurden bei neuen Ausschreitungen am Donnerstag mehr als 200 Menschen verletzt. Weitere Proteste gab es unter anderem im Iran und Irak, in Israel, dem Gazastreifen, Jordanien, Sudan und Tunesien.

Bilder: Ausschreitungen vor US-Vertretungen in islamischen Ländern

Der jemenitische Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi entschuldigte sich bei Obama für die Angriffe des „Mobs“ und ordnete eine Untersuchung an. Der am Mittwoch gewählte libysche Regierungschef Abu Schagur sagte AFP zum Tod der US-Bürger in seinem Land, es habe Festnahmen gegeben und weitere würden folgen. Angaben zur Zahl der Festnahmen und zum politischen Hintergrund wollte er nicht machen, „bis wir alle Fakten kennen“. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, die Ermittlungen seien „sehr kompliziert“, weil in der Menge vor dem US-Konsulat sowohl Extremisten als auch gewöhnliche Bürger gewesen seien.

Der mutmaßliche Macher des islamfeindlichen Films steht in den USA derweil unter Polizeischutz. „Wir haben eine Bitte erhalten und wir antworten darauf. Wir sind die Garanten der öffentlichen Sicherheit“, sagte der Sprecher des Sheriffs von Los Angeles am Donnerstag AFP. Er machte weder Angaben dazu, wer die Behörden um Hilfe gebeten habe, noch zur genauen Art des Polizeischutzes.

Das Haus von Nakoula Basseley Nakoula im Ort Cerritos südlich von Los Angeles stand am Donnerstag unter Bewachung der Polizei, wie ein AFP-Fotograf vor Ort berichtete. Der 55-Jährige leitet nach eigenen Angaben die Produktionsfirma des Films. Er bestritt, der Autor des Films zu sein, der unter dem Pseudonym „Sam Bacile“ auftritt. Allerdings führte eine Handynummer, unter der „Sam Bacile“ US-Medien ein Interview gab, zu ihm. Israel hat sich von dem Autor und dem Film distanziert. Zunächst hatte es geheißen, der Produzent habe für den rund zweistündigen Film fünf Millionen Dollar (3,9 Millionen Euro) von rund 100 jüdischen Spendern eingesammelt.

Nach dem tödlichen Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi, bei dem in der Nacht zum Mittwoch der US-Botschafter Chris Stevens und drei weitere Amerikaner getötet worden waren, nahmen Ermittler mehrere Verdächtige fest. Zur Identität und Zahl der mutmaßlichen Angreifer machte der stellvertretende Innenminister Wanis al-Scharif keine Angaben. US-Sicherheitskreise vermuten das Terrornetzwerk Al-Qaida hinter der Attacke. Der Sprecher einer Islamisten-Miliz aus der ostlibyschen Stadt bestritt jedoch, in den Angriff auf das US-Konsulat verwickelt gewesen zu sein. Die Ansar al-Scharia-Brigade habe bei den Protesten keine Rolle gespielt, sagte ihr Sprecher nach Berichten der libyschen Nachrichtenagentur Lana. (dpa/dapd/AFP)

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