zum Hauptinhalt
Kim Jong UN und Präsident Donald Trump drohen sich immer wieder aufs Neue.

© Wong Maye-E/AP/dpa

Nordkorea gegen USA: Eine neue Weltordnung

Die Erde steht am Rand eines Atomkriegs - oder am Beginn einer Epoche, in der China globale Verantwortung übernimmt. Das hängt von Peking ab. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Erstmals seit der Kubakrise 1962 balanciert die Erde am Rand eines Atomkriegs. Nur heißt der US-Präsident nicht John F. Kennedy, sondern Donald Trump. Sein Gegner ist nicht die Sowjetunion, die bei allem Machtwillen unkalkulierbare Risiken scheute, sondern die Steinzeitdiktatur Nordkorea. Deren junger, international unerfahrener Chef Kim Jong Un will die Atomwaffen nicht aufgeben. Sie sind für ihn die Überlebensgarantie.

Apokalyptische Drohungen mit Feuermeeren

Die USA nehmen jedoch nicht hin, dass so ein Regime sich Atomraketen verschafft, die US-Millionenstädte erreichen. Das galt unter Clinton, Bush und Obama; das gilt unter Trump. Die Eskalation lässt frösteln: Kim droht in apokalyptischer Sprache mit einem „Feuermeer“ in den USA. Trump reagiert in einer für sein Amt ungewohnten Schärfe mit „Feuer und Zorn“. Nun kündigt Kim Angriffe auf die US-Basis Guam an. Von diesem Stützpunkt im West-Pazifik aus kann Amerika rasch militärisch handeln.

Die Welt steht am Abgrund, aber der Sturz hinein ist vermeidbar. In der Gefahr wächst das Rettende auch. Im besten Fall erzwingt die Bedrohung, dass die viel beschworene „Neue Weltordnung“ sich mit Leben füllt. In erster Linie hängt das von China ab. Peking kann die Kriegsgefahr durch einen Mix aus Sanktionen und Diplomatie verringern – oder eine unkontrollierte Eigendynamik zulassen. Im ersten Fall würde China sich zu seiner globalen Mitverantwortung bekennen; im zweiten weiter nationale Interessenpolitik betreiben und die Lösung unliebsamer Probleme anderen zuschieben.

China wartet ab. Es fürchtet zwei Horrorszenarien

Peking kontrolliert 90 Prozent des nordkoreanischen Außenhandels, könnte Kim also zu Verhandlungen zwingen. Bisher setzt es dieses Erpressungspotenzial nicht ein. Es spielt auf Zeit, um sich nicht zwischen zwei Horrorszenarien entscheiden zu müssen. Das eine tritt ein, wenn das Regime in Pjöngjang fällt, zum Beispiel weil die Sanktionen zu hart werden und die Nordkoreaner zur Hungerrevolte treiben. Die Fluchtbewegung würde China destabilisieren; Korea würde vereinigt, als Verbündeter der USA. Die Konsequenz für Peking bisher: Bloß nicht zu viel Druck auf Nordkorea.

Die andere Horrorvorstellung ist Krieg vor der Haustür, womöglich mit Atomwaffeneinsatz. Es käme zu einer Wirtschaftskrise; China könnte das Wachstum nicht mehr erzielen, das es benötigt, um die vielen internen Konflikte zu lindern und sich so Frieden im Volk zu erkaufen, vom Stadt-Land-Gegensatz über die Umweltprobleme bis zu ethnischen und religiösen Spannungen.

Die USA und Nordkorea setzen Peking beide unter Druck

Kim und Trump nutzen diese Ängste brutal aus. Beide wollen China auf ihre Seite zwingen. Kims Botschaft: Lasst mich machen; das ist besser für Peking als ein vereinigtes Korea und US-Soldaten direkt an Chinas Grenze. Trumps Gegenbotschaft: Zwingt Nordkorea zur Aufgabe der Atomwaffen samt internationaler Kontrolle nach Vorbild des Atomdeals mit dem Iran. Nur dann gibt es keinen Krieg. Ganz Korea würde atomwaffenfrei. Die USA sichern zu, dass sie keinen Regimewechsel in Pjöngjang anzetteln. Falls die diplomatische Lösung nicht bald gelingt, führen die USA einen Militärschlag gegen das Atomprogramm. Dann stürzt Kim sowieso. Korea würde vereinigt. Und China erleidet den Wirtschaftseinbruch durch Krieg samt Folgen.

Südkorea ist durch konventionelle Waffen stärker bedroht

Da ist noch Südkorea, formal ein US-Verbündeter. Doch Präsident Moon versucht Trump von einem Militärschlag abzuhalten. Der Krieg würde in Korea geführt, die Hauptstadt Seoul mit zehn Millionen Bürgern liegt im Bereich der Artillerie und der Kurzstreckenraketen Nordkoreas. Die USA würden Kim besiegen, Südkorea aber unsäglich leiden. Die konventionelle Rüstung des Nordens wirkt de facto abschreckender als die Atomraketen. Kann Trump China trotz dieser Gemengelage zum Handeln bewegen?

Das jüngste Votum im UN-Sicherheitsrat macht Mut. Mit 15 zu null Stimmen beschloss er schärfere Santionen gegen Nordkorea. Auch China und Russland stimmten dafür. Die Frage ist, ob sie die Strafmaßnahmen auch durchsetzen.

1962 verständigten sich die USA und die UdSSR. Die Kubakrise leitete die Wende vom Wettrüsten zur Rüstungskontrolle und zum Abzug von Raketen ein. 2017 kann die Koreakrise zu einer Weltordnung führen, in der die USA und China sich die globale Verantwortung teilen. Wenn nicht, wird es blutig.

Zur Startseite