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Bundeskanzlerin Angela Merkel steht unter Druck - auch innerparteilich.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Vor der Groko-Entscheidung: Warum nicht nur die SPD große Probleme hat

Die SPD wackelt. Doch für die anderen Parteien besteht kein Grund zur Häme - auch bei ihnen läuft es derzeit nicht rund. Ein Überblick.

CDU

Als sich Angela Merkel für ihre vierte Kandidatur entschied, spielte „Stabilität“ als Wert und Begriff eine zentrale Rolle. Nach dem Trump-Schock erschien die Kanzlerin auch vielen parteipolitischen Gegnern als Hort der Verlässlichkeit. Seit dem Wahltag hat dieses Bild Risse, und sie werden mit jedem weiteren Tag ein bisschen breiter, den sich die Regierungsbildung hinzieht. Lässt der SPD-Parteitag oder später die SPD-Basis auch den zweiten Anlauf platzen, wäre ihr Ruf als geschickte Maklerin bedroht. Wer Stabilität verspricht, sie aber nicht liefern kann, bekommt unabhängig von der Schuld am Chaos ein Problem.

Für die CDU stellt sich dann die Frage: Trotzdem weiter mit Merkel? Für die große Mehrheit der CDU-Führungsleute lautet die Antwort derzeit: Mit wem sonst? Wer sonst sollte ein mehrstufiges Kanzlerwahlverfahren stoisch durchstehen, danach eine – kurze – Zeit als Minderheitskanzlerin regieren oder den Bundespräsidenten gleich von Neuwahlen überzeugen? Mit wem sonst sollte die Union dann so kurzfristig antreten? Doch unter der geschlossenen Oberfläche der CDU nutzt sich das Stabilitätsargument ab. Mit jedem Tag etwas mehr. bib

CSU

Im CSU-Vorstand haben sie die Sondierungsergebnisse mit der SPD zwar in beeindruckender Geschlossenheit abgesegnet. Doch auch bei den Christsozialen läuft es nicht so rund, wie es ihr Spott über den „Zwergenaufstand“ bei den Sozis glauben machen soll. Nach dem Desaster bei der Bundestagswahl steht Mitte Oktober mit der Landtagswahl der entscheidende bayerische Urnengang an, und in aktuellen Umfragen eiert die erfolgsverwöhnte Partei immer noch bei 40 Prozent herum.

Die CSU-Strategen haben bislang kein Rezept, wie die angeschlagene Truppe unter ihrem neuen Vormann Markus Söder wieder zu alter Stärke finden könnte. Kümmert sie sich zu wenig um den rechten Rand, kann die AfD in Bayern womöglich noch stärker abgrasen. Rückt sie zu stark nach rechts, verprellt sie ihren christlich-konservativen Wählerstamm. Söder hat daher jetzt erstmal „Landespolitik pur“ angekündigt. In der Pose des Kümmerers will er den Wählern das Gefühl nehmen, dass nur für Flüchtlinge Geld da sei und für Einheimische nicht. Ein teurer Spagat, der beide Seiten bedienen soll, dummerweise aber auch das Bekenntnis enthält, dass das CSU-regierte Bayern noch lange nicht das von Horst Seehofer gepriesene „Paradies“ ist. raw

FDP

Das größte Problem der FDP? Die Freien Demokraten. Das Jamaika-Scheitern hat die Partei bis heute nicht richtig erklären können. Weil das so ist, hat sie in den Umfragen gelitten, wenn auch nicht so sehr, dass die Parteiführung nervös würde. Wobei sich seit Ende November, als FDP-Chef Christian Lindner das Scheitern der schwarz-gelb-grünen Gespräche verkündete, die Frage stellt, wer eigentlich die Parteiführung der FDP ist. Lindner allein? Oder gibt es ein Team, das nicht nur aus seinem Umfeld besteht? Selbst unter Hans-Dietrich Genscher ließ sich die FDP nicht so sehr auf eine Person reduzieren.

Ein Scheitern der Groko brächte sie wieder zurück in die Entscheidungsmühle. Sie muss sich dann erklären. Ein weiterer Jamaika-Versuch? Generalsekretärin Nicola Beer lehnt das kategorisch ab. Parteivize Wolfgang Kubicki klang schon mal weniger eindeutig. Unterstützung für eine schwarz- grüne oder schwarze Minderheitsregierung? Vielleicht. Aber wie sagte Beer? Mit Union und Grünen hätte die FDP ihr Ziel einer Modernisierungsagenda für Deutschland, den von Lindner angesagten großen Wurf nicht machen können. Was zur Frage führt: Mit wem will die FDP das umsetzen? Ihre Hoffnung ist jetzt vorerst die Groko, von der Lindner im Wahlkampf sagte, man müsse sie unbedingt ablösen. afk

Welche Probleme haben Linke, Grüne und AfD?

Was haben Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine mit der Linken vor?
Was haben Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine mit der Linken vor?

© dpa

Linke

Katja Kipping, die Parteichefin, feierte am Freitag ihren 40. Geburtstag. Die Party in der Parteizentrale am Rosa-Luxemburg-Platz zeigt, was gegenwärtig in der Linken nicht stimmt. Gregor Gysi feiert Kipping und spricht ihr Mut zu, der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch kommt deutlich zu spät, Fraktionschefin Sahra Wagenknecht fehlt ganz, Ex-Parteichef Oskar Lafontaine sowieso.

In der Linken tobt ein erbitterter Machtkampf, bei dem sich inhaltliche Streitpunkte überlappen mit persönlichen Feindschaften und nicht auf Anhieb plausiblen strategischen Allianzen. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Linkspartei doch eigentlich profitieren könnte von der Schwäche der SPD und der Herausforderung durch den Rechtsruck in Deutschland und Europa. Doch irgendwas haben Wagenknecht und Lafontaine vor.

Was allerdings hinter ihrer seit Herbst erhobenen Forderung nach einer politischen „Sammlungsbewegung“ steckt, weiß noch niemand genau. Soll – konkurrierend – etwa eine Liste „Team Sahra“ bei möglichen Neuwahlen kommen? Die gezielt betriebene Ablösung von Kipping und Riexinger auf dem bevorstehenden Parteitag im Juni in Leipzig? Wer Lafontaine kennt, weiß, dass mit allem zu rechnen ist. m.m.

Grüne

Die Grünen können von allen potenziellen Regierungsparteien am gelassensten abwarten, wie sich die SPD entscheidet. Als die Jamaika-Sondierungen im November scheiterten, war die Enttäuschung groß in der Ökopartei. Sie hatte sich darauf gefreut, nach zwölf Jahren in die Regierung zurückzukehren. Doch die kurze Depressionsphase ist überwunden. Und vor keinem Szenario müssen sich die Grünen fürchten – weder vor der großen Koalition noch vor Neuwahlen, denn in Umfragen haben sie leicht zugelegt (siehe Politbarometer).

Kommt das Bündnis der Volksparteien zustande, wird es den Klima- und Datenschützern viel Profilierungsmöglichkeit bieten. Falls der SPD-Sonderparteitag aber die Tür zur großen Koalition zuschlägt, sind Bündnis 90/Die Grünen wahrscheinlich wieder als Regierungspartner der Union gefragt – entweder in einer Neuauflage der Jamaika-Gespräche oder aber als Ermöglicher einer Minderheitsregierung. Ob sie dann ins Kabinett eintreten oder nur politische Bedingungen stellen, ist offen. Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger scheint auf eine neue Runde zu hoffen. Sie twitterte: „Hab heute Nacht echt geträumt, es wären wieder Jamaika-Sondierungen. Ein Omen?“ hmt

AfD

Die streitbare Vorsitzende Frauke Petry weg, die Umfragewerte stabil und die Kassen ausreichend gefüllt – die AfD präsentierte sich in den Monaten nach der Bundestagswahl als zufriedene Partei, der auch Neuwahlen nichts ausmachen würden. Doch nachdem der Sohn von Tennis-Legende Boris Becker auf dem Twitter-Account des sächsischen AfD-Abgeordneten Jens Maier als „Halbneger“ beleidigt wurde, zeigte sich, dass die Partei noch immer die alten Probleme plagen.

Erstens: Einige Radikale prägen nach wie vor das Bild der AfD nach außen. Es gibt in der Partei durchaus Mitglieder, die das ärgert. Aber nur wenige äußern sich. Zweitens: Rote Linien und Abgrenzungen kommen innerhalb der Partei sehr schlecht an. Im Fall von Jens Maier begnügte man sich deshalb mit einer Abmahnung. Los wird man Leute wie ihn nicht. Drittens: Die Partei will Bürgerliche und Protestwähler gleichermaßen ansprechen. Doch was Protestwähler anzieht, schreckt so manchen Bürgerlichen ab. Im Fall von Neuwahlen kann die AfD erneut ihre Strategie der Bundestagswahl fahren – geschickte bis indiskutable Provokation – aber langfristig muss sie sich auf einen Kurs festlegen. fiem

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