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Der Kampf um eine dritte Amtszeit des Präsidenten Pierrre Nkurunziza ist nicht ausgestanden. Ein Demonstrant in der Hauptstadt Bujumbura wirft Reifen auf brennende Barrikaden. Seit mehr als vier Wochen wird in der Hauptstadt fast täglich demonstriert.

© Goran Tomasevic/Reuters

Politische Krise in Burundi: Letzte Chance für Frieden in Burundi

In einem Gastbeitrag warnt der ehemalige Generalsekretär der Organisation für Afrikanische Einheit davor, dass in Burundi ein neuer Bürgerkrieg ausbrechen könnte. Die Regierung müsse die Menschenrechte achten, und alle sollten sich um Deeskalation bemühen, fordert er.

Vor fünfzehn Jahren wurde ich als Generalsekretär der Organisation für Afrikanische Einheit Zeuge eines historischen Friedensvertrags in der tansanischen Stadt Aruscha, der Burundi nach zehn grausamen Jahren des Bürgerkriegs Frieden brachte. Mit Nelson Mandela an meiner Seite sah ich den Beginn einer neuen Ära für dieses Land voller Konflikte in einer Region, die noch unter dem Schock des Völkermords im benachbarten Ruanda stand.

Diesen schwer errungenen Frieden sehe ich nun in unmittelbarer Gefahr. Der Putschversuch vor wenigen Wochen ist des jüngste Anzeichen dafür, dass Burundi wieder am Abgrund steht. Wenn nicht sofort deeskalierende Maßnahmen ergriffen werden, könnte das Land erneut im Bürgerkrieg versinken. Jetzt ist für Präsident Nkurunziza und seine Regierung der Zeitpunkt gekommen, Mut und Führungsstärke zu zeigen. Zum Wohle aller Menschen Burundis muss die politische Führung für die Einheit des Landes kämpfen, und zwar mit den Mitteln des Dialogs und einer Reihe konkreter Schritte.

Die Wahlen sollten verschoben werden

Erstens muss der Präsident erkennen, dass die politische Situation und die Sicherheitslage derzeit nicht die geeigneten Bedingungen für friedliche, glaubwürdige, transparente und allgemeine Wahlen bieten. Diese Bedingungen zu schaffen, muss nun für die Regierung und die internationale Gemeinschaft Priorität haben.

Zweitens muss die Regierung ihre entschiedene demokratische Haltung unter Beweis stellen und die Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung respektieren. Protestierende dürfen nicht mit den Putschisten gleichgesetzt werden, die die Macht an sich reißen wollten. Ganz gleich, was für oder gegen eine dritte Amtszeit des Präsidenten sprechen mag, haben die burundischen Bürger das Recht, friedlich zu demonstrieren und ihre Meinung zu äußern, ohne von der Polizei angegriffen zu werden.

Die Medien sollten berichten dürfen

Drittens sollte die Regierung die Beschränkungen für die Medien und das Internet aufheben. Den Zugang zu Informationen zu verweigern, führt nur zu weiterer Unsicherheit und erhöht die Spannungen. Willkürliche Festnahmen und Menschenrechtsverletzungen haben ebenfalls schlimme Folgen und verstoßen gegen internationale Standards und rechtsstaatliche Grundsätze. Alle willkürlich Festgenommenen und von der Polizei Inhaftierten sollten bedingungslos freigelassen werden.

Schließlich muss sich die Regierung von ihren gewalttätigen Unterstützern und militanten Anhängern distanzieren und trennen. Anlass zur Sorge gibt vor allem die Jugendorganisation der Regierungspartei namens Imbonerakure. Oppositionsführer müssen auch Gewaltbereite auf Seiten der Protestierer im Zaum halten.

Die internationale Gemeinschaft muss Druck ausüben

Die Regierung Burundis darf aber die Last nicht allein tragen. Eine unverzichtbare friedensstiftende Rolle für Burundi spielen auch die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Ostafrikanische Gemeinschaft, die Afrikanische Union und die Vereinten Nationen. Der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union äußerte sich in einem starken Statement entschlossen, Sanktionen gegen diese andauernde Gewalt zu verhängen, rief zur Stationierung von Menschenrechtsbeobachtern auf und forderte eine Krisenplanung für eine Friedensmission zum Schutz von Zivilisten. Diesen Forderungen müssen nun Taten folgen.

Damit „alle erforderlichen Maßnahmen“ eine abschreckende Wirkung gegen weitere Gewalt entfalten, müssen sie glaubwürdig sein. Die AU sollte daher vom UN-Sicherheitsrat fordern, gegen Burundi Sanktionen zu verhängen. Da auch die Stationierung von Menschenrechtsbeobachtern eine wichtige abschreckende Wirkung gegen Menschenrechtsverletzungen haben könnte, müssen ernsthafte Verhandlungen beginnen, damit diese Beobachter schnell eingesetzt werden können.

Es steht viel auf dem Spiel

Die andere unerlässliche abschreckende Maßnahme ist die strafrechtliche Verfolgung. Wer zu Gewalt aufruft oder Gewalt ausübt muss wissen, dass er persönlich zur Rechenschaft gezogen wird, und zwar unabhängig von seiner Position oder politischen Zugehörigkeit. Als Mitgliedstaat des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) kann Gewaltverbrechern aus Burundi dort der Prozess gemacht werden.

Alle sollten sich klarmachen, was auf dem Spiel steht: Die Bilanz des Bürgerkriegs zwischen1993 und 2005 waren 300 000 Tote und eine Million Vertriebene. Sowohl die Geschichte Burundis als auch des benachbarten Ruanda führt uns vor Augen, welche tragischen Konsequenzen es haben kann, wenn politische Führer zu Gewalt aufrufen oder diese nicht unter Kontrolle halten können. In Ruanda wurden 1994 innerhalb von 100 Tagen 800 000 Tutsis und Hutus, die sich gegen den Völkermord stellten, umgebracht. Über die mögliche Gefahr für Menschenleben würde eine Rückkehr zur Gewalt das Abkommen von Aruscha zunichte machen und auf die gesamte Region eine destabilisierende Wirkung haben. Wenn es keine koordinierten internationalen Maßnahmen zur Deeskalation der Situation gibt, befürchte ich das Schlimmste.

Als ich im Jahr 2000 stolz Zeuge des Friedens- und Versöhnungsabkommens von Aruscha wurde, teilte ich mit der gesamten Bevölkerung Burundis die Hoffnung auf einen dauerhaften  Frieden. An diesem entscheidenden Wendepunkt in Burundis Geschichte rufe ich alle Beteiligten zu einem ernsthaften Dialog auf, um den Frieden in Burundi und in der gesamten Region zu bewahren.

Der Autor, Salim Ahmed Salim, war Außen-, Verteidigungs- und Premierminister von Tansania sowie Generalsekretär der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), der Vorläuferorganisation der Afrikanischen Union.

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