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Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat den Konflikt zwischen den Nato-Ländern Türkei und Deutschland entschärft.

© dpa

Nato-Stützpunkt in der Türkei: Bitte keine übertriebene Prinzipientreue!

Deutsche Parlamentarier dürfen als Mitglieder einer Nato-Delegation deutsche Soldaten in der Türkei besuchen. Das ist keine tolle Lösung, aber eine praktikable. Sie sollte akzeptiert werden. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

In der Politik werden Probleme meistens nur zur allgemeinen Unzufriedenheit gelöst. Insofern ist der Kompromiss, der Bundestagsabgeordneten jetzt den Besuch deutscher Soldaten auf der türkischen Nato-Basis Konya ermöglicht, ein eminent politischer. Die Deutschen kommen nicht als Deutsche, sondern als Mitglieder einer Nato-Delegation. Sie verzichten also quasi darauf, schwarz-rot-goldene Fahnen zu schwenken. Die Türken wiederum tun so, als hätten sie die kleine Gruppe aus Berlin nicht gesehen – irgendwelche Nato-Parlamentarier halt. Der Bundestag erhält sein Recht, die Türken wahren das grimmige Gesicht.

Richtig zufrieden ist keiner damit. Denn natürlich darf kein Nato-Mitglied das Wehr- und Wertebündnis in seine nationalen Konflikte hineinziehen und, pathetisch gesagt, die gemeinsame Sicherheit in Geiselhaft nehmen. Aber diese schöne Theorie hat sich schon im jahrzehntelangen Konflikt zwischen Türken und Griechen als unpraktikabel erwiesen. Man fand Um- und Auswege. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat auch diesmal sein Möglichstes getan. Der Norweger ist ja nicht Chef der Nato, sondern bloß der erste leitende Angestellte jedes einzelnen ihrer Mitglieder. Er konnte nur freundlich vermitteln.

Bundesregierung und Parlament sind nun klug beraten, den Deal zu akzeptieren und sich nicht erdoganischer aufzuführen als der dauerbeleidigte Sultan selbst. Natürlich könnte man den Vorgang ins Grundsätzliche ziehen, auf Nato-Gipfeln zum Großthema machen und laut an der Eignung des störrischen Mitglieds an der Südostflanke zweifeln. Man lässt das aber lieber bleiben. Im Fall Incirlik fiel demonstrative Prinzipientreue nicht so schwer, weil die Bundeswehr-Tornados von Jordanien genau so gut gegen den „Islamischen Staat“ operieren können wie von der Türkei. Für die Awacs-Aufklärer der Nato gilt das nicht so ohne Weiteres.

Und außerdem gibt es mit der Türkei Wichtigeres zu klären. Nach wie vor sitzen Journalisten und Menschenrechtler in türkischer Haft. Man muss da wohl nach ähnlichen Deals wie dem für Konya Ausschau halten. Damit wären wieder viele nicht zufrieden. Aber am Ende zählt doch nur, dass sie rauskommen.

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