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Olaf Scholz: Finanzminister, Vizekanzler, Kanzlerkandidat.

© Tobias Schwarz/AFP

Olaf Scholz und seine Bilanz als Finanzminister: Wumms und Schatten

Seit gut zwei Jahren führt der Kanzlerkandidat der SPD das Finanzressort. Was hat er da geleistet? Wie hat er sich bewährt?

Berlin, Wilhelmstraße 97, Bundesministerium der Finanzen: Die Adresse, die vor einigen Monaten noch wie die Endstation in der politischen Karriere von Olaf Scholz wirkte, als er im Führungsstreit in der SPD scheiterte, kann nun also auch zur Zwischenstation werden. Der neue Kanzlerkandidat der SPD leitet das Finanzressort seit März 2018. Er hat das Ministerium seither auch als Vizekanzleramt ausgerichtet, und das auch schon mit Blick auf die nun erreichte nächste Stufe der Karriere. Zielstrebig ist Olaf Scholz immer gewesen.

Es hat nicht wenige sozialdemokratische Finanzminister gegeben, neun Vorgänger in der eigenen Partei hat Scholz, beginnend mit Alex Möller im Oktober 1969. Lange Amtszeiten findet man hier nicht nicht, Hans Eichel ist schon der König mit sechseinhalb Jahren unter Kanzler Gerhard Schröder. Immerhin: Karl Schiller und Helmut Schmidt waren auch in diesem Amt. Und Peer Steinbrück. Zwischen politischer Größe und politischem Glück einerseits, Pech und Pannen andererseits war bei den SPD-Finanzministern somit alles drin.

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Wo also ist der künftige Kanzlerkandidat der SPD da zu verorten? Wie alle seine Vorgänger aus der eigenen Partei ist er die Sache pragmatisch angegangen. In einer Koalition mit der Union lässt sich progressive Programmatik ohnehin nicht ausleben. So hat Scholz im Grunde eine alte Devise von Schröder für sein Amt übernommen, als er Wolfgang Schäuble (und die Interimsbesetzung namens Peter Altmaier) ablöste: Nicht grundlegend anders, aber besser.

Scholz und die schwarze Null

Das galt nicht zuletzt für den Grundansatz dieser Regierung in der Haushaltspolitik. Die schwarze Null galt auch unter Scholz als Richtschnur. Aber was hätte er auch sonst tun können angesichts der Haushaltsüberschüsse? Die prägten seine beiden Anfangsjahre – es war mehr Geld da, als man ausgeben konnte. Eine zügige, breite und voluminöse Steuersenkung – vor allem über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags – hatten jedoch weder Union noch SPD im Sinn. Die Politik des Geldzurücklegens für eventuell schlechtere Zeiten wurde nach 2017 fortgeführt. Zu massiven Neuausgaben kam es nicht, auch wenn Scholz die Investitionsquote nach oben schrauben konnte. Ein glühender Anhänger einer Politik der schwarzen Null ist er somit nicht gewesen, es waren eher die Umstände, die ihn pragmatisch daran festhalten ließen.

Und als die Corona-Epidemie begann, legte der Finanzminister so zügig einen anderen Gang ein, als hätte er nur darauf gewartet. „Bazooka“ und „Wumms“ waren nun seine Schlagworte, erkennbar wollte er als treibende Kraft bei der finanziellen Bewältigung der Krise durch die Milliardenprogramme, die hohe Neuverschuldung, die beiden Nachtragsetats erscheinen, als der Mann, der keine Kosten scheut, um diese Herausforderung anzunehmen und zu meistern. Seit März ist Scholz im Rettermodus. Allerdings fiel ihm auch niemand in den Arm – CDU und CSU verfolgen diese Linie bisher ja ebenfalls.

Wirecard und Schulden

Was den Ausblick in das Wahlkampfjahr betrifft, muss der Kandidat nun vor allem den Wirecard-Untersuchungsausschuss fürchten, der sich anbahnt. Mit dem Ankündigen von Reformen bei der Aufsicht ist Scholz in die Vorwärtsverteidigung gegangen, ohne schon verlässlich liefern zu können. Denn ob sich alles, was er vorschlägt, mit der Union umsetzen lässt, ist keineswegs sicher. Damit kann er dann zwar Wahlkampf machen, aber jede Erwähnung dieser Reformen lässt eben das Thema Wirecard mitschwingen. Ob und wie weit hier mögliche Pannen in seinem Ressort oder der Bafin an ihm kleben bleiben, bleibt abzuwarten. Ein oder zwei unangenehme Vorladungen in den Ausschuss könnten aber im Wahlkampf auf ihn zukommen.

Die zweite Herausforderung lautet, im Wahlkampf seine Rolle als solider Haushälter glaubwürdig weiterzuspielen. Mit der hohen Neuverschuldung, die zum Teil tatsächlich getilgt werden muss (so will es die Schuldenbremse im Grundgesetz) sind die Spielräume in den Etats der kommenden Jahre natürlich kleiner geworden. Üppige Versprechungen kann die SPD also nicht machen, will sie nicht Scholzens Profil als Vernunftpolitiker schreddern. Das gibt nicht zuletzt der Linken die Gelegenheit zum Kitzeln: Insbesondere die Zukunft der Schuldenbremse wird da zum Thema werden.

Drei weniger glückliche Aktionen

Und im Rückblick? Verglichen mit der soliden Haushaltspolitik bis März und dem „Bazooka-Wumms“ seither hat Scholz zumindest bei drei größeren Projekten weniger souverän agiert. Die Finanztransaktionssteuer hat er noch vorangetrieben, als längst klar war, dass sie ein Flop werden wird. Da zeigte sich Olaf der Sture. Die Aktiensteuer, die dann als Torso übrigblieb, sollte die Grundrente mitfinanzieren, was der SPD den Vorwurf eintrug, Kleinsparer zu belasten, die in Fonds investieren.

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Bei der Grundsteuerreform überraschte Scholz im Herbst 2018 alle Seiten mit einem eigenen Vorschlag, den außer ihm kaum jemand akzeptabel fand – der Herr des Verfahrens war er hier schnell nicht mehr. Sein Plan, der auf das Ziel größtmöglicher Gerechtigkeit ausgerichtet, aber damit eben auch recht komplex war, wurde im Hin und Her mit den Ländern und den Koalitionspartnerinnen CDU und CSU zerrieben.

Auch bei der Altschuldenhilfe für Kommunen mit hohen Kassenkreditlasten, deren Ablösung durch den Bund er in seinem SPD-internen Wahlkampf in Aussicht stellte, fiel Scholz auf die Nase. Auch hier konnte er den Widerstand der Union nicht überwinden und stand am Ende als Verlierer da. Zu sehr war das Vorhaben auf Kommunen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ausgerichtet, zu sehr war es ein reines SPD-Projekt - da fanden sich zu wenige Mitstreiter im Bund wie in den Ländern hinter Scholz zusammen. 

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