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ARCHIV - Flüchtlinge gehen am 03.11.2015 von der Notunterkunft nahe der oberösterreichischen Ortschaft Hanging (Österreich) auf die deutsche Seite Richtung Wegscheid (Bayern/Deutschland) zu einem bereitgestellten Bus. Foto: Peter Kneffel/dpa (zu dpa "«Wirtschaftsweise»: Kosten für Flüchtlinge tragbar" vom 11.11.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++

© dpa

Prognose der fünf Wirtschaftsweisen: Zuwanderung nach Deutschland ist finanziell verkraftbar

Der Sachverständigenrat rechnet für 2016 mit Flüchtlingskosten von bis zu 14 Milliarden Euro. Deutschland kann sich das leisten. Aber: beim Mindestlohn sollen Flüchtlinge wie Langzeitarbeitslose behandelt werden.

Deutschland kann die Herausforderung durch die wachsende Flüchtlingszahl in finanzieller Hinsicht meistern. Das ist das Fazit der fünf „Wirtschaftsweisen“, die am Mittwoch in Berlin ihr Jahresgutachten vorgelegt haben. Der aus fünf Ökonomen bestehende Sachverständigenrat geht in seinen Prognosen davon aus, dass die Kosten für die öffentlichen Haushalte durch die Flüchtlinge in diesem Jahr zwischen 5,9 und 8,3 Milliarden Euro liegen werden.

Für 2016 rechnen sie mit staatlichen Ausgaben zwischen 9,0 und 14,3 Milliarden Euro – abhängig davon, wie viele Flüchtlinge tatsächlich kommen, wie lange die Asylverfahren dauern und wie die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt. Die prognostizierten Ausgaben reichen demnach von 0,2 bis 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung.

Mindestlohn: Flüchtlinge wie Langzeitarbeitslose behandeln

Der Sachverständigenrat bleibt in Frage, wie der Arbeitsmarkteffekt durch die Flüchtlinge sein wird, sehr vage. Im günstigsten Fall könnten bis 2020 eine halbe Million Flüchtling auf dem Arbeitsmarkt unterkommen, im schlechtesten Fall dagegen nur 250.000. „Dem stehen bis zum Jahr 2020 etwa 300.000 bis 350.000 arbeitslose anerkannte Flüchtlinge gegenüber“, heißt es im Bericht der fünf Ökonomen. Nach deren Ansicht hängt der Erfolg der Arbeitsmarktintegration auch von Änderungen beim Mindestlohn ab.

Sie schlagen zwar nicht vor, die bisherige Untergrenze von 8,50 Euro abzusenken. Doch sollte sie in den nächsten Jahren keinesfalls steigen. Und Flüchtlinge sollten den gleichen Status wie Langzeitarbeitslose bekommen, was bedeuten würde, dass für sie in einer Anfangsphase im Job der Mindestlohn nicht gezahlt werden müsste. Zudem fordert der Sachverständigenrat, dass diese Befreiung vom Mindestlohn bis zu zwölf Monate dauern soll und nicht sechs Monate wie bisher. Auch Praktika sollten ein Jahr lang vom Mindestlohn ausgenommen werden.

Abschaffung der Mietpreisbremse

Da der Sachverständigenrat davonausgeht, dass die Nachfrage nach Wohnraum durch Flüchtlinge steigen wird, fordert er die Abschaffung der Mietpreisbremse – als Anreiz für private Investoren stärker in den Wohnungsbau einzusteigen.

Ihren Prognosen hat der Sachverständigenrat unter Vorsitz des Wirtschaftswissenschaftlers Christoph M. Schmidt eine deutliche Zunahme der Anerkennungsquote zugrunde gelegt.

Das Gremium, das seinen Bericht am Mittwoch der Kanzlerin und dem Wirtschaftsminister vorlegte, geht von einem Anstieg auf 60 Prozent aus. 2014 lag die Anerkennungsquote (also der Anteil der Flüchtlinge, die einen zumindest vorübergehenden Aufenthaltsstatus in Deutschland bekommt) bei 30 Prozent. Die Steigerung geht darauf zurück, dass mehr Flüchtlinge vor allem aus Syrien und dem Irak kommen, während die Zahl aussichtloser Bewerber vom Balkan und aus Nordafrika zurückgeht. Mit einem schnellen Ende der Flüchtlingsmigration rechnen die Ökonomen nicht. In ihrem Basisszenario gehen sie von einem Rückgang von einer Million in diesem Jahr auf 200000 Flüchtlinge im Jahr 2020 aus. Unterstellt wird eine Gesamtverfahrensdauer von einem Jahr (also von der Einreise über die Antragsstellung bis zum Bescheid). Dann, so heißt es im Bericht, werde der Anteil von Flüchtlingen mit einem Job von 40 auf 70 Prozent steigen, die Erwerbslosenquote von anfangs 80 auf 20 Prozent sinken.

Gelingt es aber, die Asylverfahren zu beschleunigen, könnte die Erwerbsquote auf 80 Prozent gesteigert werden, der Arbeitslosenanteil dagegen auf zehn Prozent sinken. Auch eine verstärkte Integration durch Sprachkurse und andere Bildungsangebote, die zunächst zu höheren Ausgaben führen würde, dürfte nach Ansicht des Sachverständigenrats die Arbeitsmarktintegration beschleunigen. Da aber viele Flüchtlinge dennoch nicht in Jobs unterkommen werden, rechnen die Fünf Weisen mit einem Anstieg der Zahl registrierter Arbeitsloser auf mehr als drei Millionen in den kommenden Jahren.

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