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Eine Wählerin geht in Erbil zur Wahlurne. In den nordirakischen Kurden-Gebieten hat am Montagmorgen die umstrittene Volksabstimmung über die Unabhängigkeit begonnen.

© dpa

Update

Nordirak: Referendum über ein unabhängiges Kurdistan beginnt

Im Nordirak dürfen fünf Millionen Einwohner über ein unabhängiges Kurdistan anstimmen. Die Zentralregierung bezeichnet das Referendum als verfassungswidrig.

Im kurdischen Nordirak hat an diesem Morgen trotz internationaler Proteste das Referendum über ein unabhängiges Kurdistan begonnen. Selbst Kritiker der Abstimmung erwarten, dass eine Mehrheit der Wähler für einen eigenen Staat stimmen wird. Wahlberechtigt sind fünf Millionen Einwohner, darunter mehrheitlich Kurden verschiedenen Glaubens, aber auch Christen und die meist sunnitischen Araber und Turkmenen der Region.

Die irakische Zentralregierung in Bagdad bezeichnete die Abstimmung als verfassungswidrig, was die Kurden bestreiten. Streit gab es zudem, weil die kurdische Regionalregierung auch in südlicheren Gebieten wählen lässt, die formal unter Bagdads Hoheit stehen. Dazu gehört die Ölprovinz Kirkuk, die von den kurdischen Peschmerga-Truppen des Regionalpräsidenten Massoud Barzani vor zwei Jahren im Kampf gegen den “Islamischen Staat” eingenommen wurde.

Barzani machte wiederholt die Zentralregierung für das Referendum verantwortlich: Irak habe die Kurden jahrzehntelang unterdrückt. An die Nachbarstaaten Türkei und Iran gerichtet sagte Barzani, ein unabhängiges Kurdistan wäre ein Stabilitätsfaktor in der Region. Sowohl die Türkei als auch Iran hatten zuletzt Truppen an der Grenze zur Kurdenregion zusammengezogen. Die Herrscher der Nachbarländer befürchten ein Aufbegehren der Kurden in ihren eigenen Staatsgrenzen. Die meisten Kurden leben in der Türkei.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan drohte der kurdischen Führung im Nordirak wegen des Unabhängigkeitsreferendums am Montag mit einer Blockade ihrer Erdöl-Exporte gedroht. Er wolle sehen, wie die politische Führung dann ihr Erdöl verkaufen wolle, sagte Erdogan in Istanbul. „Das Ventil ist bei uns. Sobald wir das Ventil abdrehen, ist es auch damit vorbei.“ Die Kurden im Nordirak exportieren ihr Öl über die Türkei. Erdogan drohte außerdem mit einer militärischen Intervention im Nordirak nach dem Vorbild des türkischen Einmarsches in Syrien. „Wir können eines Nachts ganz plötzlich kommen“, sagte er. So sei die Türkei auch in Syrien verfahren. „Wenn es sein muss, werden wir nicht davor zurückschrecken, auch im Irak solche Schritte zu unternehmen.“ Das Referendum nannte der Präsident „null und nichtig“. Die Türkei werde das Ergebnis der „illegalen“ Volksabstimmung nicht anerkennen. Die deutsche Bundesregierung wird die Abstimmung wohl nicht anerkennen, bislang hat nur Israel angekündigt, dort ein Kurdistan zu akzeptieren.

In Syrien gibt es ebenfalls kurdische Autonomiezonen

Die Türkei bombardiert seit Jahrzehnten in den nordirakischen Kandilbergen die Camps der Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die in Deutschland verbotene PKK, die für eine Föderalisierung in Nahost kämpft, liefert sich mit der türkischen Armee seit den Achtzigern einen Krieg liefert. Im Kampf gegen die Islamisten wird ihr indirekt von den USA geholfen: In Iran und Syrien sind populäre PKK-Schwesterparteien aktiv. In all diesen Ländern gibt es zudem Ableger der nordirakischen Regierungsparteien KDP und PUK.

In Nordirak dominiert Barzanis Familie die konservative KDP und deren Sicherheitskräfte. Während die Familie des irakischen Ex-Präsidenten, des Kurden Dschalal Talabani, die sozialdemokratisch orientierte PUK führt. Qubad Talabani, der zweite Sohn des Ex-Präsidenten Dschalal Talabani, sagte am Montag: “Heute beginnt die erste Phase eines langen Prozesses, der erst nach vielen Diskussion enden wird.”

In Syrien gibt es ebenfalls eine Rojava genannte kurdische Autonomiezone. Dort haben die Kurden vergangene Woche die Gemeinderäte wählen lassen, völlig unabhängig von den Bürgerkriegsparteien im Rest des Landes. Irak und Syrien werden als Zentralstaaten, da sind sich internationale Beobachter weitgehend einig, nicht mehr zu retten sein. Unklar ist, wie die Türkei und der Iran langfristig reagieren. Die rund 30 Millionen Kurden scheiterten bislang mit Staatsgründungen am Widerstand aller Herrscher der Region. (mit dpa)

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