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Auf Pflege angewiesen. Bis 2030 muss Berlin 14 000 zusätzliche Heimplätze bereitstellen, haben Forscher errechnet.

© Kitty Kleist-Heinrich

Pflegeheime in Deutschland: Berlin muss am stärksten zulegen

Berlin sieht ganz schön alt aus. Bis zum Jahr 2030 braucht die Hauptstadt 14 000 zusätzliche Plätze in Pflegeheimen, haben Forscher errechnet. Das wäre die höchste Steigerungsquote bundesweit.

Von allen Bundesländern ist Berlin am wenigsten auf den Pflegebedarf durch die alternde Bevölkerung vorbereitet. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) am Montag in Berlin präsentierte. In den nächsten 15 Jahren müssten die Pflegeheim-Kapazitäten in der Hauptstadt demnach um 38 Prozent steigen, wenn es bei dem derzeitigen stationären Versorgungsanteil bleibt. Das entspräche 14 000 zusätzlichen Heimplätzen, hinzu kämen bis zu 8000 Vollzeitstellen in der ambulanten Pflege. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen müsste der Bestand nur um 23, in Bayern um 13 Prozent und im Saarland fast gar nicht aufgestockt werden.

Trend geht zu professioneller Pflege

Anders als die Bundesregierung gehen die Wissenschaftler nicht davon aus, dass Heimpflege zunehmend „out“ werden und der Anteil von ambulant erbrachter Pflege durch Angehörige oder Nachbarn in Zukunft merklich steigen könnte. Im Gegenteil: Bundesweit sei eher ein Trend zu mehr professioneller Pflege zu beobachten, sagte Institutsdirektor Michael Hüther. Zu berücksichtigen seien zudem eine weiter steigende Erwerbstätigenquote von Frauen und die wachsende Zahl von Alleinstehenden und Kinderlosen.

Von den 50- bis 64-Jährigen – also denen, die 2030 im Pflegealter sind – lebte in der Single-Hauptstadt Berlin im Jahr 2014 mehr als jeder Dritte allein. Und mehr als jede fünfte der 58- bis 67-jährigen Frauen hatte keine Kinder. Eine Politik, die primär auf den Ausbau ambulanter Pflege setze, drohe „die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen zu verfehlen“, warnte Hüther.

44 Prozent mehr Pflegebedürftige in Berlin

Berlin werde bis 2013, so die IW-Prognose, auch den bundesweit stärksten Zuwachs an Pflegebedürftigen verzeichnen. Ihre Zahl steige von derzeit gut 117 000 bis 2030 auf knapp 170 000, heißt es in der Studie – das wäre ein Zuwachs um 44 Prozent. Auf dem zweiten Platz folgt, mit 39 Prozent, das Land Brandenburg. Dort kämen zu den derzeit rund 107 000 Pflegebedürftigen nochmal knapp 42 000 dazu. Nötig wären nach den Berechnungen der Experten dafür 9800 zusätzliche Heimplätze.

Und als Altenheim Deutschlands steht Brandenburg nach den Vorhersagen des Statistischen Bundesamtes in 15 Jahren ganz oben auf dem Treppchen. Auf 100 Bewohner zwischen 20 und 64 kämen dort dann 66, die älter sind. So alt sieht dann kein anderes Bundesland aus.

Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung sind schon jetzt in den ostdeutschen Flächenländern deutlich mehr Bürger pflegebedürftig als im Westen. Ihr Anteil schwankt zwischen 3,9 Prozent in Sachsen und 4,6 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern. Den geringsten Anteil an Pflegebedürftigen hat Bayern mit einer Quote von 2,7 Prozent. Berlin kommt auf 3,4 und Brandenburg auf 4,4 Prozent.

Größter Handlungsbedarf in Ostdeutschland

Bis 2030 müsse bundesweit mit 670 000 bis 828 000 zusätzlichen Pflegefällen gerechnet werden, heißt es in der Studie. Bei den absoluten Zuwächsen stehen bevölkerungsreiche Länder wie NRW ganz oben. In Relation zur Gesamtbevölkerung indessen hat der Osten den stärksten Zuwachs an Pflegefällen zu erwarten. Und in den neuen Ländern gibt es aus Expertensicht auch deshalb größeren Handlungsbedarf, weil die Heime dort schon jetzt zu 93 bis 97 Prozent ausgelastet sind.

In Bayern und Rheinland-Pfalz liegt die Belegungsquote bei nur 81 und 82 Prozent, dort ist also aus Expertensicht noch ein wenig Luft. Jedoch entspreche auch „gut ein Drittel“ des bisherigen Heimbestands nicht mehr den Qualitätsanforderungen, sagte Hüther – den besseren Zustand hätten die meist neueren Heime in Ostdeutschland.

Investitionsbedarf gibt es aber auch in der ambulanten Pflege. Selbst wenn man eine Produktivitätssteigerung von 0,4 Prozent (wie bei den Kliniken) unterstelle, müsse der Personaleinsatz bis 2030 um „mindestens 19 bis 25 Prozent“ erhöht werden, heißt es in der Studie. Und ähnlich viel sei in die zugehörige Infrastruktur zu investieren.

Zahlreiche Informationen zur Pflege in Berlin gibt es im Magazin "Tagesspiegel Pflegeheime" (12,80 Euro, erhältlich unter www.tagesspiegel.de/shop oder im Zeitschriftenhandel).

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