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„Der extreme Gegensatz zwischen Arm und Reich hat meinen Blick auf das Wesentliche geschärft“, sagt Althusmann über seine Zeit in Namibia.

© Rainer Droese/imago

Neuwahlen in Niedersachsen: Der forsche Herr Althusmann

CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann, Pastorensohn und früherer Bundeswehroffizier, will der SPD in Hannover die Macht entreißen. Vielen gilt er inzwischen als Scharfmacher.

Noch steht er als Berater mit dynamisch vorgestreckter Faust im edlen Fotoreigen auf der Internetseite einer kleinen, aber feinen Hamburger Personalagentur. Doch diesen Job könnte Bernd Althusmann bald mit dem Posten des niedersächsischen Ministerpräsidenten tauschen. Der CDU-Landeschef tritt bei den vorgezogenen Neuwahlen am 15. Oktober mit sehr guten Chancen gegen Amtsinhaber Stephan Weil (SPD) an.

Die Union liegt in allen Umfragen weit vor den Genossen; dabei profitiert sie nicht nur von der bundespolitischen Großwetterlage, sondern auch vom mehr als unglücklichen Agieren der inzwischen geplatzten rot-grünen Koalition. So schlagen sich Staatskanzlei und SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies mit peinlichen Vergabeaffären etwa um fehlerhafte Aufträge für den neuen Werbeslogan des Landes „Niedersachsen. Klar“. Und Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) steht wegen Unterrichtsausfall, holpriger Inklusion und Lehrerarbeitszeiten unter Dauerbeschuss von schwarz-gelber Opposition und den Bildungsverbänden.

Althusmann will das "rot-grüne Chaos" beenden

Dieses „rot-grüne Chaos“ will nun der frühere Kultusminister Althusmann beenden. Seine im vergangenen Sommer aufgenommene Hamburger Headhunter-Tätigkeit soll wie sein zweieinhalbjähriger Afrika-Aufenthalt nur eine Zwischenstation auf dem Weg zum Chefsessel in Niedersachsen sein. „Umwege erhöhen die Orientierung“, lautete das Credo des Reserveoffiziers anlässlich seiner Rückkehr aus Namibia. Nach der Abwahl der CDU/FDP-Landesregierung durch Rot-Grün 2013 leitete der Diplompädagoge und Diplombetriebswirt die Adenauer-Stiftung in Namibia. „Der extreme Gegensatz zwischen Arm und Reich hat meinen Blick auf das Wesentliche geschärft und mich gelassener gemacht“, berichtete Althusmann über seine Polit-Auszeit.

Er wäre durchaus mit seiner Patchworkfamilie gern länger in Afrika geblieben, doch daheim in der norddeutschen Tiefebene arbeitete der nach seiner schmerzhaften Niederlage inzwischen ins Europaparlament entschwundene Ex-Ministerpräsident David McAllister hinter den Kulissen beharrlich am Comeback seines Vertrauten. Vor knapp einem Jahr wurde Althusmann schließlich zum CDU-Spitzenkandidaten ausgerufen, im November bestätigt und gleichzeitig zum Nachfolger McAllisters als Unionsvorsitzender gekürt.

Zu Beginn des Jahres schaltete er in den Scharfmacher-Modus

Zunächst schien der Pastorensohn seinen zwischen 2010 und 2013 im Ministeramt erworbenen Ruf als eher liberaler Pragmatiker zu bestätigen. Damals hatte der gebürtige Oldenburger maßgeblichen Anteil daran, dass die CDU ihr striktes Nein zu den von vielen Eltern geforderten neuen Gesamtschulen lockerte. Selbst die eher CDU-kritische Lehrergewerkschaft GEW konnte gut mit dem Minister. Nach seiner Nominierung kündigte Althusmann folgerichtig eine Art Schulfrieden an: Er wolle die Schulen von weiteren Strukturreformen verschonen. „Ideologie hat in der Schulpolitik nichts zu suchen“, meinte der dreifache Familienvater. „Es geht dort um die Zukunft der Kinder.“ Gleichzeitig sprach er sich für ein Einwanderungsgesetz aus. Angesichts wachsender Terrorgefahren schaltete Althusmann zu Beginn des Jahres dann jedoch auf den Scharfmacher-Modus, den Freunde wie Gegner noch aus seinen Zeiten als knallharter Parlamentsgeschäftsführer unter dem damaligen CDU-Ministerpräsidenten Christian Wulff kannten. Prompt verzettelte sich der eigentlich akribische Aktenleser. So nutzte er nicht belegbares Hörensagen über mögliche Behördenpannen im Fall des Berliner Attentäters Anis Amri für Forderungen nach mehr Härte bei der inneren Sicherheit und handelte sich eine Vorladung bei der Polizei ein.

Vor einigen Monaten trennte er sich von seinem Sprecher

Einen Schwenk vollzog Althusmann auch bei der Inklusion, die er als Chef des Kultusressorts noch selbst mit angeschoben hatte. „Wir brauchen ein Moratorium“, sagte er mit Blick auf zahlreiche Beschwerden und Klagen von Eltern. Wegen vieler Probleme beim gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern müsse man eine mindestens einjährige Pause einlegen und vor allem das Aus für die Förderschulen stoppen. In der Lehrerschaft gab es zudem Irritationen, weil Althusmann Anrechnungsstunden für nichtunterrichtliche Tätigkeiten komplett streichen wollte. Ein Missverständnis, hieß es später.

Es war nicht das einzige Kommunikationsproblem, das sich nicht mehr durch forsches Auftreten kaschieren ließ. Auch die Anbindung zur CDU-Landtagsfraktion schien nicht immer reibungslos zu klappen. Althusmann, dem kein Mediencoup mehr so recht gelingen wollte, trennte sich vor einigen Monaten von seinem Sprecher, einem engen Vertrauten aus Ministeriumszeiten. Inzwischen hat er im Agrarministerium einen scharfzüngigen Nachfolger und strammen CDU-Parteigänger gefunden – rechtzeitig, um in den beginnenden Wahlkampf einzusteigen.

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