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Ramush Haradinaj gilt als aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Regierungschefs.

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Update

Parlamentswahl am Sonntag: Zwischen Serbien und Kosovo droht neuer Streit

Ein Jahr vor dem regulären Termin wählt das Kosovo heute ein neues Parlament. Nationalistische Parteien haben die besten Chancen. Der Balkan kommt nicht zur Ruhe.

Im Kosovo wird an diesem Sonntag gewählt – und womöglich eskaliert danach der Konflikt mit den ehemaligen jugoslawischen Anrainern. Ein Jahr vor dem regulären Termin sind 1,4 Millionen wahlberechtigte Kosovaren zur Abstimmung aufgerufen. Die bislang regierende Koalition aus den konservativen, wirtschaftsliberalen Parteien PDK und LDK zerbrach im Mai.

Die Spitze der PDK, die nach dem Kosovo-Krieg 1999 aus der Untergrundmiliz UCK hervorgegangen war, schloss sich mit anderen Ex-UCK-Funktionären zu einer „Kriegsflügel“ genannten Allianz zusammen. Der PDK-Vorsitzende und Parlamentspräsident Kadri Veseli verabredete sich dazu mit den Parteien Nisma und AAK. AAK-Chef Ramush Haradinaj gilt als aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Regierungschefs. Er war zu Jahresanfang in Frankreich festgehalten worden, weil Serbien seine Auslieferung wegen etwaiger Kriegsverbrechen beantragt hatte. Auch das heizte die Stimmung an.

Einst war das Kosovo eine serbische Provinz, in der neben der albanischen Mehrheit immer auch Serben, Roma, Balkantürken und Mazedonier lebten. Nach dem von der Nato unterstützten Abspaltungskrieg 1999 erklärte sich das Kosovo 2008 für unabhängig. Bislang erkennen 110 Staaten das Land an, darunter auch Deutschland. Die meisten Serben haben das Kosovo verlassen, Belgrad fordert den Staat als autonome Provinz zurück.

1,4 Millionen wahlberechtigte Kosovaren sind zur Abstimmung aufgerufen.
1,4 Millionen wahlberechtigte Kosovaren sind zur Abstimmung aufgerufen.

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Sollte das Dreier-Bündnis gewinnen, dürfte das nicht nur die Serben provozieren, sondern auch Mazedonien und Montenegro – auch dort leben starke albanische Minderheiten. Interessant wird zudem das Ergebnis für die Vetevendosje – was „Selbstbestimmung“ bedeutet. Die mit VV abgekürzte, linksnationalistische und obrigkeitskritische Partei war bislang drittstärkste, unter jungen Leuten in den Städten sogar stärkste Kraft. Der charismatische VV-Kandidat Albin Kurti saß in serbischer Haft, wettert seit der Unabhängigkeit vor allem gegen Korruption und Misswirtschaft ehemaliger UCK-Männer.

Die Arbeitslosenquote im Kosovo liegt bei 35 Prozent

Die Arbeitslosenquote in Kosovo liegt bei 35 Prozent. Jeder zweite Einwohner ist jünger als 25 Jahre. Viele wollen nach Deutschland, Italien oder Österreich. Die VV verkündete angesichts des maroden Sozialwesens: „Wir werden das staatliche Gesundheitssystem ausbauen und im ganzen Land entwickeln.“ In den Straßen Pristinas sind „Vetevendosje“-Parolen an den Wänden allgegenwärtig.

Kurti fordert zudem den Abzug der ausländischen KFOR-Schutztruppe. Noch sind neben 7000 Amerikanern auch 600 Bundeswehrsoldaten im Kosovo stationiert. Die VV steht in dieser Frage den drei EU- und USA-freundlichen Parteien der neuen Allianz unversöhnlich gegenüber. Einig sind sich die Kontrahenten mit Blick auf Serbien: Sie alle wollen die Autonomie der slawischen Minderheit im Kosovo beschneiden und dem Nachbarland grundsätzlich härter gegenüber treten.

Außerdem haben die vier Parteien versprochen, noch in diesem Jahr dafür zu sorgen, dass der Visa-Zwang für Kosovaren bei Reisen in die EU abgeschafft wird. Dies dürfte derzeit kaum eine europäische Regierung wollen. In Den Haag wollen internationale Richter demnächst albanische Kriegsverbrechen aufarbeiten – Taten, die vor allem an Serben begangen wurden.

Weil die Kosovaren sich von der EU anderes erhofft hatten, wächst in dem Balkanstaat der Einfluss türkischer und saudischer Stellen. Einige Beobachter sprechen von einer Reislamisierung. In Jugoslawien spielte Religion  kaum eine Rolle. Und obwohl die Mehrheit der Albaner formal muslimischen Glaubens ist, führte erst die Arbeit arabischer Imame und türkischer Funktionäre dazu, dass in Pristina heute verschleierte Frauen auf den Straßen zu sehen sind. Die Türkei hatte nach dem Krieg 1999 Privatschulen aufgebaut, die Saudis finanzieren Moscheen.

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