zum Hauptinhalt
Der Kohlendioxid-Ausstoß stagnierte 2014 das erste Mal seit Jahrzehnten. Eine Trendwende ist das aber vermutlich noch nicht.

© picture alliance / dpa

Petersberger Klimadialog: Suche nach Kompromissen auf halber Strecke

Ende dieses Jahres soll ein globales Klimaabkommen unterzeichnet werden. Umweltpolitiker aus aller Welt diskutieren von heute an in Berlin, wie es aussehen könnte. Wie stehen die Chancen auf einen Kompromiss?

An diesem Montag beginnt in Berlin der sechste Petersberger Klimadialog. Bis Dienstag diskutieren Umwelt- und Klimaminister aus aller Welt darüber, wie sie den Verhandlungsprozess hin zu einem neuen globalen Klimaabkommen unterstützen können. Nach dem Desaster des Kopenhagener Klimagipfels 2009 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2010 dieses Diskussionsforum auf halber Strecke zwischen den Gipfeln etabliert. In einem informellen Gesprächsrahmen soll möglichst offen nach Kompromisslinien gesucht werden.

Wo stehen die Klimaverhandlungen sieben Monate vor dem Pariser Gipfel?

Im Vergleich zum Kopenhagener Gipfel, bei dem zuletzt ein neues Klimaabkommen hätte ausgehandelt werden sollen, ist der Pariser Gipfel deutlich besser vorbereitet. Seit Februar liegt ein Verhandlungstext vor, der zwar 86 Seiten umfasst und vor allem darüber Aufschluss gibt, worüber es noch keine Einigungen gibt. Aber vor dem Kopenhagener Gipfel gab es nicht einmal einen Text, über den hätte verhandelt werden können.

Der entscheidende Unterschied zur Situation vor sechs Jahren ist, dass die USA und China inzwischen nicht mehr nur als Bremser auftreten. Die Regierung des amerikanischen Präsidenten Barack Obama verfolgt derzeit einen bemerkenswert ehrgeizigen Klimakurs. Obama hat in den vergangenen Monaten mehrfach seine Kompetenzen voll ausgeschöpft, um klimapolitische Fortschritte zu ermöglichen. Ein Beispiel ist der Regulierungsvorschlag der obersten Umweltbehörde EPA zum Kohlendioxidausstoß von Kraftwerken. Damit wird der Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken ziemlich unattraktiv.

Im Herbst 2014 haben Obama und sein chinesischer Kollege Xi Jinping einen Vertrag vorgelegt, in dem sich beide Staaten zum Klimaschutz bekannten und das mit konkreten Zielsetzungen verbunden haben. Die USA haben diese Zusage inzwischen auch in einem sogenannten INDC (Intended Nationally Determined Contribution) beim UN-Klimasekretariat in Bonn niedergelegt. Demnach wollen die USA bis 2025 ihren Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 2005 um 26 bis 28 Prozent senken. Unabhängige Experten des Climate Action Trackers, einer Initiative von vier Klimainstituten unter anderen des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, halten das von den USA vorgelegte Ziel auch für erreichbar. China stellte im November in Aussicht, den Höhepunkt seiner Treibhausgasemissionen bis 2030 zu erreichen und sie danach zu senken. Dafür soll vor allem die Energieeffizienz deutlich steigen. Außerdem soll der Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 bei 20 Prozent liegen. Am Wochenende kündigte US-Außenminister John Kerry bei einem Besuch in Peking eine noch intensivere amerikanisch-chinesische Zusammenarbeit an, um die „Art globaler Vereinbarung zu erreichen, die wir brauchen, um die Gefahr eines unkontrollierbaren Klimawandels zu bannen“.

Ein weiteres Kennzeichen der globalen Verhandlungssituation ist die Fortsetzung einer Entwicklung, die sich 2009 bereits abzeichnete: Die alten Verhandlungsbündnisse zeigen immer mehr Friktionen. Es gibt mehr und mehr neue Bündnisse von Staaten mit ähnlichen Interessen, die sich zum Teil deutlich von den Positionen der Verhandlungsgruppen unterscheiden, die sie bisher vertreten sollten. Das eindrücklichste Beispiel ist die Gruppe der 77, die bisher sämtliche Entwicklungsländer vertreten sollte und mehr und mehr von China dominiert worden ist. Auch die alte Verhandlungsachse zwischen den USA, Kanada und Australien (Umbrella Group) funktioniert immer weniger. In Australien ist seit einigen Monaten mit Tony Abbot ein Premierminister am Ruder, der den Klimawandel insgesamt bezweifelt, und Kanada vertritt inzwischen fast nur noch die Interesse der Ölsand-Industrie, die während der Hochpreisphase für Erdöl die kanadische Wirtschaft komplett zu ihren Gunsten gestalten konnte. Das passt zu den erneuerten Klimaambitionen des US-Präsidenten zunehmend weniger.

Ist das vereinbarte Ziel, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu halten, erreichbar?

Bis Ende März hätten eigentlich die INDCs aller mehr als 190 Staaten der Klimarahmenkonvention vorliegen sollen. Bis zum 15. Mai lagen gerade mal zehn dieser Länderpläne vor. Den bisher letzten hat Kanada am vergangenen Freitag eingereicht. Nach Einschätzung des Carbon Action Trackers reichen die Pläne nicht aus, um innerhalb des Zwei-Grad-Ziels zu bleiben. Die Wissenschaftler bewerten alle bisher eingereichten Pläne, die Schweiz war übrigens am schnellsten, als mittelmäßig. Die Europäische Union hat den im Oktober bei einem EU-Gipfel ausgehandelten Kompromiss einer in allen 28 Staaten verbindlichen 40-Prozent-Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 angeboten. Im Ziel enthalten ist ein unverbindliches Vorhaben, die Energieeffizienz um 30 Prozent zu erhöhen, und ein zwar verbindliches, aber nicht auf die Staaten heruntergebrochenes Ausbauziel für erneuerbare Energien auf 27 Prozent bis 2030. Im EU-Ziel ebenfalls enthalten ist eine Ankündigung, auch den Beitrag von Wäldern und Landnutzung in das Ziel einzuarbeiten. Allerdings ist völlig unklar, wie das aussehen soll.

Russland und Kanada haben die bisher schwächsten Pläne vorgelegt. Russland bietet eine Treibhausgasminderung von 25 bis 30 Prozent im Vergleich zu 1990 an. Da allerdings die Aufnahmekapazität der Wälder maximal ausgeschöpft wird – ohne das gestiegene Waldbrandrisiko einzubeziehen – liegt das reale Angebot bei gerade mal minus sechs bis elf Pro-zentpunkte. Im Vergleich zu 2012 würden die russischen Emissionen um 30 bis 38 Prozent steigen. Kanada hat eine Emissionsminderung von 30 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2005 angeboten. Kanada hat seinen Treibhausgasausstoß in den vergangenen Jahren aber deutlich erhöht. Im Vergleich zur kanadischen Wirtschaftskraft ist das angebotene Klimaziel völlig unangemessen, urteilen die Forscher des Climate Action Trackers.

Deutlich ehrgeiziger sind Mexiko und Gabun, die ihre INDCs ebenfalls innerhalb der Frist vorgelegt haben. Mexiko will den Höhepunkt seiner Emissionen 2026 erreicht haben. Danach sollen sie deutlich um 25 Prozentpunkte unterhalb der erwarteten Emissionen ohne Minderungspolitik sinken. Mexiko will sein Angebot auf minus 40 Prozent unterhalb der vorhersehbaren Emissionen senken, wenn der Pariser Gipfel erfolgreich verläuft. Jennifer Morgan, Klimaexpertin des World Ressource Institutes in Washington, bewertet den Vorschlag Mexikos als „sehr ermutigend“. Sie hofft, dass weitere Schwellenländer sich diesen Plan „zum Vorbild nehmen“. Gabun wiederum, das erste Entwicklungsland, das seinen Plan vorgelegt hat, will seine Emissionen bis 2025 halbieren. Sie sind zwar nicht besonders hoch, aber das politische Signal ist stark.

Was tut Deutschland?

Die Gastgeberin des Petersberger Klimadialogs, Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), kämpft derzeit hart darum, dass Deutschland sein für 2020 zugesagtes Klimaziel, den Treibhausgasausstoß um 40 Prozent zu senken, auch erreicht. Im Dezember hat sie ein Klimaaktionsprogramm durch das Kabinett gebracht, das die fehlenden Prozentpunkte bringen soll. Aktuell streitet die Bundesregierung mit der Energiewirtschaft um einen Extra-Klimabeitrag der Stromwirtschaft von weiteren 20 Millionen Tonnen CO2, die bis 2020 vermieden werden sollen. Die Energiewirtschaft kritisiert, dass vor allem Braunkohlekraftwerke diesen Beitrag bringen sollen. Sie sind der Auffassung, dass sich mit der Einführung eines Klimabeitrags für alte Kohlekraftwerke die gesamte Stromerzeugung aus Braunkohle nicht mehr lohne. Bis zur Sommerpause will die Regierung einen Kompromiss mit der Industrie ausgehandelt haben. Bisher sind die Fronten jedoch noch ziemlich verhärtet.

Was kann der Petersberger Klimadialog erreichen?

Angela Merkel will sich in Berlin vor allem dafür einsetzen, dass „die Klimafinanzierung, die (wir) schon in Kopenhagen versprochen haben, auch wirklich gewährleistet wird“. Die Industriestaaten hatten damals zugesagt, dass sie von 2020 an jedes Jahr 100 Milliarden Dollar für den Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels in armen Ländern aufbringen würden. Bisher ist die Bilanz jedoch mager. Von den bisher zugesagten 10,2 Milliarden Dollar im Grünen Klimafonds sind bisher vier Milliarden Dollar tatsächlich eingezahlt worden. Merkel sagte in ihrer wöchentlichen Klimabotschaft, dass ohne konkrete Finanzierungsabsichten die Entwicklungsländer und auch die vom Klimawandel besonders betroffenen Länder keiner Verabredung zustimmen dürften.

Merkel würde sich wünschen, dass der Handel mit Verschmutzungsrechten der Industrie, also CO2-Zertifikaten, über Europa hinaus eingeführt werden könnte. Dann hätte man weltweit gleiche Rahmenbedingungen. „Und das würde es uns auch ermöglichen, den Zertifikatehandel auch in Europa noch auf weitere Bereiche auszuweiten“, sagte sie. Sie sehe dafür aber wenig Chancen, fügte Merkel hinzu. Im Vorfeld des Dialogs lud EU-Klimakommissar Arias Canete zu einem Treffen der EU-Minister ein. Er sagte: „Wir brauchen einen Vertrag, der die globale Emissionskurve nach unten bringt.“ In Berlin wollen die Minister versuchen, Kompromisse zu finden. Das ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich.

Zur Startseite